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Druck der Madhesi

Dreitägiger Generalstreik als Warnsignal vor Verhandlungen mit Nepals Regierung

Von Thomas Berger, Kathmandu *

Im Tarai läuft das öffentliche Leben seit Montag morgen wieder weitgehend in normalen Bahnen. Ram Narain in Lumbini, dem Ort nahe der indischen Grenze, wo Buddha geboren wurde, kann wieder seinen kleinen Gemischtwarenladen aufschließen. Und auch all die anderen Geschäfte in der Straße, deren Tore am Vortag demonstrativ verschlossen waren, haben wieder geöffnet. Einige Inhaber haben sich zwar nur beteiligt, um keine Schwierigkeiten zu bekommen, doch die Masse der Händler unterstützte die Aktion. Einen dreitägigen Generalstreik hatte das Madhesi Janadhikar Forum (MJF) im Tarai organisiert. In acht der 22 Distrikte des dem Himalaya vorgelagerten Flachlandes standen von Freitag bis Sonntag tatsächlich nahezu sämtliche Busse still und waren die Läden geschlossen. Lediglich in einigen größeren Städten konnten sich die MJF-Aktivisten nicht durchsetzen. In Bhairava, Regionalzentrum mit Grenzübergang nach Indien, gab es nur wenige Einschränkungen. Wer jedoch mit dem Bus ins 22 Kilometer entfernte Lumbini wollte, war auf Taxis oder Fahrradrikschas angewiesen.

Der dreitägige Streik war das Vorspiel zu direkten Verhandlungen zwischen dem MJF und der nepalesischen Regierung. Sowohl der für Frieden und Wiederaufbau zuständige Minister Ram Chandra Poudel, zugleich als Generalsekretär des Nepali Congress (NC) die rechte Hand von Premier Girija Prasad Koirala, als auch die Madhesi-Vertreter haben ihre Bereitschaft zu Gesprächen erklärt. In welchem Rahmen diese stattfinden werden, muß allerdings noch in den nächsten Tagen genauer ausgelotet werden. Das MJF jedenfalls hat mit seiner Aktion bewiesen, welchen Einfluß es mittlerweile in weiten Teilen des Tarai hat, für dessen Einwohner es im Rahmen einer föderalen Republik Nepal größeren Einfluß fordert.

57 Prozent der Nepalis wohnen nach der jüngsten Volkszählung von 2001 in dem Gebiet. Doch MJF-Vorsitzender Upendra Yadav verweist darauf, daß es so gut wie keine Madhesi im auswärtigen Dienst, in der Justiz und unter den Offizieren der Armee gibt. Unlängst hatte das MJF einen Forderungskatalog mit zehn Punkten vorgelegt, die an zwei Stellen explizit von einer gewissen Autonomie für das Taraigebiet und einer Neuordnung der Verwaltungsgrenzen sprechen. Um dem Forum nicht ganz das Feld zu überlassen, haben die aus dem Tarai stammenden Abgeordneten der regierenden Acht-Parteien-Koalition in der Parlamentssitzung vergangene Woche ebenfalls gefordert, sich der Anliegen der Madhesi ernsthaft anzunehmen.

Bisher blutigste Eskalation der Unruhen im Tarai war das Gaur-Massaker am 21. März. MJF-Aktivisten hatten in dem 80 Kilometer südöstlich von Kathmandu gelegenen Ort eine Gruppe von zumeist jungen Angehörigen der Communist Party of Nepal-Maoist (CPN-M) angegriffen. Es gab 27 Tote. Zwar hatte es auch zuvor schon Konflikte zwischen Madhesi-Forum und Maoisten gegeben, doch dieser Zwischenfall rief verschiedene Menschenrechtsorganisationen mit Untersuchungsteams auf den Plan. Die Berichte liegen inzwischen vor – und widersprechen sich in verschiedenen Details. Auch wenn einhellig die MJF-Vertreter als Schuldige benannt werden, ist unklar, in welcher Verbindung der Mord an drei Frauen mit den Straßenrandalen steht. Die Frauenrechtlerin Sharada Pokhrel hat bei Recherchen ermittelt, daß die Opfer wahrscheinlich vergewaltigt und verstümmelt wurden, bevor man sie tötete.

In Gaur hatten die Behörden in den vergangenen Tagen aus Furcht vor neuen gewaltsamen Ausschreitungen ein absolutes Versammlungs- und Demonstrationsverbot verhängt. 23 MJF-Aktivisten, die sich trotzdem zu einer Kundgebung treffen wollten, wurden festgenommen, und die Stimmung in der Region bleibt angespannt.

* Aus: junge Welt, 24. April 2007


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