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Regierung mit Maoisten?

In Nepal hält das Tauziehen um nationalen Konsens unvermindert an

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

In Nepal soll in Kürze eine »Regierung des nationalen Konsenses« unter Einschluß der Maoisten gebildet werden. Das erklärte Jhala Nath Khanal, der Vorsitzende der KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten), die die gegenwärtige aus 22 politischen Parteien gebildete Koalitionsregierung führt. Auch die Maoisten wollen eine andere, allerdings von ihnen dominierte Regierung.

Bislang boykottiert die Vereinte KP Nepals (Maoistisch) das Geschehen im Verfassungskonvent (Parlament) sowie die Arbeit der im Mai formierten »Regierung der Verlierer«. Bei den Wahlen im April vorigen Jahres waren der jetzige Premier Madhav Kumar Nepal, Außenministerin Sujata Koirala und etliche Minister durchgefallen. Anfang Mai 2009 hatte Pushpa Kamal Dahal Prachanda, der Chef der Maoisten, sein Amt als Premier niedergelegt. Seiner Meinung nach war die »zivile Oberhoheit« in der jungen Republik nicht mehr gewährleistet. Seine Koalitionsregierung hatte Armeechef Rukmangad Katawal abgesetzt. Doch diese Entscheidung war von Staatspräsident Ram Baran Yadav und vom Höchsten Gericht nicht akzeptiert worden.

Seitdem machen die Maoisten ihre Mitarbeit im Parlament davon abhängig, daß Präsident Yadav sein Veto zurücknimmt oder die politischen Parteien zumindest dessen Entscheidung als verfassungswidrig erklären. Eine Debatte ist im Gang, was man eigentlich unter »ziviler Oberhoheit« verstehen sollte. Auf einem Meeting sagte Premier M. K. Nepal kürzlich dazu: »Wo die Verfassung das höchste Gut ist, wo die Menschen sich ihrer grundlegenden Menschenrechte erfreuen, wo totale Pressefreiheit und Gesetzlichkeit herrschen, dort findet man zivile Oberhoheit und Freiheit.« Recht und Ordnung sei die Essenz ziviler Oberhoheit.

Der Fraktionsführer der bürgerlichen Partei Nepali Congress (NC), Ram Chandra Poudel, bezeichnete in seinem Beitrag den Konsens und die Kooperation zwischen den politischen Parteien als wesentlich für die Zivilgesellschaft und appellierte an die Maoisten, sich am Dialog und an der Arbeit im Parlament zu beteiligen. Baburam Bhattarai von der VKPN (M) warf den anderen Parteien vor, sie würden die »militärische Oberhoheit« fördern. Zur zivilen Oberhoheit könne Nepal nur kommen, wenn Präsident Yadav sich revidiert. So bleiben die Fronten verhärtet.

Trotzdem einigten sich der NC-Veteran und frühere Premier Girija Prasad Koirala und der Premier auf einem Treffen am Wochenanfang in Kathmandu darüber, die Maoisten in die Regierung zu integrieren. Sie beabsichtigten, am Dienstag Gespräche mit ihnen aufzunehmen. Sie wollen sich für eine »respektable Lösung« der Forderungen der Maoisten einsetzen. Die Vereinten Marxisten und Leninisten glauben allerdings, in der gegenwärtigen komplizierten innenpolitischen Lage wären sie am besten geeignet, das Land zu regieren. Ihr Vorsitzender Khanal behauptet, Signale von den Maoisten empfangen zu haben, daß diese bereit seien, einer »Regierung des nationalen Konsenses« beizutreten.

Aus deren Reihen kommen aber ganz andere Töne. Nachdem am Montag nach zweiwöchiger Dauer ihre erste Politbürositzung seit dem Rücktritt des Premiers Prachanda beendet worden war, befürwortete dieser vor den Medien eine nationale Regierung, die gemäß dem Mandat der Wähler von den Maoisten geführt wird und die bestehende »unethische und nicht verfassungsgemäße Regierung« ablöst. Das werde in ein bis zwei Wochen geschehen, glaubt Prachanda. Bis dahin will die VKPN(M) ihre Kampagnen zur Mobilisierung der Bevölkerung fortsetzen. Die Politbürositzung zog sich so lange hin, weil es heftige Diskussionen mit einer starken Frak­tionsgruppe über einen alternativen Kurs gab, der eine »Volksrevolte zur Schaffung einer Volksrepublik« beinhaltet. Prachanda befürwortet das gegenwärtig jedoch nicht.

* Aus: junge Welt, 1. Juli 2009


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