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KP Nepals (VML) stellt neuen Premier

Maoisten als stärkste Partei in der Opposition

Von Hilmar König, Delhi *

Madhav Kumar Nepal wurde am Sonnabend (23. Mai) zum neuen Premier Nepals gewählt. Er wurde von 350 der 601 Abgeordneten des Verfassungskonvents unterstützt. Einen Gegenkandidaten gab es nicht. Die Vereinte KP Nepals (Maoistisch) als stärkste Partei boykottierte die Wahl jedoch.

Der 56-jährige Madha Kumar Nepal (Foto: dpa) führte die KPN (Vereinte Marxisten und Leninisten) 15 Jahre lang als Generalsekretär. Im vorigen Jahr trat er von diesem Amt zurück, nachdem er bei den Parlamentswahlen eine Niederlage erlitten hatte. Seine Regierung werde sich um den Konsens aller Parteien und um die Einbeziehung der Maoisten bemühen, erklärte er jetzt. Am Sonntag hatte er eine erste unangenehme Amtshandlung zu vollziehen: Er besuchte die Kirche am Dhobighat, auf die am Vortag ein Sprengstoffanschlag verübt worden war. Dabei waren zwei Menschen ums Leben gekommen. Hinter dem Anschlag wird eine militante Hindu-Gruppe namens »Nepal Defense Army« vermutet. Der Regierungschef besuchte auch Verletzte im Hospital.

Sein zurückgetretener Vorgänger Pushpa Kamal Dahal Prachanda, Chef der KP Nepals (Maoisten), rief am Sonnabend seine Genossen zur Wachsamkeit auf. Der Krieg sei noch nicht vorüber, nur die Strategie habe sich geändert. Die jüngsten politischen Ereignisse hätten die Möglichkeit eröffnet, »die Revolution zu vollenden«. Fraktionsführer Narayankaji Shrestha hatte im Verfassungskonvent erklärt, die KPN (M) lehne eine Regierung ab, »die im Auftrag von Imperialisten, Expansionisten und Leuten installiert wurde, die den Status quo erhalten wollen und die zivile Oberhoheit zerschlagen.«

Am Streit um die »zivile Oberhoheit« war die von den Maoisten neun Monate lang geführte Koalitionsregierung Anfang Mai gescheitert. Sie zerbrach an der Entscheidung Premier Prachandas, Armeechef Rukmangad Katawal zu entlassen, weil der sich mehrfach Anordnungen der Regierung widersetzt und damit die zivile Oberhoheit herausgefordert hatte. Streitpunkt war vor allem die Eingliederung der ehemaligen maoistischen Rebellen in die Armee, deren Generalität von Anhängern der abgeschafften Monarchie beherrscht wird. Als sich Staatspräsident Ram Baran Yadav, ehemals Generalsekretär des bürgerlichen Nepali Congress, der zweitstärksten Partei, hinter General Katawal stellte, warf Premier Prachanda am 4. Mai das Handtuch. Bei seiner Abschiedsrede vor dem Verfassungskonvent am Freitag sagte er, dass sich jetzt Leute an die Spitze der Regierung setzten, die von den Wählern abgewiesen wurden. Dies sei ein »Teil der Konterrevolution«.

Auf einer Kundgebung Mitte Mai in Katmandu hatte Prachanda erklärt, die neue Regierung, die die Marxisten-Leninisten zu formieren beabsichtigten, werde den Friedensprozess entgleisen lassen. Und sie wäre »ferngesteuert«. Von außen werde versucht, den Nepalern das Recht auf Selbstbestimmung zu nehmen. Der Vorwurf ging an Indien. Prachanda hatte sich in der Kontroverse mit Präsident Yadav und General Katawal vergeblich an Delhi gewandt, in der Hoffnung, dass die »größte Demokratie der Welt« seinen Standpunkt zur »zivilen Oberhoheit« unterstützen würde.

* Aus: Neues Deutschland, 25. Mai 2009


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