Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Autonome Bundesstaaten in Nepal?

Maoisten verschärfen Protest gegen die Regierungskoalition

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

In Kathmandu lief am Dienstag die dritte Phase der maoistischen Protestkampagne gegen die von der KPN (Vereinte Marxisten und Leninisten) geführte aus 22 politischen Parteien bestehende Regierungskoalition an. Diese hatte auf ein Ultimatum der Vereinten KP Nepals (Maoistisch) nicht reagiert. Die VKPN (M) verlangt eine Entschuldigung des Präsidenten Ram Baran Yadav, der die Absetzung des widerspenstigen (inzwischen pensionierten) Armeechefs Rukmangad Katawal verhindert und damit den Fall der maoistischen Koalitionsregierung im Mai initiiert hatte. Als Alternative zu einer Entschuldigung wäre die Partei auch mit einer Debatte im Verfassungskonvent (Parlament) über Yadavs »verfassungswidriges Verhalten« einverstanden. Ihr Endziel sei, die »zivile Oberhoheit« zu sichern und eine von ihr dominierte Regierung der Nationalen Einheit zu etablieren.

Mit der Protestkampagne, zu deren beiden ersten Etappen Demonstrationen, Massenkundgebungen, Straßenblockaden und ein Parlamentsboykott gehörten, sollen diese Ziele erreicht werden. Landesweit gingen bisher Zehntausende Menschen dafür auf die Straßen. Am Montag bekam die Bevölkerung einen Vorgeschmack, was in diesem Monat noch alles zu erwarten ist, als die maoistische Gewerkschaft der Erdölarbeiter alle privaten Tankstellen schließen ließ und die Zugänge zu den neun Treibstoffdepots im Land blockieren. Die Gewerkschaft verlangt vom Verband der Treibstoffhändler u.a. die Zahlung von der Regierung angeordneter Mindestlöhne, vergütete Überstunden und eine Lebensversicherung. Am Dienstag sollten in Kathmandu und anderen Städten mehr als 20 000 Schüler und Studenten aufmarschieren. In den nächsten Tagen folgen Manifestationen der Frauen, Kriegsversehrten und Angehörigen von verschwundenen Personen.

Für den 7. Dezember steht ein landesweiter, von den Lehrern organisierter Schulstreik auf dem Plan. Am 10. Dezember soll es einen landesweiten Streik geben, dem sich ein paar Tage später die einseitige Proklamation 13 autonomer Bundesstaaten anschließt. Diese soll schrittweise vom 11. bis zum 18. Dezember erfolgen. Namensgebung und Grenzziehung werden gegenwärtig von der maoistischen Parteiführung beraten. Den vorläufigen Höhepunkt dieses Jahres bildet dann vom 20. bis 22. Dezember ein Generalstreik. KPN(M)-Chef Pushpa Kamal Dahal Prachanda schließt verschärfte Protestaktionen und die Bildung einer »parallelen Regierung« nicht aus. Vorige Woche hatte er immerhin erlaubt, den seit fünf Monaten anhaltenden Parlamentsboykott kurz zu unterbrechen, damit die Abgeordneten das Budget verabschieden konnten.

Welche praktischen Auswirkungen die angekündigte Proklamation autonomer Bundesstaaten haben wird, ist noch nicht abzusehen. Fest steht jedenfalls, daß ein solcher Schritt nicht zur Lösung der tiefen politischen Krise beitragen wird. Präsident Yadav versicherte am Montag, wenn die politischen Parteien einen Konsens zur Zusammenarbeit finden, dann stehe er diesem nicht im Wege. Den 2006 besiegelten Friedensprozeß und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung zu vollenden, sei nur möglich, wenn die Maoisten, Marxisten und Leninisten und der bürgerliche Nepali Congress an einem Strang ziehen.

Hingegen warf Premier Madhav Kumar Nepal den Maoisten vor, sie seien frustriert, weil sie die Regierung hatten abgeben müssen. Sie hätten zudem der Gewalt noch nicht ganz abgeschworen und hielten sich nicht an demokratische Normen. Noch aggressiver stieß Verteidigungsministerin Bidhya Bhandari ins gleiche Horn: Die VKPN(M) könne erst dann Regierungsverantwortung übernehmen, wenn sie eine »vollständig demokratische Partei« sei. Momentan sei sie nur darauf aus, die Macht an sich zu reißen und als Mittel auf dem Weg dorthin dienten ihr der Verfassungskonvent, der Friedensprozeß und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung.

* Aus: junge Welt, 2. Dezember 2009


Zurück zur "Nepal"-Seite

Zurück zur Homepage