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Vom Guerillero zum Premier Nepals

Maoistenchef Pushpa Kamal Dahal Prachanda als Regierungschef vereidigt

Von Hilmar König, Delhi *

Der Vorsitzende der KP Nepals (Maoistisch), Pushpa Kamal Dahal Prachanda, ist am Montag als neuer nepalesischer Ministerpräsident vereidigt worden. Der 53-Jährige legte in Kathmandu vor Präsident Ram Baran Yadav seinen Amtseid ab. Am Freitag war er vom Verfassungskonvent zum Premier der Demokratischen Bundesrepublik Nepal gewählt worden. Er erhielt 464 Stimmen der 577 am Votum teilnehmenden Parlamentarier, während für seinen Konkurrenten von der Partei Nepali Congress (NC) lediglich 113 votierten.

Eingewickelt in riesige Blumengirlanden, den Kopf mit rotem Sindhur-Puder bestäubt. So präsentierte sich Prachanda nach dem Wahlerfolg vor den Kameras. Sie hielten die Krönung des aus dem Dschungel und aus den Bergen kommenden einstigen Guerillakommandeurs zum Regierungschef für die Geschichtsbücher fest. Im Februar 1996 hatte er den »Volkskrieg« gegen die Monarchie begonnen. Auf seinen Kopf war eine hohe Prämie ausgesetzt worden. Im November 2006 hatte er mit dem Friedensabkommen dem bewaffneten Kampf abgeschworen und mit klaren Zielvorstellungen - Abschaffung der Monarchie und Wandel zu einem republikanischen System - die politische Bühne betreten.

Der Wahlsieg war nur möglich geworden, weil es den Maoisten im letzten Moment gelang, den Pakt zwischen NC, KPN(Vereinte Marxisten und Leninisten; VML) und dem Madhesi Janadhikar Forum (MJF) zu zerbrechen. VML und MJF stimmten gemeinsam mit weiteren 18 politischen Parteien für Prachanda. Sher Bahadur Deuba, der NC-Kandidat und mehrmalige Regierungschef während der monarchistischen Herrschaft, erhielt nur die Stimmen seiner Partei und scheiterte kläglich. Der NC kündigte daraufhin an, künftig als »verantwortungsbewusste Opposition« zu agieren. Zum endgültigen Zerwürfnis zwischen dieser Partei und den Maoisten war es gekommen, weil beide darauf bestanden, in der Regierung das Verteidigungsministerium zu bekommen.

Allerdings will sich Prachanda, der am heutigen Montag als Premier vereidigt wird, darum bemühen, den NC doch noch zu einer Beteiligung an der Regierung der nationalen Einheit zu bewegen. Nach seiner Nominierung hatte er erklärt: »Unsere Rolle in der Regierung wird sein, die historische Aufgabe der Ausarbeitung einer neuen Verfassung zu bewältigen, sowie den Wunsch des Volkes nach progressiver Umgestaltung des Landes zu erfüllen.« Nachdem Nepal in den 90er Jahren schon einmal einen Kommunisten als Regierungschef hatte, übernimmt nun erstmals in der Geschichte des Landes ein Maoist dieses Amt.

Das gemeinsam mit der VML und dem MJF erarbeitete Minimalprogramm für die Regierungsarbeit sieht vor, die nationale Einheit zu stärken, den Wandel zu einem demokratisch-republikanischen System voranzutreiben, den Friedensprozess konsequent zum Abschluss zu bringen, wirtschaftliche und soziale Entwicklungsprogramme, einschließlich einer tiefgreifenden Landreform, auf den Weg zu bringen. Das 26-Millionen-Volk hofft, dass nach Monaten der Ungewissheit und erbitterter Machtkämpfe -- am 10. April hatte es Wahlen zum Verfassungskonvent und am 28. Mai die Proklamation der Republik gegeben -- unter Prachandas Führung endlich politische Stabilität die Oberhand gewinnt. Für den Fortschritt des rückständigen Landes ist das von ausschlaggebender Bedeutung.

Am Montag soll auch die namentliche Zusammensetzung des Kabinetts bekannt gegeben werden. Neun Minister stellt die KPN(M), die mit 227 Abgeordneten die stärkste Fraktion im Verfassungskonvent ist. Sechs Minister gehören der VML, vier dem MJF und fünf anderen, kleineren Parteien an. Über die Verteilung der Ressorts waren am Wochenende intensive Beratungen im Gange.

* Aus: Neues Deutschland, 19. August 2008


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