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Nepals Linke träumt von Einheit

Splitter sind nur schwer wieder zusammenzufügen

Von Thomas Berger *

Rund 70 Prozent der Stimmberechtigten Nepals haben bei der letzten Wahl links gewählt. Die kommunistische Bewegung des südasiatischen Landes ist allerdings stark zersplittert. Vor den Wahlen im November wächst die Sehnsucht, die progressiven Kräfte zu einen.

Ende Mai erst erhielt die neugegründete Kommunistische Partei Nepals (KPN) ihre offizielle Anerkennung durch die Wahlkommission. Wenige Wochen zuvor durch den Zusammenschluss von sechs marxistischen Gruppierungen entstanden, kommt die Partei ganz ohne die üblichen Unterscheidungszusätze aus. Zu ihren Gründungsorganisationen gehörten beispielsweise die KPN-Vereinigte Marxisten, die KPN-ML-Sozialistisch und die Marxistische KP.

Dabei handelt es sich nur um einen kleinen Teil jener zahllosen Splitter, die heute das Erbe der einst ungeteilten Kommunistischen Partei beanspruchen und mitunter heftig miteinander im Streit liegen. Gleichwohl ist der Wunsch, die Kräfte zu bündeln und alte Zerwürfnisse zu überwinden, auch bei anderen erkennbar. Ende Juni gab es ein weiteres Treffen von vier kommunistischen Parteien, die zumindest längerfristig eine Vereinigung ins Auge gefasst haben. Dazu zählen die KPN-Ekikrit, die KPN (Maoistisch) unter Matrika Yadav und die Revolutionäre Kommunistische Partei.

Vor allem aber fällt der Blick auf die KPN-Maoisten unter Mohan Baidya, die 2012 bei der Spaltung der seinerzeit noch regierenden Vereinigten KPN-Maoisten entstand. Baidya und seine Getreuen werden gemeinhin als deren »Hardliner«-Fraktion bezeichnet. Der »Mutterpartei« VKPN-Maoisten der ehemaligen Regierungschefs Pushpa Kamal Dahal alias Prachanda und Baburam Bhattarai werfen sie Verrat an den Zielen des einstigen Untergrundkampfes und Kungelei mit etablierten politischen Kräften vor. Baidya und Genossen führen derzeit ein Bündnis von 33 Parteien an, die mit einem Boykott der für den 19. November geplanten Wahlen einer neuen Verfassunggebenden Versammlung drohen.

Derweil hat sich Pushpa Kamal Dahal erst vergangene Woche für ein einziges »kommunistisches Zentrum« in der Perspektive ausgesprochen. Der Chef der VKPN-M, sagte das im Beisein hochrangiger Gäste aus den Reihen der KPN-Vereinigte Marxisten-Leninisten, der zweitgrößten Linksformation Nepals. Während die Maoisten bis 2006 einen zehnjährigen Guerillakampf gegen die Monarchie ausfochten, nahm die KPN-VML stets an Wahlen teil und stellte mehrfach den Regierungschef. Trotz einer gewissen Annäherung in jüngster Zeit sind KPN-VML und VKPN-M einander aber ebenso wenig grün wie die Spaltprodukte der Maoisten. Dabei gibt es ideologisch nur wenige Unterschiede – die Zersplitterung der nepalischen Linken resultiert in erster Linie aus persönlichen Zerwürfnissen ihrer Führer. Selbst innerhalb der VKPN-M liegen Pushpa Kamal Dahal und Baburam Bhattarai nicht immer auf einer Linie.

Während es mit Blick auf die Wahlen tatsächlich darum geht, linkes Potenzial zu bündeln, sorgt die jüngste Ankündigung des maoistischen »Hardliners« Baidya für Stirnrunzeln. Der Chef der KPN-M kann sich nämlich im Kampf gegen den angeblich vom großen Nachbarn Indien diktierten Wahltermin durchaus ein Bündnis mit monarchistischen Kräften um den ehemaligen König Gyanendra vorstellen. Baidya findet daran offenbar nichts Verwerfliches, auch wenn er sich ausgerechnet auf jenes Lager stützen würde, das er und seine Genossen 1996 bis 2006 mit Waffengewalt bekämpft haben. Der Feind meines Feindes ist mein Freund – das Motto bestimmt offenbar auch das Handeln nepalischer Politiker.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 25. Juli 2013


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