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Der König auf Kreuzzug

Nepal: Gyanendra verhindert mit Militäreinsatz und massiver Repression Großdemonstration. Parteiführer unter Hausarrest. Ausgangssperre verhängt

Von Hilmar König*

Alle Mittel der Repression hat Nepals König Gyanendra am Freitag eingesetzt, um in Kathmandu eine machtvolle Demonstration gegen seine Willkürherrschaft im Keime zu ersticken. Erst in der vergangenen Woche hatten mindestens 100000 Menschen in der südöstlichen Stadt Janakpur an einer antimonarchistischen Massenkundgebung teilgenommen. Am Freitag nun rief Gyanendra eine von acht bis 18 Uhr dauernde Ausgangssperre aus, deren Einhaltung 15000 Soldaten und Polizisten überwachten. In Gruppen und in gepanzerten Fahrzeugen mit Maschinengewehren patrouillierten sie durch die Hauptstadt.

Die Manifestation war von einer aus sieben politischen Parteien bestehenden Allianz kurz vor dem ersten Jahrestag des Putsches des Monarchen geplant worden. Mit ihr sollten der Coup, die Verletzung der Menschenrechte und die für den 8. Februar vorgesehenen Scheinwahlen zu Gemeinde- und Stadträten verurteilt und die Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen gefordert worden. Gleichzeitig mit der Ausgangssperre wurden mehrere Führer politischer Parteien für 90 Tage unter Hausarrest gestellt. Darunter befinden sich Girija Prasad Koirala, der Chef der Partei Nepali Congress, der Generalsekretär der KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten), Madhav Kumar Nepal, sowie dessen Stellvertreter Khadga Prasad Oli und der Chef der Arbeiter- und Bauernpartei, Narayan Man Bijukche. Schon am Donnerstag waren mehr als 100 politische Aktivisten, Studentenführer und Menschenrechtler in »Vorbeugehaft« genommen worden. Nepals Menschenrechtskommission äußerte die Befürchtung, die Inhaftierten würden gefoltert oder verschleppt. Im Vorfeld der angekündigten Demonstration war bereits eine nächtliche Ausgangssperre verhängt und alle Telefon-, Mobilfunk- und Internetverbindungen waren gekappt worden.

Als Begründung für das Verbot der Demonstration vom Freitag nannte das monarchistische Regime Informationen, wonach maoistische Rebellen den Massenaufmarsch für Attacken mißbrauchen wollten. Die KP Nepals (Maoistisch) traf im Herbst vorigen Jahres eine Vereinbarung mit der Sieben-Parteien-Allianz, gemeinsam gegen die Monarchie, für die Etablierung einer Allparteienregierung, die Einberufung einer konstituierenden Versammlung sowie den Entwurf einer neuen Verfassung mit starken republikanischen Zügen zu arbeiten. Die Guerilla hatte vier Monate lang, bis zum 2. Januar, eine einseitige Waffenruhe proklamiert – in der Hoffnung, der Herrscher würde darauf positiv reagieren. Doch Gyanendra tat die Waffenruhe als Täuschungsmanöver der Aufständischen ab und forderte, sie sollten ihre Waffen niederlegen und dann zu Verhandlungen mit der Regierung kommen, die er aus treuen Gefolgsleuten gebildet hatte.

* Aus: junge Welt, 21. Januar 2006


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