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Lichterfest in Kathmandu

Begeisterung nach Abschluss des Friedensabkommens in Nepal

Von Hilmar König, Delhi *

Die Unterzeichnung des Friedenspaktes zwischen Nepals Regierung und der KPN (Maoistisch) am späten Dienstag in Kathmandu signalisiert den Eintritt in eine neue Ära des Noch-Königreiches am Himalaja.

Kaum hatten Premier Girija Prasad Koirala und KP-Führer Pushpa Kamal »Prachanda« Dahal ihre Unterschriften unter den Friedens-pakt gesetzt, brach überall im Land, in dem etwa die Hälfte der Bevölkerung unter oder an der Armutsgrenze lebt, Jubel aus. Wie zum hinduistischen Lichterfest Diwali zündeten Bürger Kathmandus in den Fenstern und vor den Türen Kerzen und Öllämpchen an. Durch die Hauptstadt zog bald danach ein Lichtermarsch. Der Feststimmung setzte die Regierung die Krone auf, als sie den Mittwoch zum arbeitsfreien Feiertag erklärte. Die »Kathmandu Post« und andere Tageszeitungen titelten mit Balkenüberschriften, die »Morgenröte des Friedens, des Fortschritts und der Prosperität« sei angebrochen.

Der Regierungschef würdigte den Vertrag als »ein Beispiel für die ganze Welt, da es sich um ein rein nepalisches Ergebnis handelt, das ohne äußere Hilfe zustandekam«. Er beende die Politik des Tötens, der Gewalt und des Terrors und leite die Politik der Kooperation und der Versöhnung ein. Der Geist der Zusammenarbeit sei weiterhin erforderlich, um dieses historische Dokument völlig in die Tat umzusetzen.

Prachanda fand ähnlich starke Worte und bemerkte, dieser Moment kennzeichne das Ende des 238 Jahre alten feudalen Systems und das Ende von elf Jahren Bürgerkrieg. Er sprach von einer »wichtigen Botschaft an die Welt«, denn man habe ein kompliziertes Problem durch Dialog gelöst.

Das »Umfassende Waffenstillstands- und Friedensabkommen« verwandelt die seit sechs Monaten eingehaltene Waffenruhe in einen Zustand permanenten Friedens. Es beendet den »Volkskrieg« der maoistischen Rebellen. Diese treten am 26. November mit 73 Abgeordneten in das Parlament und am 1. Dezember mit etlichen Ministern in die Übergangs regierung ein. Diese bereitet die Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung im Juni 2007 vor. Die maoistischen »Volksgerichte« werden geschlossen, Entführungen, das spurlose Verschwinden von politischen Gegnern, erzwungene Steuerzahlungen sowie Rekrutierungen für die »Volksbefreiungsarmee« werden beendet. Die Rebellen unterstellen ihre Waffen einer UN-Kontrolle und werden in festgelegten Bezirken kaserniert. Auch Waffenarsenale der Armee kommen unter UN-Aufsicht. Eine Wahrheits- und Versöhnungskommission wird Menschenrechtsverletzungen untersuchen. Armee und Guerilla informieren sich gegenseitig über verminte Gebiete, die im Verlaufe der nächsten zwei Monate zu säubern sind.

Das Schicksal der Monarchie wird auf der ersten Sitzung der verfassunggebenden Versammlung im Sommer 2007 entschieden. König Gyanendra, 2001 nach einem Palastmassaker, bei dem König Birendra umgebracht wurde, an die Macht gekommen und im Februar 2005 zum Alleinherrscher geworden, ist weitgehend entmachtet. Er fungiert nicht mehr als militärischer Oberbefehlshaber. Seine Einnahmen und Besitzungen werden versteuert. Er ist angeklagt, den Schießbefehl gegen die Demonstranten der Demokratiebewegung im April gegeben zu haben. Im Mai erklärte die Regierung per Dekret das hinduistische Königreich bereits zum säkularen Staat. Die Maoisten geben einer Monarchie, selbst einer nur noch zeremoniellen, keine Zukunft. Prachanda erklärte am Sonntag in Delhi dazu, das Ende der Monarchie sei entscheidend für die Etablierung einer haltbaren Demokratie in Nepal. Eine neue staatliche Struktur sei nur mit der Abschaffung des Königshauses und der Demokratisierung der Armee möglich, der man noch nicht trauen könne.

Ian Martin, der persönliche Vertreter des UNO-Generalsekretärs in Nepal, bewertete das Abkommen als einen weiteren Schritt im Friedensprozess. Er hoffe, dass nun schnell das Abkommen zwischen Regierung, KPN(M) und UNO folgen werde, das alle Details des Waffenmanagements enthält. Die UNO sei bereit, bei der Überwachung der Menschenrechte, beim Schaffen eines für ein Mehrparteiensystem günstigen Klimas und im Prozess der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung zu assistieren.

Die USA, die die nepalischen Rebellen noch nicht von ihrer »Terroristenliste« gestrichen haben, begrüßten das Abkommen vorsichtig und verwiesen auf dessen Respektierung.

Der Sprecher des indischen Außenministeriums bemerkte, der Pakt entspreche dem überwältigenden Wunsch der Nepaler nach Frieden und Stabilität. Das Mandat des Volkes dürfe nicht missbraucht werden. Jetzt komme es darauf an, nach Geist und Buchstaben des Abkommens zu handeln.

* Aus: Neues Deutschland, 23. November 2006


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