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Nepal: König Birendra ermordet

Ein Porträt

Im Folgenden dokumentieren wir anlässlich des Massakers im nepalesischen Königshaus ein Porträt des Königs Birendra:

König Birendra von Nepal

Birendra Bir Bikram Shah bestieg 1972 den Thron des Himalaya-Königreichs Nepal. Der Regent, der am Freitag bei einem Massaker in seinem Palast erschossen wurde, hatte sich der Demokratie lange widersetzt, bevor er sie 1990 zuliess. Seitdem aber wies er das Ansinnen, die Macht angesichts der Probleme im armen Himalayastaat wieder an sich zu reissen, zurück. Dazu wurde er in jüngster Zeit immer häufiger gedrängt, auch aus der eigenen Familie.

Die Demokratie hat sich noch immer nicht gefestigt. Inzwischen ist die neunte Regierung in elf Jahren an der Macht. Maoisten kämpfen seit fünf Jahren für die Abschaffung der Demokratie. Nepal gehört mit einem Bruttosozialprodukt von 210 Dollar pro Kopf und Jahr zu den zehn ärmsten Ländern der Welt. Neun von zehn Nepalesen leben auf dem Land. In Nepal liegen zehn der weltweit 14 Achttausender, darunter der Mount Everest, mit 8.848 Metern der höchste Berg der Erde. Mehr als 400.000 Touristen besuchen Nepal jedes Jahr zu Trekking- und Bergsteigertouren, aber auch wegen der historischen Königsstädte im Kathmandu-Tal. Birendra wurde 1972, im Alter von 26 Jahren, König von Nepal, dem einzigen hinduistischen Königreich der Welt. Traditionell nahm Birendra damals auch den Titel «Dev», Gott, in seinen Namen auf. Nach nepalesischem Glauben ist der König eine Wiedergeburt des Hindugottes Vishnu. Für die Menschen in Nepal ist das Massaker im Königspalast daher nicht nur ein politischer Schock. 90 Prozent der 23 Millionen zählenden Bevölkerung sind Hindus. Allerdings hat ihr Glaube starke buddhistische Elemente.

Birendra, geboren am 28. Dezember 1945, gehörte zu einer der beiden mächtigen Dynastien des Königreichs, der Shah-Familie. 1970 wurde er mit Aishwarya Rajya Laxmi verheiratet, die zum Rana-Clan, der zweiten Monarchenfamilie, zählte. Birendra studierte unter anderem in Tokio und an der Harvarduniversität in den USA. Trotz der Ausbildung im Westen und Reformversprechen hielt König Birendra zunächst an seiner absoluten Macht fest. Er weigerte sich, das «Panchayat»-System abzuschaffen, das keine Parteien kennt. Es beruht auf örtlichen Repräsentanten, die den König nicht kontrollieren konnten. Die Demokratiebewegung wurde aber in den 80er Jahren immer mächtiger. Im Februar 1990 unterdrückte die Regierung Birendras Demonstrationen für ein Mehrparteiensystem mit Gewalt. Im April 1990 wurden bis zu 500 Menschen erschossen, als 200.000 Demonstranten unterwegs zum Palast waren.

Im November 1990 unterzeichnete König Birendra dann eine neue Verfassung, die ihn zum konstitutionellen Monarchen, vergleichbar der britischen Königin, machte. König Birendra behielt das Recht, den Notstand auszurufen, von dem er allerdings keinen Gebrauch machte. König Birendra und die vier Jahre jüngere Königin Aishwarya hatten zwei Söhne und eine Tochter, die bei dem Massaker ebenfalls umkamen. Kronprinz Dipendra hatte seinen Vater mehrfach aufgefordert, die Macht in Nepal wieder zu übernehmen. Viele gewählte Volksvertreter gelten in Nepal inzwischen als korrupt. Die Angst vor der Gewalt militanter Maoisten wächst.

Quelle: Netzeitung, 2. Juni 2001

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