Bahnbrechendes Abkommen in Nepal
Vereinbarung zwischen Regierung und Maoisten über die Waffenfrage
Von Hilmar König, Delhi *
Nepals Regierung und die KPN (Maoistisch) haben ein Abkommen zum »Waffenmanagement«
unterzeichnet, das UNO-Kontrolleure ins Spiel bringt und den festgefahrenen Friedensdialog wieder
anschiebt.
Zwei Briefe mit identischem Text wurden dieser Tage UNO-Generalsekretaer Kofi Annan zugeleitet.
Das eine Schreiben stammte von Nepals Premier Girija Prasad Koirala, das andere vom Chef der
KP Nepals (Maoistisch), Pushpa Kamal Dahal. Darin versichern beide Politiker, Übereinstimmung zu
Fragen erzielt zu haben, die entscheidend für den weiteren politischen Kurs im Land sind. Die
Meinungsverschiedenheiten vor allem über das so genannte Waffenmanagement hatten zu einem
Stillstand im Dialog zwischen Regierungsvertretern und den maoistischen Rebellen geführt. Diese
ärgerte besonders ein Schreiben von Koirala an die UNO, das nicht mit ihnen abgestimmt worden
und in dem nur von einseitiger »Entwaffnung« der Rebellen die Rede war. Nun besteht Klarheit in
diesem wesentlichen Punkt. In den Briefen werden die Vereinten Nationen gebeten, in Nepal
»qualifiziertes ziviles Personal zu stationieren, das die Beschränkung der KPN(M)-Kämpfer und ihrer
Waffen auf gekennzeichnete Areale überwacht und verifiziert«. Ebenso soll UNO-Personal »die
Armee Nepals überwachen, um zu sichern, dass diese in ihren Kasernen bleibt und ihre Waffen
nicht für oder gegen eine Seite einsetzt«.
Staffan de Mistura, Chef eines UN-Teams, das in der vorigen Woche die Lage in Nepal sondierte,
findet die jüngste Vereinbarung »sehr ermutigend«. Sie ebnet den Weg für freie und faire Wahlen im
April nächsten Jahres. Und vor allem gibt es nun keine Hindernisse mehr, die Maoisten an der
Interimsregierung zu beteiligen. Auf einer Pressekonferenz in Katmandu jedoch schob der KPSprecher
Krishna Bahadur Mahara allen Spekulationen einen Riegel vor: Eine Waffenabgabe der
Rebellen werde erst nach der Wahl eines neuen Parlaments erfolgen. Bis dahin gelte auch das
Mandat der Vereinten Nationen.
Außer der Waffenfrage einigten sich beide Seiten auch auf eine UNO-Rolle bei der Kontrolle der
Einhaltung der Waffenruhe, der Überprüfung von Menschenrechtsverletzungen sowie der
Entsendung von Beobachtern für Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung, der
Parlamentswahlen folgen werden.
Unmittelbar zuvor hatten in Katmandu noch die Alarmglocken geläutet. Baburam Bhattarai, einer der
führenden maoistischen Köpfe, hatte gewarnt, dass die Waffenruhe und die Friedensgespräche »am
Rande des Kollapses« stünden. Er warf der Regierung vor, die Guerilla zurück auf den Kriegspfad
zu drängen. Wenn der Dialog abbreche, würden die Aufständischen »eine dritte Revolution
beginnen, diesmal mit Schwerpunkt in den Städten«, drohte er. Was die KPN(M) in Rage brachte,
war eine Bemerkung von Premier Koirala, in der er die Maoisten und König Gyanendra auf eine
Stufe stellte und empfahl, »in einer Demokratie allen Raum zu geben, damit sie nicht frustriert
werden«.
Dieser Rat stieß weithin auf Unverständnis, denn die Volkserhebung vom April hatte sich gerade
gegen die Monarchie und deren Machtmissbrauch gerichtet. Die KP Nepals (Vereinte Marxisten und
Leninisten), deren Generalsekretär Madhav Kumar Nepal sich in der Vorwoche mit Pushpa Kamal
Dahal getroffen hat, kommentierte: »Was Premier Koirala sagte, war gegen den Geist der
Volkserhebung gerichtet. Die Bevölkerung ist auf die Straße gegangen, um ein republikanisches
System zu fordern.« Vor diesem Hintergrund war umso bemerkenswerter, dass wenig später das
bahnbrechende Abkommen zwischen den Maoisten und der Regierung unterzeichnet wurde.
* Aus: Neues Deutschland, 14. August 2006
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