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Verschwörungsvorwürfe auf Nauru

Will eine australische Firma den Machtwechsel im Inselstaat erzwingen?

Von Thomas Berger *

Gibt es eine Verschwörung zum Sturz der Regierung des pazifischen Inselstaates Nauru? Nach Informationen einer der führenden australischen Tageszeitungen hat die Firma Getax Australia mehrere vormalige Abgeordnete des Regierungslagers auf Nauru mit finanziellen Anreizen zum Wechsel auf die Oppositionsbänke »überredet«, um Präsident Marcus Stephen zu Fall zu bringen. Angeblich gehe es darum, die Kontrolle über die Phosphatvorräte des Inselstaates zu erlangen. Der Konzern, hinter dem eine indischstämmige Familie steckt, die im Phosphatgeschäft eine führende Rolle spielt, soll auch bei den jüngsten Wahlen auf dem Inselstaat mitgemischt haben, indem man Oppositionskandidaten mit Geld versorgte, um Wählerstimmen zu kaufen. Nachdem das zum Imperium des konservativen Medienmoguls Rupert Murdoch gehörende Blatt The Australian am Montag und Dienstag jeweils auf einer Sonderseite eine exklusive Investigativgeschichte brachte, hat Australiens Polizei offiziell Ermittlungen gegen Getax aufgenommen.

Tatsache ist, daß sich das kleine Nauru seit rund drei Jahrzehnten von einer Krisensituation zur nächsten hangelt, und das auf politischem wie ökonomischem Gebiet. Der einzige nennenswerte Reichtum des Inselstaates liegt in seinen Phosphatvorkommen, deren Ausbeutung Nauru einst zu enormem Wohlstand verhalf. Ein halbstaatlicher Treuhandfonds war aber in fragwürdige Geschäfte verstrickt, und nachdem der Trust unter anderem Schiffe, Flugzeuge für eine nationale Airline, Hotels und diverse Luxusimmobilien in Übersee erworben hatte, stand Nauru als Ganzes bereits mehrfach vor der Staatspleite. Derzeit überlebt Nauru nur dank staatlicher Finanzspritzen aus Australien, Taiwan und Rußland.

Der gegenwärtige Präsident Marcus Stephen und sein Justizminister Mathew Batsiua waren angetreten, die Korruption zu bekämpfen. Doch seit Monaten befindet sich Nauru in einer politischen Selbstblockade, die auch zwei Parlamentswahlen dieses Jahr im April und Juni nicht lösen konnten. Hatte die Regierung vorher mit zwölf zu sechs eine komfortable Mehrheit, stehen sich nun jeweils neun Abgeordnete beider Lager gegenüber. Stephen regiert momentan per Ausnahmezustand, gegen dessen Verhängung Oppositionschef Baron Waqa und seine Getreuen mit einer Klage vor kurzem gescheitert sind.

Getax ist 1997 von Govind Sahai Gupta gegründet worden. Er und seine beiden Söhne Amit und Ashok verschiffen große Mengen des Rohstoffes aus Nauru, China sowie neuerdings auch Togo und Algerien nach Indien, haben für den Transport eigene Tochterfirmen gegründet, deren wichtigste in Singapur sitzt. Naurus einst reiche primäre Phosphatvorkommen gehen jedoch zur Neige. Statt stolzer 1,5 Millionen Tonnen im Jahr 1975 waren es 2001 gerade noch 250000, die exportiert wurden, und in fünf Jahren sollen die Reserven erschöpft sein. Allerdings gibt es sekundäre Vorkommen, die bei einer Ausbeutung Schätzungen zufolge noch einmal 30 Jahre reichen könnten und umgerechnet 750 Millionen Euro wert sein sollen. Sich frühzeitig den Zugriff darauf zu sichern, wäre für Getax zweifellos lukrativ.

* Aus: junge Welt, 27. Oktober 2010


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