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SWAPO demonstriert Einigkeit

Namibias Regierungspartei setzt auf Veteran Hage Geingob als nächsten Präsidenten

Von Christian Selz, Kapstadt *

Eigentlich schien Hage Geingobs politische Karriere bereits beendet. Im August 2002 verlor er bei einer Umstrukturierung des Kabinetts seinen Posten als Premierminister Namibias und lehnte anschließend seine Degradierung zum Minister für Kommunalregierungen und Wohnungsbau ab. Nur drei Wochen später wurde er sogar aus dem Politbüro der regierenden SWAPO gewählt. Doch Geingob, der sich im Exil jahrzehntelang für die Unabhängigkeit eingesetzt hatte, war nicht lange kaltgestellt. 2004 kehrte er als Hinterbänkler ins Parlament zurück, drei Jahre später übernahm er den Vorsitz der SWAPO-Fraktion. Vor einer Woche bestätigte seine Partei den 71jährigen nun auf ihrem Wahlkongreß als Vizepräsident, was Geingob zum designierten Nachfolger von Staatspräsident Hifikepunye Pohamba nach den Wahlen 2014 macht. Pohamba darf dann nach zwei Amtszeiten nicht erneut kandidieren, stellte in der vergangenen Woche aber mit einem kräftigen Stühlerücken im Kabinett seine Macht noch einmal deutlich unter Beweis. 22 Jahre nach der Unabhängigkeit zeigt sich die seitdem regierende Partei weiterhin extrem stabil, ohne jeden Elan zu radikalen Veränderungen und seit Dienstag auch wieder mit dem Premierminister von 1990 – Hage Geingob.

Die Wahl des Freiheitskampfveteranen ist für die SWAPO von hohem symbolischen Wert. Sie läßt die in den letzten Jahren in Flügelkämpfe verwickelte Partei enger zusammenrücken. Geingob, der zur Volksgruppe der Damara gehört, wird das erste nicht-oshivambosprachige Partei- und Staatsoberhaupt nach der Unabhängigkeit Namibias 1990 sein – ein wichtiges Signal gegen die ethnische Spaltung. Seine Wahl mit absoluter Mehrheit zeigt, daß Geingob auch bei den Ovambo, der größten Bevölkerungsgruppe des Landes, viele Unterstützer hat. Der Mann, der 27 Jahre bei den Vereinten Nationen und als Direktor des Namibia-Instituts der Vereinten Nationen gegen die südafrikanische Okkupation seines Landes kämpfte, gilt als Präsident aller Namibier. Für die breitere ethnische Aufstellung der SWAPO spricht auch die Ernennung des Namibia-Deutschen Calle Schlettwein zu Geingobs Nachfolger als Wirtschaftsminister – er ist der erste Weiße, der nach 1990 ein Ministerium führt.

Politischen Wandel dürften die Wechsel allerdings nicht bedeuten. »Er gehört zum wirtschaftsfreundlichen Flügel der SWAPO, was Umverteilung anbelangt, da wird er nichts in die Wege leiten«, sagt der ehemalige Direktor des gewerkschaftsnahen Bildungs- und Forschungsinstituts LaRRi (Labour Ressource and Research Institute), Herbert Jauch. Geingob, unter dessen Regentschaft im Wirtschaftsressort beispielsweise im Uranbergbau viele Investoren nach Namibia kamen, steht für Stabilität und klare Verhältnisse. Einen linken Flügel gibt es innerhalb der einstigen Befreiungsbewegung ohnehin nicht mehr. Geingob »ist der Kandidat der Wirtschaftsleute und politisch moderat«, sagt Jauch.

Für Namibias Arme sind das nicht unbedingt gute Nachrichten, denn die zu erwartende Stabilität kommt für sie auf einem niedrigen Niveau. Zwar war Geingob einer der ersten führenden Politiker, die ein bedingungsloses Grundeinkommen in dem südwestafrikanischen Land unterstützten, doch Antworten auf die offiziellen Arbeitslosenzahlen von 51,2 Prozent, das schleppende Voranschreiten der Landreform und die weltweit größte Ungleichverteilung von Reichtum hat der liberale Exeiheitskämpfer bisher nicht geliefert. In der Bevölkerung ist der sachliche Staatsmann dennoch beliebt, nicht zuletzt wegen seiner Rolle beim Wandel des Landes. In einem bewegenden und für viele Namibier bis heute unvergeßichen Moment war Geingob 1989 mit dem ersten Flieger voller Exilanten nach Windhuk zurückgekehrt und mit der blau-rot-grünen SWAPO-Fahne über die Landebahn gelaufen. Kurz darauf war er federführend an der Verfassungsfindung beteiligt. Seine Präsidentschaft ist nur noch eine Frage der Zeit, zumal er sich Widersachern außerhalb der SWAPO ohnehin kaum erwehren muß – die Partei regiert Namibia mit stabilen 75 Prozent der Stimmen.

* Aus: junge Welt, Montag, 10. Dezember 2012


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