Der alte Mann und Namibia
Turbulenzen vor dem SWAPO-Parteitag
Von Georg Krase *
In Windhoek beginnt am heutigen Dienstag (27. November) der Parteitag der SWAPO (Südwestafrikanische Volksorganisation). Die ehemalige Befreiungsbewegung beherrscht mit Zweidrittelmehrheit im Parlament das politische Geschehen in Namibia.
Auf ihrem Parteitag werden die 600 Delegierten das Zentralkomitee und das Politbüro, den
Präsidenten und den Generalsekretär der SWAPO und deren Stellvertreter wählen. Es gärt in der
Partei, seit Sam Nujoma (Foto: dpa) vor zwei Jahren als Staatspräsident zurücktrat. Der
»Gründungsvater Namibias« wollte das Ruder nicht aus der Hand geben. Er blieb Präsident der
SWAPO, und es gab sogar Gerüchte, er werde nach einer Auszeit erneut nach dem höchsten
Staatsamt greifen. Das schreckte jüngere Reformkräfte in der SWAPO, aber auch manche
Spitzenfunktionäre. Für sie steht Nujoma für typisch postkoloniale Probleme: autokratischen
Führungsstil, Mangel an innerparteilicher Demokratie, Korruption und Vetternwirtschaft.
Wenige Wochen vor dem Parteitag gründeten SWAPO-Dissidenten um den ehemaligen
Handelminister Jesaya Nyamu die neue Partei »Rally for Democracy and Progress« (RDP). Weitere
Prominente schlossen sich an, unter ihnen Hidipo Hamutenya, der lange Zeit als graue Eminenz der
SWAPO galt. Er hatte hohe Regierungsämter inne und war 2004 von Nujoma entlassen worden, als
er sich um dessen Nachfolge bewarb. Auch Nujomas Versicherung, er werde nicht wieder als
SWAPO-Präsident kandidieren, vermochte die Skepsis der Reformer nicht zu mildern: Sie
befürchteten die Dominanz des »alten Mannes« auch hinter den Kulissen.
Die RDP-Gründung im Zusammenhang mit dem SWAPO-Parteitag und dessen
Personalentscheidungen zielt offenbar auf weitere unzufriedene SWAPO-Funktionäre. Zumal bis zu
den Wahlen 2009 ausreichend Zeit bleibt, um die neue Partei zu profilieren. Hamutenya, inzwischen
RDP-Chef, kritisierte die Regierung wegen ihrer Gesundheits- und Bildungspolitik, Problemen in der
Wasser- und Stromversorgung sowie teurer Luxusbauten. Kritik allein wird jedoch nicht ausreichen.
Die Erwartungen, die durch die RDP-Gründung geweckt wurden, müssen zumindest durch
entsprechende Programme gestützt werden. Schon der Kongress der Demokraten (COD), vor acht
Jahren als Oppositionspartei gegründet, scheiterte daran: Er ist nur noch ein Schatten seiner selbst.
In der SWAPO zieht man bereits alle Register, um sich der Loyalität der Funktionäre zu versichern.
Von Unterschriftslisten mit Treueerklärungen ist die Rede, »unsichere« Parteitagsdelegierte seien
wieder abgewählt worden. Ihre SWAPO-Verbundenheit erklärten die unter Nujomas Einfluss
eingesetzte Gewerkschaftsführung und Strukturen der Jugendliga. Vor allem in den ländlichen
Gebieten Ovambolands im Norden stehen die SWAPO und Nujoma nach wie vor für den
erfolgreichen Befreiungskampf. Das wissen auch viele Anhänger Hamutenyas, die es unter SWAPOFunktionären
gibt. Deren Verhalten wird wohl auch vom Verlauf des Parteitags abhängen.
Kandidat des Politbüros für das Amt des Parteiführers ist Staatspräsident Hifikepunye Pohamba. Um
den Posten des Generalsekretärs bewerben sich sowohl Nujoma-Vertraute als auch Leute, denen
Nähe zu Hamutenya nachgesagt wird. Im Lande interessiert aber auch die künftige Rolle Nujomas.
Der könnte den Streit mit der RDP nutzen, sich erneut als starker Mann zu präsentieren. Am
Sonntag wetterte er schon mal scharf gegen »Feinde des Landes«.
* Aus: Neues Deutschland, 27. November 2007
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