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Ungeklärte Landfrage

Namibia: Präsident lehnt Enteignung von Grundstücksbesitzern ab. Kaum Unterstützung für schwarze Farmer. Wirksame Reformen weiter nicht in Sicht

Von Christian Selz, Kapstadt *

Tausende unserer Leute schreien weiterhin nach Land«, befand Namibias Präsident Hifikepunye Pohamba am vergangenen Mittwoch in seiner Rede zur Lage der Nation vor dem Parlament in der Hauptstadt Windhuk. Eine baldige Antwort sei nötig, damit die »Probleme im Zusammenhang mit Landreform und Verteilung nicht immerwährend werden«. Doch genau das sind sie längst. Die Landfrage ist auch 23 Jahre nach der Unabhängigkeit Namibias eines der drängendsten Probleme in dem südwestafrikanischen Land. Es fehlt an Unterstützungsmaßnahmen für schwarze Farmer, die Umverteilung selbst verläuft im Schneckentempo, der Druck aus der Bevölkerung wächst. Doch Pohamba schließt radikalere Maßnahmen weiterhin aus. Landenteignungen werde es mit ihm nicht geben, denn das wäre »gegen das Gesetz«.

Er habe seine Lektion während seiner Amtszeit als Minister für Land, Umsiedlung und Rehabilitierung gelernt, als die Regierung vor Gericht gegen einen Farmbesitzer verloren habe, erklärte Pohamba in der Fragestunde nach seiner Rede. Er warnte vor einer Landrevolution und machte gleichzeitig klar, daß er sich als Präsident an die Verfassung halten müsse. Sein hilfloses Konzept: »Ich fordere daher erneut diejenigen auf, die überschüssiges Land besitzen, einen Teil für die Verteilung zugunsten landloser Bürger an die Regierung zu verkaufen.«

Als Namibia 1990 die Unabhängigkeit von Südafrika errang, erbte es die Landverteilung des Apartheidsystems, das seine Wurzeln wiederum in dem Bodenerwerb und gewaltsamen Enteignungen durch kaiserlich-deutsche Siedler im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert hatte. 52 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche waren in den Händen von rund 3500 weißen Farmern, während auf den restlichen 48 Prozent kommunalen Farmlandes 70 Prozent der Gesamtbevölkerung von knapp zwei Millionen Einwohnern siedelte.

Was Pohamba nun einfordert, ist die Umverteilung nach dem Prinzip »williger Käufer – williger Verkäufer«, das Namibia seit der Unabhängigkeit verfolgt. Ganze zwölf Prozent des kommerziellen Farmlands hat die Regierung damit bis 2007 neu vergeben – durchschnittlich weniger als ein Prozent oder 50 Farmen pro Jahr. Etwas konkreter wurde Namibias Präsident bei der bisher fast vollständig vernachlässigten Unterstützung schwarzer Neu-Farmer. Die Regierung habe Mittel zur Verfügung gestellt, um alternde Wasserleitungen zu reparieren und neu angesiedelte Farmer auszubilden, »damit sie produktiver werden«. Zahlen und Größenordnungen suchen die Betroffenen in seiner Rede allerdings genauso vergeblich wie neue Konzepte.

Während die Urbanisierung auch in Namibia stetig zunimmt und immer mehr Menschen aus der verarmten Landbevölkerung in Windhuks Mega-Township Katutura ziehen, liefert Pohamba Beruhigungspillen, aber keine Medikamente. Der Druck der mittellosen Massen, das merkt auch seine seit der Unabhängigkeit regierende ehemalige Befreiungsbewegung SWAPO, wächst. Für den Fall, daß er sich nicht mehr eindämmen läßt, braucht die Regierung einen Sündenbock. Dafür sind die weißen Farmer ideal. An tatsächlicher Veränderung, das hat Pohamba noch einmal klargestellt, ist der inzwischen nahezu vollständig auf neoliberale Marktwerte umgeschwenkten SWAPO dagegen nicht gelegen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 9. April 2013


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