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Warnung vor "kolonialer Arroganz"

Namibia: Deutliche Worte gegen Handelsabkommen mit der EU

Von Rolf-Henning Hintze, Windhoek *

Namibia befürchtet schwere Nachteile für seine Wirtschaft, falls das von der EU forcierte »Wirtschaftspartnerschaftsabkommen« (Economic Partnership Agreement/EPA) in Kraft treten würde. »Wir können kein Abkommen unterzeichnen, das den Forderungen der anderen Seite nachgibt«, erklärte Handelsminister Hage Geingob am Donnerstag in einer Rede vor dem namibischen Parlament.

Am Freitag (21. Mai) würdigten die namibischen Zeitungen ausführlich Geingobs exponierte Position zu dem Vertrag, mit dem der Freihandel zwischen der EU und Namibia eingeführt werden soll und zitierten insbesondere die an Brüssel gerichtete Warnung des Ministers vor »kolonialer Arroganz«. Geingob hatte die EU aufgefordert, zu respektieren, daß Namibia souverän sei und als gleichwertiger Partner behandelt werden wolle. Würde sein Land den vorliegenden Entwurf für ein Interimsabkommen (IEPA) unterzeichnen, bedeutete das, daß Namibia auf die Möglichkeit verzichtete, Steuern auf die Exporte von Rohstoffen zu erheben. Damit würde sein Land eine wichtige neue Einkommensquelle nicht nutzen können.

»Wir würden außerdem unsere gegenwärtigen Schutzmechanismen für die in der Entwicklung befindliche Industrie aufzugeben haben zugunsten eines weit schwächeren Systems, das die EU verlangt«, erklärte der Minister. Das richte sich direkt gegen Namibias Industrialisierungsanstrengungen. So würde die Verwirklichung der EU-Forderung, zukünftig auf quantitative Begrenzungen von Importen und Exporten zu verzichten, einige Industrien, die jetzt von Schutzmaßnahmen profitierten, gänzlich dem Wettbewerb aussetzen. Das wäre womöglich das Ende der einheimischen Milch- und Pastaindustrie, befürchtete der Minister.

Geingob äußerte zudem die Befürchtung, daß alle namibischen Investitionen zur Stärkung der landwirtschaftlichen Entwicklung vergeblich gewesen sein könnten. »Wir würden die ländliche Wirtschaft und die Lebendingungen Tausender Kleinbauern ernstlich gefährden.«

Sehr besorgt zeigte sich der Handelsminister auch darüber, daß ihm keiner der europäischen Minister bislang habe sagen können, ob das Interimsabkommen ein oder zwei Jahre oder eventuell viel länger gültig sein solle. Solange das nicht geklärt sei, könne an eine Unterzeichnung nicht gedacht werden. »Kein Abkommen ist besser als ein schlechtes«, erklärte Geingob.

Bereits im Dezember 2007 hatten Namibia und die EU-Kommission das Interim-Handelsabkommen paraphiert. Es wurde trotz starken Drucks der EU jedoch bis heute nicht von Namibia unterzeichnet und ist deshalb bislang nicht in Kraft.

* Aus: junge Welt, 22. Mai 2010


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