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Namibia - Deutschland. Eine geteilte Geschichte

Sehenswert: Ausstellung im Deutschen Historischen Museum - nur noch bis zum 24. April

Nur noch bis zum 24. April ist eine beachtenswerte Ausstellung in Berlin zu sehen, in der ein Teil der grausamen Kolonialgeschichte Deutschlands in Afrika aufgearbeitet ist. Im Folgenden informieren wir über die Ausstellung, die aus Anlass des 100. Jahrestages des Beginns des Kolonialkriegs und des Herero-Aufstands in Namibia gezeigt wird. Bestandteil der Information ist auch ein Interview mit dem namibischen Botschafter in Deutschland, Hanno Rumpf. Hanno Rumpf ist selbst ein Nachkomme deutscher Einwanderer, die nach dem ersten Weltkrieg ins damalige Südwest-Afrika kamen.

Ausstellungsort: Deutsches Historisches Museum
Ausstellungshalle von I. M. Pei
Hinter dem Gießhaus 3, 10117 Berlin-Mitte


Öffnungszeiten: Täglich 10 bis 18 Uhr
Eintritt 2 €

Offizieller Text zur Ausstellung:

Im Januar 2004 jährte sich zum hundertsten Mal der Ausbruch des deutschen Kolonialkrieges in Namibia. Er dauerte von 1904-1908 und ging als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts in die Geschichte ein. Für Namibia, das damalige Deutsch-Südwestafrika, gilt dieser Krieg als einer der ersten Widerstandskriege der afrikanischen Bevölkerung gegen Fremdherrschaft und Kolonisierung.

In der deutschen Öffentlichkeit wurden die deutsche Kolonialherrschaft und mit ihr der Krieg von 1904 bisher nur selten als Teil von deutscher, aber auch afrikanischer Geschichte thematisiert. Dennoch stellt die koloniale Herrschaft des Deutschen Reiches in Namibia auch die Grundlage für die deutsch-namibischen Beziehungen von heute dar. Aus diesem Anlass beschäftigt sich die Ausstellung „Namibia - Deutschland: Eine geteilte Geschichte“ aus verschiedenen Blickwinkeln mit den Beziehungen beider Länder in Vergangenheit und Gegenwart.

Die Ausstellung ist ein interdisziplinäres Gemeinschaftsprojekt des Rautenstrauch-Joest-Museums und des Sonderforschungsbereiches 389 der Universität Köln "ACACIA / Kultur- und Landschaftswandel im ariden Afrika". Von Beginn an waren namibische Institutionen und Einzelpersonen beteiligt, vor allem diejenigen, die sich für den Versöhnungsprozess engagiert haben und am Aufbau der Zivilgesellschaft aktiv mitarbeiten.

Clara Himmelheber, Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde Köln
Larissa Förster, Acacia-Sonderforschungsbereich, Universität Köln

Der Ausstellungsweg

Die Ausstellung beginnt mit einem historischen Teil, der sich mit den namibisch-deutschen Beziehungen im 19. Jahrhundert und dem Kolonialkrieg 1904-1908 befasst:

,Mission und koloniale Begegnung‘ stellt die Kolonisierung im 19. Jahrhundert dar. Die wachsenden Spannungen zwischen den in der Kolonie lebenden deutschen Händlern, Missionaren, Siedlern und Kolonialisten und der afrikanischen Bevölkerung gegen Ende des 19. Jahrhunderts führten schließlich 1904 zu dem verheerenden Krieg.

,Widerstand, Krieg, Völkermord‘ zeigt die Grausamkeiten des Krieges, in dem ein Großteil der Herero und Nama ermordet wurden. Die Überlebenden wurden von den Kolonialherren enteignet, weitgehend entrechtet und fortan einem rigiden Kontrollsystem unterworfen.

Die folgenden sechs Inszenierungen zeigen einen Querschnitt namibisch-deutscher Beziehungen in den letzten 100 Jahren mit einem Schwerpunkt auf der gegenwärtigen Situation des nun seit fast 15 Jahren unabhängigen afrikanischen Staates:

,Windhoek: Leben in der Stadt‘ veranschaulicht kulturelle Verflechtungen schwarzer und weißer Lebensart in den Mittelschichtshaushalten des heutigen Namibia.

Der Bereich ,Lebenswelten auf dem Land‘ beschäftigt sich mit den immer noch stark getrennten Lebensbereichen von weißen kommerziellen und schwarzen kommunalen Farmhaushalten. Er gibt einen Ausblick auf die angestrebte Landreform.

Die biographischen Verflechtungen zwischen schwarzen und weißen Namibiern zeigen sich in den eindrucksvollen Lebensgeschichten von Menschen, die als Kinder schwarzer Mütter und weißer Väter aufgewachsen sind. In ,Deutsche Väter: deutsch-afrikanische Familien‘ geben fünf Biographien exemplarisch Auskunft über dieses gemeinsame Erbe.

In ,Geteilte Erinnerungen‘ veranschaulichen Gedenkfeiern, wie verschiedene namibische Bevölkerungsgruppen die Kriegserlebnisse bis heute verarbeiten und erinnern.

In ,Namibia – Deutschland: eine gemeinsame Zukunft‘ verleihen am Ende der Ausstellung zahlreiche Stimmen dem Wunsch nach einer gemeinsamen Zukunft im heutigen unabhängigen Namibia Ausdruck.

Interview mit dem namibischen Botschafter, S. E. Hanno Rumpf

Hanno Rumpf ist seit März 2003 Botschafter der Republik Namibia in Deutschland. Der Nachkomme deutscher Einwanderer, die nach dem ersten Weltkrieg ins damalige Südwest-Afrika kamen, engagierte sich bereits als Student für die "South West Africa People's Organisation" (SWAPO). Nach der Unabhängigkeit Namibias war er in verschiedenen Funktionen in der namibischen Regierung tätig.

Deutsches Historisches Museum (DHM): Sie sind in eine weiße Apartheidgesellschaft hineingeboren und darin aufgewachsen. Wie kommt man mit so einem Hintergrund in Kontakt mit der SWAPO?

Hanno Rumpf: Oje, das ist eine lange Geschichte, aber ich werde sie etwas gekürzt darstellen. Mein politisches Engagement hat sich während meiner Studentenzeit entwickelt. Ich war in der progressiven Studentenbewegung aktiv, in Namibia wie auch in Südafrika. Ich war dann auch für kurze Zeit der Generalsekretär der namibischen Studentenbewegung, bevor ich ins Exil gehen musste. Damals gab es die Wehrpflicht in der südafrikanischen Armee. Da gab es im Grunde genommen nur zwei Optionen für mich: Entweder den Wehrdienst in der südafrikanischen Armee zu leisten. Oder den Wehrdienst zu verweigern, was wiederum eine siebenjährige Gefängnisstrafe in einem Militärgefängnis bedeutet hätte. Da sagte die SWAPO, dass ich sicherlich mehr bewegen könnte, wenn ich das Land verlassen würde. Und das habe ich auch getan.

DHM: Sie gingen dann nach Deutschland?

Hanno Rumpf: Richtig. Ich habe in Deutschland gelebt, habe als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bremen gearbeitet, und wurde dann Pressesprecher der SWAPO für Deutschland und Österreich.

DHM: Die Ausstellung „Namibia-Deutschland, eine geteilte Geschichte“, wurde im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum konzipiert und gezeigt. Und Sie haben sie dort ja schon gesehen. Wie finden Sie die Ausstellung?

Hanno Rumpf: Ich finde, dass die Ausstellung recht interessant gemacht worden ist, insofern als sie eine Zeitlinie darstellt, die an bestimmten Themen festgemacht eine schnelle Route durch die namibische Geschichte darstellt. Wir haben mit dem Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln eng zusammengearbeitet, was die gesamte Konzeption der Ausstellung betrifft und ich glaube, dass es den Kölnern sehr gut gelungen war, dieses umzusetzen.

Allerdings scheint es anlässlich des Jahrestages 2004 in Deutschland eine extrem starke Fokussierung eben auf die Ereignisse des Jahres 1904 zu geben. Aus deutscher Perspektive vielleicht verständlich. Bei einer derartigen Einengung auf die Ereignisse des Jahres 1904 besteht aber meiner Meinung nach die Gefahr, dass der Widerstand, den es außerhalb des sogenannten Deutsch-Herero-Krieges gegeben hat, ausgeblendet wird. Dieser frühe antikoloniale Widerstand gegen das Deutsche Reich hat eben nicht nur über die Herero stattgefunden, sondern hat natürlich, vielleicht in ungleich größerem Umfang sogar, über den Kampf der Nama stattgefunden. Was war denn der Grund, warum sich die Herero und Nama den Deutschen widersetzten? Die Position der Herero und Nama resultierte aus ihrem Wunsch, ihre de facto bestehende Unabhängigkeit zu behalten. Außerdem widersetzten sie sich der stattfindenden Enteignung ihres Bodens. Und diese Gründe sind auch später noch relevant geblieben. Darum hat es auch in den darauf folgenden Jahren einen Widerstand gegen koloniale Unterdrückung gegeben.

DHM: Wir schätzen Sie die Bitte um Vergebung im Sinne des „Vater Unser“ ein, um die Bundesentwicklungsministerin Wieczorek-Zeul gebeten hat?

Hanno Rumpf: Ich glaube, dass die Entschuldigung, die Bitte um Vergebung, eine sehr wichtige Entwicklung ist. Geschichte kann man nicht ungeschehen machen. Aber es war das erste Mal, dass eine deutsche Regierung um Vergebung gebeten hat für das, was damals geschehen ist. Das war für die Namibier selber, für hererosprachige Namibier aber auch für andere Namibier, ein sehr wichtiger Schritt. Vergessen kann man nicht, vergeben kann man. Aber man kann sicherlich nur dann vergeben, wenn derjenige, der historisch gesehen ein Unrecht begangen hat, sich dieser Tatsache bewusst ist, und ehrlich um Vergebung bittet.

DHM: Wie stellen Sie sich die namibisch-deutsche Zukunft vor?

Hanno Rumpf: Nun, wir haben eine gemeinsame Geschichte. Diese Geschichte wird immer ein stark verbindender Faktor in unseren Beziehungen sein. Wir leben aber in der Gegenwart und arbeiten an den dynamischen, wachsenden Beziehungen zwischen unseren Ländern. Es gibt eine große Anzahl von Anbindungspunkten, abgesehen von der Geschichte, zwischen beiden Ländern. Insofern bin ich davon überzeugt, dass in Zukunft ein gutes, kooperatives Verhältnis gegeben sein wird, das sich sicherlich nicht nur über entwicklungspolitische Maßnahmen erstellt, sondern hoffentlich zunehmend über andere, vielleicht längerfristig gesehen viel wichtigere Aspekte, z. B. kulturelle oder wirtschaftlich Aspekte. Wir werden immer eine sehr enge Beziehung zu Deutschland haben. Aber nicht nur zur Bundesrepublik als Staat, sondern sicherlich vor allem eben auch zu den Menschen, die hier und in unserem Lande leben.

Link zur Namibischen Botschaft

Quelle: www.dhm.de/ausstellungen/namibia"



Die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (An der Urania 4-10, Ecke Kurfuerstenstraße, 10787 Berlin, Öffnungszeiten: Montag,Dienstag, Mittwoch: 12-16 Uhr, Donnerstag: 12-18 Uhr, Freitag: 10-18 Uhr) bietet ihren Besuchern für jeweils 2 bzw. 4 Euro Begleitmaterial zur Ausstellung sowie das von Jürgen Zimmerer und Joachim Zeller herausgegebene Buch "Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine Folgen" über den ersten deutschen Genozid, Konzentrationslager, Rassismus, Kolonialismus und jahrzehntelange Verdrängung danach.




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