Die Ziele der Vereinigten Staaten im Nahen Osten
Rede von Außenminister Colin L. Powell vor dem American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) in Washington
Am 30. März 2003 hielt US-Außenminister Colin Powell vor dem American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) in Washington eine programmatische Rede über die Zukunft des Nahen Ostens. Wir dokumentieren die Rede in einer vom Amerika Dienst veröffentlichten gekürzten deutschen Fassung.
Bei unserer Zusammenkunft heute Abend können wir nicht umhin, an die
tapferen jungen Männer und Frauen aus den Vereinigten Staaten,
Großbritannien, Australien und den Ländern anderer Koalitionspartner zu
denken, die ihr Leben riskieren, um den Irak von der Tyrannei Saddam
Husseins zu befreien. Sie dienen ihrem Land und der Menschheit, um den Nahen
Osten und die Welt von der Bedrohung durch Saddam Husseins
Massenvernichtungswaffen zu befreien.
Krieg und Gewalt waren nicht unsere erste Wahl. Wir haben alle
diplomatischen Mittel ausgeschöpft. Wir haben hart gearbeitet, um
UN-Sicherheitsratsresolution 1441 zu verabschieden, die Saddam Hussein eine
letzte Chance zur friedlichen Abrüstung einräumte. Mit dieser Resolution und
mit ihrer einstimmigen Verabschiedung wurde aber auch deutlich, dass diesmal
ernsthafte Konsequenzen folgen würden, sollte er diese Chance nicht
ergreifen und seinen Verpflichtungen nicht nachkommen. Und das geschieht
jetzt.
Es besteht kein Zweifel über das Ergebnis. Wir werden Saddam Hussein und
sein Regime entmachten. Wir werden den Irak befreien. Wir werden die
Bedrohung beseitigen, die von Saddam Husseins schrecklichen Waffen für
Israel und den Nahen Osten ausgeht, und wir werden diese Waffen nicht in die
Hände von Terroristen gelangen lassen, die die ganze zivilisierte Welt
bedrohen würden.
Damit keine Zweifel aufkommen: Wir verfolgen Al Qaida und ihre Komplizen in
Afghanistan, im Irak und wo immer sie ihre Mordpläne schmieden. In der
ganzen Welt arbeiten wir mit Koalitionsmitgliedern zusammen, um Terroristen
aufzuspüren, ihre Netzwerke zu zerschlagen und ihre Geldquellen ausfindig zu
machen. Jeden Tag wird ein weiterer Terrorist festgenommen und vor Gericht
gestellt. Wir werden nicht nachlassen, Atem holen oder ausruhen, bis die
Terroristen besiegt sind. Wir werden nie vergessen, was uns am 11. September
2001 angetan wurde, und wir werden alles Erforderliche tun, um die
Verantwortlichen zu besiegen.
Es ist Teil unserer Gesamtstrategie, zur Bekämpfung des Terrorismus und im
Umgang mit Staaten, die kein akzeptables Verhalten an den Tag legen,
verantwortlicheres Verhalten einzufordern, insbesondere von den Staaten in
der Region. Für die gesamte internationale Gemeinschaft ist es jetzt an der
Zeit, dafür einzutreten und darauf zu bestehen, dass der Iran seine
Unterstützung für Terroristen einstellt, darunter auch gewalttätige, gegen
Israel und den Nahost-Friedensprozess gerichtete Gruppierungen. Teheran muss
aufhören, den Besitz von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägersysteme
anzustreben. Außerdem werden wir die Anstrengungen des iranischen Volkes
unterstützen, seine Lebensbedingungen zu verbessern und in Frieden und
Sicherheit mit seinen Nachbarn zu leben.
Syrien steht jetzt ebenfalls vor einer kritischen Entscheidung. Syrien kann
die direkte Unterstützung von Terrorgruppen und des sterbenden Regimes
Saddam Husseins fortsetzen oder einen anderen, hoffnungsträchtigeren Weg
einschlagen. Wie auch immer - Syrien trägt die Verantwortung für seine
Entscheidungen und die Konsequenzen.
Die Ausbreitung demokratischer und wirtschaftlicher Freiheit, verbunden mit
den atemberaubenden Vorzügen der Technologie, eröffnet nie da gewesene
Chancen für Millionen Menschen, die Armut abzuschütteln - ein Dach über den
Kopf zu bekommen, gutes Essen auf dem Tisch zu haben und den Durst mit
sauberem Wasser zu stillen.
Vor genau einem Jahr sah Präsident Bush die Notwendigkeit, eine kühne neue
Initiative ins Leben zu rufen und diese Möglichkeiten zu nutzen, um in den
Herzen der Menschen Hoffnung anzufachen. Er nannte sie das Millennium
Challenge Account - das Aufregendste, das wir seit vielen Jahren in der
Auslandshilfe auf den Weg gebracht haben. Damit werden umfangreiche
amerikanische Finanzmittel an solche Länder gehen, die sich reell der
Demokratie verpflichtet haben, gerecht regieren, in ihr Volk investieren,
wirtschaftliche Freiheit fördern und unsere Entwicklungshilfe dafür
einsetzen, Wirtschaftswachstum anzukurbeln und nicht mehr
Entwicklungshilfegelder einzufordern, sondern notwendige Investitionen zu
fördern, damit diese Länder auf ihrem Weg zum Wohlstand vorankommen.
Unsere Welt ist eine Mischung aus Herausforderungen und Chancen, alten und
neuen. Aber keine Herausforderung, keine Chance ist wichtiger und dringender
als das Streben nach der Beendigung des Konflikts zwischen Israel und den
Palästinensern.
Im vergangenen Jahr hat Präsident Bush eine kühne Vision für den Frieden
dargelegt, die auf zwei Seite an Seite im Frieden miteinander lebenden
Staaten beruht - einem sicheren, jüdischen, demokratischen Staat Israel und
einem lebensfähigen, friedlichen, demokratischen, unabhängigen Staat
Palästina.
Wir sind nicht naiv. Wir wissen, dass es schwierig sein wird, diese Vision
zu erfüllen, insbesondere nach der schrecklichen Gewalt und dem Leiden in
den letzten Jahren. Der Frieden fordert von Israel, den Palästinensern und
Israels Nachbarländern in der Region Mut und schwierige Entscheidungen.
Eine Tatsache ist unmissverständlich. Die Vision des Präsidenten fordert
eine Ende des Einsatzes von Gewalt und Terror als politisches Mittel. Daran
führt kein Weg vorbei. Der Terror muss ein Ende haben.
Die Vision des Präsidenten legt den Palästinensern klare Verpflichtungen
auf. Der Palästinenserstaat muss auf veränderte politische
Führungsstrukturen und Institutionen gründen, die dem Terror ein Ende
setzen. Die palästinensische Regierung muss transparent und dem Volk
gegenüber rechenschaftspflichtig sein. Vor allem muss ein palästinensische
Staat ein wirklicher Partner für den Frieden mit Israel sein.
Israel hat ebenso eindeutige Verpflichtungen. Es muss Schritte unternehmen,
um das Leiden der Palästinenser zu mildern und die täglichen Demütigungen
eines Lebens im Besatzungszustand zu verringern. Israel muss auch dazu
beitragen, in den Herzen der Palästinenser wirtschaftliche Hoffnung zu säen,
indem sie ihnen helfen, die zerrüttete Wirtschaft im Westjordanland und im
Gazastreifen wiederzubeleben. Siedlungsaktivitäten stehen der Vision
Präsident Bushs von zwei Staaten schlicht entgegen. Wie der Präsident gesagt
hat, "während Fortschritte zum Frieden erzielt werden, müssen die
Siedlungsaktivitäten in den besetzten Gebieten eingestellt werden".
Heute haben wir einen hoffnungsvollen Zeitpunkt erreicht, an dem Fortschritt
wieder möglich erscheint. In Israel haben Wahlen stattgefunden, und es wurde
eine neue Regierung gebildet. Der Palästinensische Legislativrat hat das Amt
des Ministerpräsidenten für die palästinensische Autonomiebehörde
eingerichtet. Das geschriebene und verabschiedete Gesetz verleiht dem
Ministerpräsidenten reale Macht und Autorität und macht ihn gegenüber der
ihn wählenden Legislative direkt verantwortlich.
Dieser Schritt wurde unter den Palästinensern heftig diskutiert, aber
schlussendlich hat der Palästinensische Legislativrat eindeutig auf den Ruf
nach Freiheit des palästinensischen Volkes selbst reagiert. Wir werden genau
beobachten, wie der neue palästinensische Ministerpräsident seine Autorität
wahrnimmt, die so wichtig für die Hoffnung der Palästinenser auf eine
bessere Zukunft ist.
Sobald der neue palästinensische Ministerpräsident im Amt bestätigt ist,
werden wir beiden Seiten einen von uns entwickelten Plan unterbreiten, um
den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen.
Die Vision des Präsidenten vom 24. Juni stellt den Anfang eines Prozesses
dar, der stetig und entschlossen zum Frieden führen muss. Der von uns in
enger Abstimmung mit beiden Seiten, unseren Freunden in der Region und
unseren Partnern im Quartett - Russland, die EU, die Vereinten Nationen -
entwickelte Plan beschreibt diesen Weg und die gegenseitigen
Verpflichtungen, die beide Seiten erfüllen müssen, wenn wir unser
gemeinsames Ziel erreichen wollen.
Dieser Plan ist kein Edikt, er ist kein Vertrag. Es handelt sich um eine
Auflistung der breitgefächerten Maßnahmen, die Israel und die Palästinenser
unserer Ansicht nach ergreifen müssen, um Präsident Bushs Vision der
Hoffnung und den Traum, den wir alle vom Frieden haben, Wirklichkeit werden
zu lassen.
Israel und die Palästinenser müssen den Weg des Friedens gemeinsam gehen,
wenn sie am gewünschten Ziel ankommen möchten. Der Plan bietet einen Weg für
beide Seiten, um das direkte Miteinander wiederzubeleben, das ihre
gemeinsame Reise erfordert.
Während wir Fortschritte erzielen, dürfen wir nicht aus den Augen verlieren,
warum wir dies tun. Wir arbeiten so hart für den Frieden, weil der
israelisch-palästinensische Konflikt so viele Menschen - Juden, Muslime und
Christen - das Leben gekostet und weitaus mehr zugrunde gerichtet hat. Wir
müssen einen Weg finden, der gewährleistet, dass israelische Kinder und
palästinensische Kinder in Frieden und Würde aufwachsen können und in
gegenseitigem Respekt füreinander leben. Wir müssen uns selbst wieder
verpflichten, den Männern, Frauen, Kindern und den kommenden Generationen
eine bessere Zukunft zu ermöglichen.
Vielen herzlichen Dank.
Originaltext: Powell Says U.S. Will Liberate Iraq, Give Hope to Iraqis (siehe http://usinfo.state.gov)
Quelle: Amerika Dienst
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