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Über dieses Wasser musst du gehen

Politik der Vorbedingungen: Ein sicherer Weg, um im Nahen und Mittleren Osten zu scheitern

Von Norman Paech *

Unter den Maximen der heutigen Außenpolitik hält die Glaubwürdigkeit einen hohen Rang, ohne aber große Chancen zu haben, in der täglichen Praxis entsprechend berücksichtigt zu werden. Viel eher vertraut man auf die "Überzeugungskraft" von Drohkulissen und Sanktionen. Dem Gegner wird die Berechtigung seiner Einwände abgesprochen und die Korrektur der eigenen Position durch das Diktat der Macht ersetzt. Natürlich sieht das der diktierende Staat anders, da er fortwährend seine Gesprächs-, ja Kompromissbereitschaft betont. Davor hat er nur eine kleine Schwelle - Vorbedingung genannt - gesetzt, um einen möglichen Misserfolg seiner Politik dem Gegner anlasten zu können, falls der nicht gewillt ist, über diese Schwelle zu gehen. Derzeit erleben wir dafür zwei markante Beispiele: Palästina und Iran.

Die Vorbedingungen, die man den Palästinensern diktiert, lauten: Anerkennung des Existenzrechtes Israels, Einhaltung aller bisher geschlossenen Verträge, Verzicht auf Terror.

Nun ist bisher kein geschlossener Vertrag bekannt, an den sich die palästinensische Regierung nicht halten will. Die israelische hingegen weigert sich, den Palästinensern wie vereinbart die ihnen zustehenden Steuern und Zollgebühren zu überlassen. Überdies haben palästinensische Verwaltungen, schon unter Arafat, zwar wiederholt Anlauf genommen, den Terror zu unterbinden, waren aber oft machtlos, da die gezielten Tötungen der israelischen Armee, der Siedlungs- wie auch der Mauerbau von den Palästinensern mehrheitlich als Strategie des permanenten Terrors empfunden wird und Gegenreaktionen provoziert.

Wie wirkt unter diesen Umständen eine Vorbedingung wie die Anerkennung des Existenzrechtes Israels? Für uns Europäer ist das angesichts der Geschichte eine Selbstverständlichkeit, aber für die Palästinenser, denen ein eigener Staat bis heute vorenthalten wird? Ohnehin gehört eine solche Forderung nicht zum Kanon zwischenstaatlicher Verpflichtungen. Allenfalls ist die Existenz eines Staates Gegenstand einer völkerrechtlichen Anerkennung und wird mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen besiegelt. Diese Anerkennung ist jedoch durch die PLO bereits erfolgt und bezieht sich auf ein Israel in den Grenzen von 1967 (vor dem Sechs-Tage Krieg). Grenzen, die Israel selbst nie als endgültig anerkannt hat, wie ein Blick auf seine offiziellen Landkarten zeigt. Die Palästinenser fragen logischerweise: Wie können wir das Recht eines Staates anerkennen, der seine eigenen Grenzen nicht akzeptiert und dessen Ansprüche auf unser Territorium täglich durch ungebremsten Landraub unterstrichen werden? Wer dieses Argument nicht akzeptiert, sollte den Palästinensern zumindest zugestehen, über das existenzielle Problem künftiger Grenzen auf einer Friedenskonferenz zu verhandeln - frei von allen Sanktionen.

Die Bedingungen, die Iran erfüllen soll, sind gänzlich anderer Art, da die Islamische Republik ein souveräner Staat ist und nur das beansprucht, was ihm völkerrechtlich verbürgt ist: Urananreicherung zu zivilen Zwecken. Die trotzdem verhängten Sanktionen der westlichen Atommächte reflektieren das Misstrauen gegenüber den Nuklearambitionen einer Regierung, die zwar nicht den kulturellen und demokratischen Standards des Westens entsprechen mag - der bisher jedoch kein substanzieller Verstoß gegen den Nichtweiterverbreitungsvertrag (NPT) nachzuweisen ist. Warum weigert man sich dann, die Vorschläge überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, wie sie der iranische Diplomat Ali Laridschani auf der Münchner Sicherheitskonferenz vorgetragen hat? Die gesamte Nukleartätigkeit seines Landes sollte in ein internationales Konsortium eingegliedert werden, während man sich gleichzeitig um eine von Massenvernichtungswaffen freie Zone im Nahen und Mittleren Osten bemühe. Die US-Administration blieb ungerührt - sie verlegte weiter schweres Kriegsgerät an die iranische Grenze.

"Demütigenden Neokolonialismus" nennt der Schwede Hans Blix eine solche Politik, die in der Tradition der Kanonenbootpolitik des 20. Jahrhunderts steht und auf nichts anderes hinausläuft, als eine ganze Region einer zweiten Kolonialisierung zu unterwerfen.

* Aus: Freitag 11, 16. März 2007


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