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"Den Mauerbau unverzüglich stoppen!"

Dokumentation einer internationalen Petition zur Einstellung des Baus der Trennungsmauer zwischen Israel und Palästinensergebieten

Im Folgenden dokumentieren wir im Wortlaut einen internationalen Appell von bekannten Wissenschaftlern u.a. aus Frankreich, Großbritannien, Italien, Israel, USA und Deutschland. Unser Dank geht an Matthias Jochheim (IPPNW) für den Hinweis auf dieses Dokument. Aus dem Englischen übersetzt von Jens-Peter Steffen.


Den Mauerbau unverzüglich stoppen!

Die israelische Regierung errichtet gegenwärtig eine Trennungsmauer, euphemistisch "Sicherheitszaun" genannt, die angeblich "terroristische Angriffe" abwehren soll (aber ganz sicher keine Raketen und Hubschrauber davon abhält ihre menschlichen Ziele zu treffen) für geschätzte Kosten von zwei Milliarden Dollar in der Mitte der besetzten Gebiete der West Bank. Es gibt zudem Pläne sie entlang des Jordan zu errichten. Auf jeden Fall führt dies bereits zu einer Situation unermesslich tragischer Konsequenzen. Aber bislang bleiben die Reaktionen und Einwände von internationalen Organisationen, Regierungen, der öffentlichen Meinung in und außerhalb Israels (mit der bemerkenswerten Ausnahme solch mutiger Gruppen wie Gush Shalom, B'Tselem, Ta'yush) eigentümlich verhalten, so als ob der Bau ein fait accompli sei, als ob der Protest auf das Ende der Arbeit warten müsste oder als ob taktische Vorsichtsmaßnahmen während einer Periode erneuter "Friedensgespräche" unter der Federführung der Vereinigten Staaten und anderer Weltmächte eingehalten werden müssten.

Durch die direkte oder indirekte Vertreibung der Bevölkerung und/oder das Vorenthalten ihrer Existenzmittel (Bäume zu entwurzeln, Zugang zu Wasser und anbaufähigem Land zu verweigern) und die Möglichkeit zum Lernen und Arbeiten durch unerträgliche Einschränkungen der Beweglichkeit, greift die Mauer die Fähigkeit der palästinensischen Bevölkerung zum Fortbestehen an, vergleichbar mit den Massenvertreibungen von 1948 und der Besetzung von 1967. Geschätzte 90.000 bis 210.000 Palästinenser werden von ihren Heimstätten vertrieben. Und für alle anderen ist beabsichtigt, ihr Leben schlichtweg so unmöglich zu machen, dass vielen keine andere Wahl bleibt, als entweder ihre Dörfer oder ihr Land zu verlassen. Die Mauer sanktioniert und macht die jüdischen Siedlungen (nach internationalem Recht sind sie alle illegal) und die stufenweise Inbesitznahme Ost Jerusalems unumkehrbar, was beides die Zukunft, die immer einen "lebensfähigen palästinensischen Staat" versprach, in ein reines Flickwerk aus Bantustans und Flüchtlingslagern verändert, und verallgemeinert und verschlimmert damit das bereits im Gaza realisierte Modell. Sie sperrt die Palästinenser (oder besser gesagt den Teil der palästinensischen Menschen, die bislang erfolgreich auf ihrem eigenen Boden verblieben und widerstanden) in einem eingeschränkten Teil der West Bank ein, innerhalb einer mörderischen Dreifachlinie aus Beton, Stacheldraht und elektronischen Befestigungen, deren Vorläufer in der modernen Geschichte unbestritten zur totalitären Tradition gehören. Sie verwandelt die israelische "Verteidigungsarmee" und die israelischen Bürger selbst in ein Volk von Gefängniswärtern. Kurz, dies ist eine neue Naqba (Katastrophe), die für die Zukunft nur Hungersnöte, Verschleppungen, Terror, Krieg und Ablehnung von Übergangsarrangements, die durch lokale und internationale Abkommen erreicht werden, erwarten lässt.

Werden wir diesen Vorgang beobachten, ohne Protest zu erheben, nur um nach dem Ereignis zu entdecken, dass wir uns der "Nichteinmischung" in ein vor unseren Augen begangenes Verbrechen gegen die Menschheit schuldig gemacht haben? Die Unterzeichner weigern sich, die Mauer als unabwendbar zu akzeptieren und prangern die Feigheit jener an, die ihre Stimme nicht gegen diese Ungerechtigkeit erheben. Die Unterzeichner starten einen dringlichen Appell an demokratische Kräfte und Regierungen, an die Vereinten Nationen und humanitären Organisationen, an die jüdischen Gemeinden der Welt, die die Erinnerung an ihr eigenes vergangenes Leiden erhalten haben, und an religiöse, moralische, akademische und juristische Autoritäten. Der Bau der Mauer muss sofort gestoppt werden. Die Weltmeinung muss die israelische Regierung zwingen, die Mauer abzubauen und das palästinensische Land zurückzugeben und wieder herzustellen, dass sie sich bereits angeeignet und zerstört hatte. Dies ist kein Gegenstand von "Verhandlungen". Es ist eine moralische und politische Notwendigkeit.

Um Ihren Namen zuzufügen senden Sie bitte ein Mail an stopthewall@alt-info.org
oder zeichnen Sie die Online-Petition unter http://www.petitiononline.com/stw/petition.html

Erstunterzeichner:
  • Ariella AZOULAY, Bar-Ilan University, Israel
  • Etienne BALIBAR, University of Paris-Nanterre and University of California, Irvine
  • Daniel BOYARIN, University of California, Berkeley
  • Susan BUCK-MORSS, Cornell University, Ithaca
  • Judith BUTLER, University of California, Berkeley
  • Nabil EL HAGGAR, Université des Sciences et Techniques de Lille
  • Ghislaine GLASSON-DESCHAUMES, Directrice, Revue Transeuropéennes
  • Neve GORDON, Ben-Gurion University, Beer-Sheva
  • Barbara HAHN, Princeton University
  • Domenico JERVOLINO, Universitŕ Federico II, Napoli
  • Henri KORN, Académie des Sciences, Paris
  • Catherine LEVY, CNRS, Paris
  • Jean-Marc LEVY-LEBLOND, Université de Nice, Sophia-Antipolis
  • Michael LÖWY, CNRS, Paris
  • Camille MANSOUR, Université Bir-Zeit et Université de Paris I Panthéon-Sorbonne
  • Joëlle MARELLI, traductrice, Paris
  • Fatma OUSSEDIK, Université d'Alger
  • Bruce ROBBINS, Columbia University, New-York
  • Peter SCHÖTTLER, Centre Marc Bloch, Berlin
  • Marianne SCHULLER, Universität Hamburg
  • Immanuel WALLERSTEIN, Yale University
  • Sergio YAHNI, The Alternative Information Center, Jerusalem


Weiteres Informationsmaterial zum israelischen "Sicherheitszaun" erhalten Sie auf unserer Homepage unter der Rubrik:
Naher Osten
Zuletzt erschien:
'Sicherheitsmauer' als Sackgasse. Von Claudia Haydt


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