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"Wenn sie uns angreifen, werden wir darauf reagieren"

ie Hamas hält nichts von den "Friedensgesprächen" mit Israel. Sie setzt auf Widerstand – mit allen Mitteln. Gespräch mit Mahmud Al-Zahar *


Mahmud Al-Zahar (65) ist Mitbegründer und Führungsmitglied der Hamas sowie Außenminister der Gaza-Regierung.

Die groß angekündigten Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern sind kurz nach Beginn ins Stocken geraten. Wie sehen Sie das Verhalten von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der auf einem umfassenden Stopp des Siedlungsbaus besteht?

Offen gestanden habe ich überhaupt kein Interesse daran, diese Angelegenheit zu kommentieren. Die ganze Geschichte mit dem Moratorium dient doch nur US-Präsident Barack Obama. Den Palästinensern bringt ein Baustopp von drei Monaten gar nichts.

Schon 1994 haben wir dem damaligen Palästinenserpräsidenten Yassir Arafat gesagt, daß das Ergebnis der Verhandlungen mit Israel gleich null war. Alle Welt hat doch gesehen, wie die Annexion des Landes durch den Siedlungsbau weiterging. Mit allen Mitteln Widerstand zu leisten – die militärischen Mittel eingeschlossen! – das ist unser Motto.

Anfang Juni 2009 hielt US-Präsident Obama eine vielbeachtete Rede an der Universität Kairo, in der er einen »Neubeginn« im Verhältnis zu den Muslimen ankündigte. Wie fällt Ihr Resümee aus?

Wir waren von Anfang an skeptisch und haben immer gesagt, daß die Worte durch Taten bestätigt werden müssen. Was wirklich geschah, hat man gesehen. Es ist doch eine Tatsache, daß keine US-Regierung auf die – vor allem finanzielle – Unterstützung der pro-israelischen Lobbys verzichten wird.

Wie ist Ihre Position zu den arabischen Ländern, die mit den USA verbündet sind?

Es gibt arabische Regierungen, die unter dem Einfluß der USA leiden. Andere widerstehen den Einmischungsversuchen. Allen arabischen Ländern gemeinsam ist aber, daß sie sich in der einen oder anderen Weise vor Israel schützen müssen.

Der Sudan ist ein gutes Beispiel für die westlichen Einmischungsversuche. Deren Ziel ist es ja, die Einheit zwischen Norden und Süden zu zerstören, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Nehmen wir Salva Kiir, den Präsidenten des halbautonomen Staates im Süden Sudans: Er hat bereits verkündet, daß er zu einer Öffnung gegenüber Israel bereit sei. Der Grund dafür ist, daß er von dort aus mit Waffen versorgt wird.

Denken wir an die Länder, in denen zur Zeit Kriege aufgrund der Einmischung des Westens stattfinden: an Afghanistan, Pakistan und Palästina. Oder an den Libanon, wo der Krieg als Gefahr immer präsent ist: 1948, 1967, 1973, 2003, 2006 und 2008 wurde das Land angegriffen, und zwar jedes Mal von Israel.

Sind Sie der Auffassung, daß der Gegensatz zwischen dem Westen und dem Islam das wahre Problem ist?

Mit Sicherheit.

Und der regionale Gegensatz von Sunniten und Schiiten?

Die Religion hat damit doch gar nichts zu tun. Der Trennungsstrich verläuft zwischen denen, die sich der von den USA diktierten Linie widersetzen und denen, die sich fügen.

Und der Irak?

Der ist das beste Beispiel für die Einmischung der USA. Seit der Gründung Iraks haben dort Sunniten und Schiiten miteinander gelebt, ohne sich gegenseitig zu massakrieren. Dann wurden einige zu Spionen und Kollaborateuren der amerikanischen Besatzer. Der Rest ist bekannt.

Nehmen wir Somalia, auch wenn es nicht in dieser Region liegt. Dort stehen Muslime und Muslime gegeneinander. Aber wo liegt die Differenz zwischen beiden? Die Regierung ist mit den USA liiert – ihre Gegenspieler versuchen, das Land zu befreien. Diejenigen, die sich jetzt bekämpfen, waren vorher Verbündete.

Wird es, wenn Israel noch einmal angreifen sollte, eine Antwort an zwei Fronten geben? Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah hat angekündigt, daß sich der nächste Krieg von allen anderen unterscheiden wird...

Es ist ganz einfach. Wenn sie uns angreifen, werden wir darauf reagieren. Was den Rest anbelangt: Kein Kommentar! Daß wir mit der Hisbollah assoziiert seien, behaupten die Israelis.

Interview: Francesca Maretta

(Übersetzung: Andreas Schuchardt)

Das Interview erschien zuerst am 24. November in der linken italienischen Tageszeitung Liberazione

* Aus: junge Welt, 27. November 2010


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