Gewaltspirale im Nahen Osten dreht sich weiter
Im 12. Monat nach Beginnn der Intifada: Terroranschläge hier - Gezielte Liquidierungen dort
Die erste Septemberwoche 2001 war eine der schlimmsten seit Beginn der Intifada vor fast einem Jahr. Etliche Wochen nach Verkündung eines Waffenstillstands, drei Wochen nach dem mit viel Vorschusslob bedachten Vermittlungsversuch von Bundesaußenminister Fischer und zeitgleich mit der Ankündigung eines Treffens zwischen Arafat und Peres, das in der kommenden Woche stattfinden soll, wird gemordet wie selten zuvor. Da der alltägliche Schrecken in Israel und in den besetzten Gebieten sich kaum noch kommentieren lässt, sollen im Folgenden lediglich ein paar Mordanschläge und gezielte militärische Angriffe aufgelistet werden. Die Urheber der Verbrechen nehmen jeweils für sich in Anspruch, "Vergeltungsmaßnahmen" durchgeführt zu haben, doch längst ist die zeitliche Abfolge von Attentat und Vergeltung nicht mehr feststellbar. Jede "Vergeltungsaktion" ist selbst eine Tat, die bei der anderen Seite nach "Vergeltung" schreit.
Am Donnerstag, den 6. September,
sind bei einem israelischen Hubschrauberangriff im nördlichen Westjordanland zwei Palästinenser getötet worden. Israelische Soldaten hatten zwei Raketen auf einen Geländewagen in der Autonomiestadt Tulkarem gefeuert. Im Auto waren mehrere Mitglieder der Fatah-Bewegung des Präsidenten Arafat unterwegs. Zwei Insassen kamen ums Leben, drei weitere wurden verletzt. Die israelische Armee erklärte, Ziel des Angriffs sei der Fatah-Chef von Tulkarem, Raad al Karmi, gewesen. Er wird von Israel beschuldigt, an verschiedenen Schießereien beteiligt gewesen zu sein und in den vergangenen Monaten insgesamt sechs Israelis getötet zu haben. Raad al Karmi hat den Angriff verletzt überlebt.
Nacht vom Freitag auf Samstag, 7./8. September:
Die israelische Armee habe in der Nacht zum Samstag in Rafah im Süden
des Gazastreifens einen Sprengsatz gezündet und einen
24-jährigen Palästinenser getötet, teilten Vertreter Autonomiebehörde mit. Zwei weitere Palästinenser wurden bei der Explosion verletzt. Der Getötete gehört den Angaben zufolge einem bewaffneten Arm der Fatah an.
Sonntag, 9. September:
Am Sonntagmorgen wurden im Westjordanland bei einem
Angriff auf ein Auto zwei Israelis erschossen, vier weitere wurden verletzt. Die Behörden vermuteten militante Palästinenser als Urheber der
Tat. Nach Augenzeugenberichten überholte ein Auto
mit palästinensischem Kennzeichen einen Kleinbus,
der Lehrer von Israel an eine Schule für jüdische
Siedler im Jordantal bringen sollte. Der Kleinbus sei
dann aus automatischen Waffen beschossen
worden. Bei den Toten handelt es sich nach
Polizeiangaben um den Fahrer und eine Lehrerin,
auch die vier Verletzten waren Lehrerinnen.
Ein palästinensischer Selbstmordattentäter hat
sich am Sonntagmorgen an einer Bahnstation bei
Naharia in Nordisrael in die Luft gesprengt. Laut Polizeiangaben und Augenzeugenberichten wurden dabei drei Israelis getötet. Mindestens 31 Israeli wurden nach letzten Angaben zum Teil schwer verletzt.
Israelische Kampfhelikopter haben ebenfalls am Sonntagmorgen ein
Büro der Fatah-Bewegung von Palästinenser-
Präsident Jassir Arafat in Ramallah mit Raketen
beschossen. Der Angriff erfolgte als "Reaktion" auf
den Selbstmordanschlag auf den Bahnhof in
Naharia.
Am Sonntagmittag haben mehrere Explosionen eine
belebte Verkehrskreuzung in Zentral-Israel
erschüttert, wobei nach Rundfunkangaben
mindestens eine Person getötet wurde. Der
israelische Rundfunk meldete weiter,
die Explosionen hätten sich an einer Kreuzung in der
Nähe der Stadt Netanja ereignet. Dort hätten
zahlreiche Soldaten nach dem Wochenende darauf
gewartet, zu ihren Einsatzorten im
besetzten Westjordanland gebracht zu werden.
Bei einem weiteren Zwischenfall wurde im
Gazastreifen ein Palästinenser getötet, ein weiterer
wurde von Schüssen verletzt. Der Verletzte wurde
in ein Krankenhaus eingeliefert. Er
berichtete,israelische Soldaten hätten auf ihn
geschossen, sein Begleiter sei getötet worden. Ein
Vertreter der israelischen Armee bestätigte, dass im
nördlichen Gazastreifen auf israelisch kontrolliertem
Gebiet eine Leiche gefunden worden sei. Über die
Todesumstände machte er aber keine Angaben.
Alle Meldungen nach: Süddeutsche Zeitung, 7. September; Frankfurter Rundschau, 8. September; Der Spiegel-online, 8./9. September; Neue Zürcher Zeitung-online, 9. September 2001
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