Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kein Frühling für arabische Frauen

Ihr Anteil in den Parlamenten sank sogar

Von Marc Engelhardt, Genf *

Frauen haben im arabischen Frühling in vorderster Front für die Demokratisierung gekämpft. Den Lohn in Form von Parlamentssitzen aber ernten Männer, zeigt eine UN-Erhebung.

Ihr Widerstand war das vielleicht auffälligste Symbol eines anbrechenden Wandels in der arabischen Welt: Studentinnen, Hausfrauen, Arbeiterinnen - sie alle demonstrierten mit oder ohne Schleier auf Straßen und Plätzen für Demokratie und mehr Frauenrechte. Die Diktatoren stürzten, die Parlamente wurden neu besetzt, doch wählen ließen sich die Männer. Eine Erhebung von Interparlamentarischer Union (IPU) und UN Women zeigt, dass heute sogar weniger Frauen als zuvor in den Parlamenten vertreten sind.

Überhaupt sind Frauen nirgends sonst politisch so wenig repräsentiert wie in der arabischen Welt. Gerade einmal 10,7 Prozent der Abgeordneten sind Frauen. In Tunesien sind nach der Wahl 2011 zwei Frauen weniger als zuvor im Parlament vertreten. In Ägypten ist das Ergebnis noch deutlicher: Gerade noch zehn der 508 Abgeordneten sind Frauen, unter Mubarak waren es 64. Die Quote stürzte von 12 auf unter 2 Prozent. Nur einige pazifische Inselstaaten und konservativste arabische Staaten wie Jemen (eine Frau von 301) oder Katar und Saudi-Arabien (zwei von weltweit sieben Ländern ganz ohne weibliche Abgeordnete) stehen noch schlechter da.

Die Beispiele Ägypten und Tunesien zeigen aber auch, wie kompliziert es ist, die Chancen von Frauen zu verbessern. Denn in beiden Ländern gelten Frauenquoten, in Tunesien sogar eine der fortschrittlichsten der Welt: Parteien sind verpflichtet, jeden zweiten Listenplatz einer Frau zu gewähren. Viele Parteien bekamen aber nur einen Sitz im Parlament - und der Spitzenkandidat war fast immer ein Mann.

IPU-Präsident Abdelwahad Radi ist dennoch überzeugt, dass ein Wandel möglich ist. »Mehr als ein Drittel der Länder mit 30 Prozent oder mehr Frauen im Parlament sind solche, die einen Konflikt oder eine Transition hinter sich haben.« Bestes Beispiel ist Ruanda, einst Schauplatz eines Genozids, mit 56,3 Prozent Frauenanteil im Parlament. Auch sonst ist Afrika südlich der Sahara diesbezüglich keine Entwicklungszone: Mit durchschnittlich 20,2 Prozent Frauen in den Parlamenten liegt Afrika über dem globalen Durchschnitt von 19,5 Prozent. Deutschland belegt mit 32,9 Prozent Frauenanteil Rang 21 in der Liste.

Um die Lage zu verändern, fordern IPU und UN Women zunächst Frauenquoten: In vielen Ländern sei nur deshalb der Anteil von Parlamentarierinnen gestiegen.

* Aus: neues deutschland, 3. März 2012


Zurück zur Seite "Naher Osten, arabischer Raum"

Zur Frauen-Seite

Zurück zur Homepage