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Krummer Deal in Bagdad

Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten – von Erich Schmidt-Eeenboom aufgespürt

Von Klaus Eichner *

In guter Regelmäßigkeit bringt der Geheimdienstkritiker und Friedensforscher Erich Schmidt-Eenboom Ergebnisse seiner stringenten Recherchen in Buchform heraus. Dieser Tage kam aus seiner Feder eine umfassende Untersuchung der Nachkriegsstrategie des deutschen Imperialismus im Nahen Osten, insbesondere in den Ländern Ägypten, Sudan, Syrien, Irak, auf den Markt.

Schmidt-Eeenboom spannt einen breiten historischen Bogen. Er skizziert die historische Entwicklung im arabischen Raum, analysiert die deutschen imperialistischen Interessen in der geostrategisch wichtigen Region, die permanent von Krisen geschüttelt wird, und zeigt sodann, wie dort schon frühzeitig und gezielt belastete Nazi- und Kriegsverbrecher eingesetzt wurden, um Pfründe zu erkunden und zu sichern. Damit geht er weit über die Ankündigung im Buchtitel hinaus. Nicht nur, aber natürlich vor allem gilt seine Aufmerksamkeit der Organisation Gehlen und dem späteren Bundesnachrichtendienst. Sie sind immer mittendrin im Geschehen, aber die von ihm geschilderten Aktivitäten umfassen weit mehr als nachrichtendienstliche Tätigkeit, obwohl insbesondere in dieser Region schon sehr frühzeitig legale und illegale Residenten des bundesdeutschen Auslandsnachrichtendienstes aktiv waren. Da agieren außerdem hochrangige Militärs der faschistischen Wehrmacht als Ausbilder und Berater für die Streitkräfte von Diktatoren. Führende Köpfe der einstigen NS-Rüstungsforschung helfen jenen, eine moderne Rüstungswirtschaft aufzubauen. Waffenlieferungen setzen schon unmittelbar nach der Niederlage des deutschen Imperialismus im Zweiten Weltkrieg ein (u. a. sind es ausgediente Feldküchen von einem Schrottplatz; auch beim Betrügen der Partner kennt man keine Scham). Bald auch werden Ausbildungs- und Ausrüstungshilfen für die Sicherheits- und Polizeiapparate dieser Länder geboten.

Das Buch zeichnet ein frappierendes Bild reger Geschäftstüchtigkeit. Und da wird auch so manche brisante Enthüllung geboten. Zum Beispiel, dass der irakische Geheimdienstchef und der BND-Resident in Irak bereits im Januar 2002 einen Deal abgeschlossen haben: Wenn die deutsche Bundesregierung einen konsequenten Antikriegskurs einnimmt, dann würde sie vom Irak mit lukrativen Aufträgen für die deutsche Wirtschaft belohnt. Oder, dass der heutige BND-Chef Ernst Uhrlau im Juli eben jenes Jahres einen hochrangigen syrischen Geheimdienstmann warnte, dass in Deutschland gegen illegale syrische Wirtschaftsconnections ermittelt werde, worauf die Syrer rechtzeitig belastendes Material vernichten ließen und der Generalbundesanwalt ein bereits laufendes Verfahren einstellen musste. Damit kommt Schmidt-Eenboom wieder auf sein Hauptanliegen zurück – ein Schlaglicht auf das Verhältnis der deutschen Sicherheitsbehörden zu den arabischen Partnern zu werfen. In diesem Kontext geraten ab und an auch die Aktivitäten der DDR-Aufklärung in den Blick, ohne dass deren Tun nach zeitgenössisch vorherrschender Diktion verteufelt wird.

Gründliche Recherche, Sachlichkeit und nicht nur Konzentration auf Geschichte und Vergangenes, sondern auch aktuelle Geschehnisse – das sind die Markenzeichen auch des neuesten Werkes von Schmidt-Eenboom. Anregungen für dieses Buch erhielt er nicht zuletzt durch das Bekanntwerden von illegalen Entführungen der CIA aus und über Europa, der Beteiligung deutscher Sicherheitsbehörden an Befragungen und Vernehmungen in berüchtigten Foltergefängnissen und nicht zuletzt durch die in die Diskussion und schließlich in einen parlamentarischen Untersuchungsauschuss geratene Beteiligung des BND an der Aggression gegen den Irak.

In einem speziellen Kapitel (»Der Spion, der aus der Hitze kam«) lässt Schmidt-Eenboom den Leser miterleben, wie ein Geheimdienstkritiker (man errät schnell, um wen es sich handelt) immer wieder zu neuen Informationen und Quellen kommt. Ein rechtskräftig verurteilter ehemaliger Angestellter des Auswärtigen Amtes der BRD, der für Irak eine Vielzahl von Informationen über die arabische Region beschafft hatte, suchte beispielsweise den Kontakt zu Schmidt-Eenboom. Dass jener auch noch nach Verbüßung seiner Haftstrafe Hunderte von geheimen Dokumenten des BND und des diplomatischen Dienstes der Bundesrepublik im Besitz haben konnte, sagt viel aus über die Qualität der Ermittlungsarbeit von Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt. Nicht wenige der in diesem Buch verwerteten qualifizierten Informationen der jüngsten Zeit dürften aus diesem reichen Fundus stammen, den es eigentlich nicht geben sollte.

Erich Schmidt-Eenboom scheut sich nicht, sein Buch mit sehr persönlichen Reminiszenzen zum aktuellen Medienskandal des BND anzubieten. Er war eines der ersten und prominentesten Opfer jahrelanger Observation und Überwachung von Journalisten, zugleich aber auch Kontaktpartner des BND, wobei er nicht immer glücklich agierte, wie er jetzt selbstkritisch konstatiert.

Jedenfalls sei den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses des Bundestages sowie allen Parlamentariern und interessierten Zeitgenossen diese gründlich recherchierte, fakten- und detailreiche Dokumentation über das Agieren deutscher Sicherheitsbehörden im In- und Ausland, die weit über das von Regierungsstellen und Geheimdiensten selektiv vorgelegte Material hinausgeht, dringend zur Lektüre emphohlen.

Erich Schmidt-Eenboom: BND – Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten. Geheime Hintergründe und Fakten. Buchverlage LangenMüller / Herbig, München 2006. 336 S., geb., 19,90 EUR.

* Aus: Neues Deutschland, 23. November 2006


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