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Nahostkonflikt: Die Ereignisse ab Oktober 2002

Zusammengestellt aus Agenturmeldungen

1. bis 6. Oktober 2002

Auf scharfe palästinensische Kritik stieß am 1. Oktober das Eintreten des US-Kongresses für Jerusalem als israelische Hauptstadt (siehe Chronik 30. September). Kabinettsminister Sajeb Erakat sprach von einer "eklatanten Verletzung" von Abkommen, die sowohl Israel als auch die USA unterzeichnet hätten. Diese Haltung erschwere alle Bemühungen, den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen.

Israelische Streitkräfte besetzten in Ramallah bis zum frühen Morgen des 1. Oktober drei Häuser, aus denen sich die Soldaten zwei Tage zuvor zurückgezogen hatten. In einem Mehrfamilienhaus und auf dem Dach des Kulturministeriums der Palästinenser gingen Scharfschützen in Stellung.
Bei einem Feuergefecht im Gazastreifen wurde am 1. Oktober ein Palästinenser getötet. Der 50-jährige Wachmann eines Parkhauses wurde von einem Panzergeschoss getroffen. Die Soldaten waren zuvor von Palästinensern mit Granaten angegriffen worden. Zu der Attacke bekannte sich die Organisation Islamischer Dschihad.
Bei Razzien im Westjordanland hatte die israelische Armee in der Nacht 32 Personen verhaftet, viele von ihnen in Dschenin. Darunter seien 23 Verdächtige, teilte die Armee mit. Ihnen würden Anschläge auf Israelis vorgeworfen.

Arafat kündigte am 1. Oktober an, er wolle die geplante Umbildung seines Kabinetts um zwei Wochen verschieben. Wegen der gerade erst beendeten, zehn Tage dauernden Belagerung und weit gehenden Zerstörung seines Hauptquartiers durch Israels Armee bat er den Parlamentspräsidenten Ahmed Kurei um diesen Aufschub.
Er konnte sich damit gegen Kritiker in seiner Fatah-Bewegung durchsetzen. Wie der palästinensische Planungsminister Nabil Schaath am 2. Oktober sagte, wird vorerst kein Ministerpräsidenten-Amt geschaffen. Die Forderung mehrerer Fatah-Mitglieder nach einem solchen Amt hätte Arafats Position innerhalb der palästinensischen Regierung geschwächt. Laut Schaath ist man sich nun einig, dass ein solches Amt erst dann geschaffen werden sollte, wenn es einen palästinensischen Staat und eine Verfassung gibt. Das Zentralkomitee der Fatah-Bewegung hatte am Abend zuvor über die geplanten Reformen innerhalb der palästinensischen Autonomiebehörde beraten.

Israelisches Militär hat am 3. Oktober in Dschenin im Westjordanland einen Mann erschossen. Nach palästinensischen Angaben wurde der 45-Jährige auf einem Markt in den Kopf getroffen.
Laut israelischer Armee griffen Palästinenser eine jüdische Siedlung im Gazastreifen mit Mörsergranaten an. Es sei aber niemand verletzt worden.
In dem Ort Wadi Gaza zerstörten israelische Soldaten das Haus eines Anhängers der Al-Aksa-Brigaden. Nach palästinensischen Angaben wurden sechs Palästinenser festgenommen. Das Militär bestätigte nur fünf Festnahmen.

Die Proteste gegen den US-Kongressbeschluss vom 30. September, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, hielten auch am 2. und 3. Oktober an. Selbst eine symbolische Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt verstoße bereits gegen UN-Resolutionen, sagte am 2. Oktober der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa. Jerusalem sei die Hauptstadt eines palästinensischen Staats. Palästinenserpräsident Jassir Arafat bezeichnete das Gesetz als eine "Katastrophe". - Russland rief dazu auf, israelisch-palästinensischen Gesprächen über den Status der Stadt nicht vorzugreifen. - Saudi-Arabien zeigte "tiefe Irritationen". Die Haltung der USA könne als Unterstützung für das repressive Vorgehen Israels gegen die Palästinenser aufgefasst werden, zitierte die saudische Nachrichtenagentur SPA einen Regierungssprecher. - Ägyptens Außenminister Achmed Maher äußerte in Kairo sein "tiefes Bedauern". - Der iranische Rundfunk zitierte Außenminister Kamal Charasi mit den Worten, das amerikanische Gesetz beleidige moslemische Staaten. - Syrische Medien hielten den USA vor, zweierlei Maß anzulegen. Die USA dränge Irak zur Einhaltung der UN-Resolutionen, während Washington selbst Resolutionen verletze. - In Gaza demonstrierten rund 2.000 Palästinenser und verbrannten Flaggen der USA und Israels.

Israel bereitet die Abschiebung von Jassir Arafat vor. In einem Manöver habe die Armee die Zwangsausweisung des Palästinenserpräsidenten geübt, schreibt die Zeitung "Maariv" am 3. Oktober. In welches Land Arafat gebracht werden soll, sei nicht bekannt. Nach Informationen des Blattes kommen aber weder Jordanien noch Libanon in Frage. Der israelische Regierungschef Ariel Scharon und Verteidigungsminister Benjamin Ben Elieser hätten die Pläne in Auftrag gegeben, hieß es. Sie sollten "sehr schnell" umgesetzt werden. Nach dem Abzug der israelischen Armee von Arafats Hauptquartiers in Ramallah seien die Vorbereitungen "derzeit" eingefroren. (www.netzeitung.de)

Israelische Soldaten schossen am Morgen des 4. Oktober in der besetzten Stadt Nablus im Norden des Westjordanlandes auf einen zwölfjährigen Jungen und verletztem ihn lebensgefährlich. Nach palästinensischen Angaben war das Kind in die Schusslinie geraten, als die Soldaten auf einen fliehenden Taxifahrer feuerten. Dieser hatte die Ausgangssperre missachtet, die seit Monaten gilt. - In Dschenin wurden nach palästinensischen Berichten mehrere Zivilisten durch Schüsse verletzt. - Im Gazastreifen feuerten Palästinenser mehrere Mörsergranaten auf jüdische Siedlungen im Süden des Gebiets. - Im Westjordanland nahm die Armee mehr als ein Dutzend Palästinenser fest.
Bei Zusammenstößen zwischen militanten Palästinensern und israelischen Polizisten sind kurz nach dem traditionellen Freitagsgebet auf dem Tempelberg in der Altstadt Jerusalems mehrere Palästinenser verletzt worden. Die Polizei hatte mittags die Esplanade, das den Moslems heilige Gelände vor der Moschee, gestürmt, nachdem "Extremisten" von oben herab Steine auf jüdische Gläubige an der Klagemauer geworfen hatten.

Israels Außenminister Peres kündigte am 4. Oktober neue Gespräche mit der palästinensischen Führung über eine Beendigung des Konflikts an. Peres traf in Tel Aviv Nahost-Repräsentanten der Vereinigten Staaten, der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und Russlands. Peres bekräftigte gegenüber den Nahost-Gesandten des so genannten Quartetts aber auch die Notwendigkeit politischer Reformen innerhalb der Autonomiebehörde.
Israel gab am 4. Oktober bekannt, dass es etwa 70 Millionen Schekel (rund 14,5 Millionen Euro) an Steuergeldern an die Palästinenser überweisen werde. Dies geschieht ganz offensichtlich unter starkem Druck der USA. Bei dem Geld handelt es sich um die dritte Rate von insgesamt 44,5 Millionen Euro, zu deren Rückzahlung sich die israelische Regierung verpflichtet hatte. Die ersten beiden Raten waren im Juli an die Autonomiebehörde überwiesen worden. Insgesamt hat Israel den Palästinensern seit Beginn des blutigen Konflikts vor zwei Jahren die Zahlung von 420 Millionen Euro an Steuergeldern und Zöllen verweigert, die es im Auftrag der Autonomiebehörde eingezogen hatte.

Am 4. Oktober ist ein 15-jähriger palästinensischer Junge unter von israelischen Soldaten erschossen worden - offenbar weil er sich nicht an die Ausgangssperre gehalten hat. Ein Zwölfjähriger in Nablus wurde schwer verletzt.
Israelische Truppen haben auch am 5. Oktober in Nablus das Ausgehverbot mit Gewalt durchgesetzt und einen 14-jährigen Jungen erschossen, berichtete AP. Nach Angaben von Ärzten wurde der 14-jährige Amar Haschem von einer Kugel in den Kopf getroffen. Bewohner sagten, es seien weitere Soldaten und Panzer in der Stadt stationiert worden. In Nablus gilt seit Mitte Juni fast ununterbrochen eine Ausgehsperre. Viele Bewohner halten sich jedoch nicht daran und verlassen ihre Häuser, wenn sie keine Soldaten auf der Straße sehen. Kinder gehen zur Schule, sie werden von den Truppen meist ignoriert.
Im Gazastreifen verübte die militante Organisation Hamas einen Bombenanschlag gegen israelische Soldaten, bei dem aber niemand verletzt wurde.

Zum ersten Mal seit sieben Jahren ist am 5. Oktober ein Präsident des Roten Kreuzes zu einer Reise nach Israel und in die palästinensischen Gebiete aufgebrochen. IKRK-Präsident Jakob Kellenberger werde in den kommenden Tagen unter anderem Arafat und den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon treffen, teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf mit.
Am 6. Oktober wurde im Flüchtlingslager Dschenin ein Palästinenser durch israelisches Militär getötet. Ein anderer Palästinenser wurde bei Nablus erschossen.

Der Chef des militärischen Geheimdienstes in Israel, Generalmajor Aharon Seevi-Farkasch, sagte am 6. Oktober die Fatah-Bewegung und die Tansim-Miliz seien an den Selbsmordanschlägen nicht beteiligt. Auch würde die Palästinenserführung Druck auf militante Gruppen ausüben ihre Aktionen einzustellen.

Palästinenserpräsident Arafat unterzeichnete am 6. Oktober ein Gesetz, das Ostjerusalem zur Hauptstadt eines künftigen palästinensischen Staates erklärt. Das Palästinenserparlament hatte das Gesetz bereits vor zwei Jahren verabschiedet. Arafats Unterzeichnung war wohl eine Reaktion auf die Forderung des US-Kongresses an die US-Regierung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen.

Die Absicht des britischen Premiers Tony Blair, noch vor Jahresende auf abschließende Verhandlungen über einen endgültigen israelisch-palästinensischen Frieden zu drängen, wurde von US-Präsident am 6. Oktober "schroff" zurückgewiesen, wie es in Agenturmeldungen hieß. Bush habe mitgeteilt, er wünsche solche Verhandlungen "in naher Zukunft nicht".

7. bis 13. Oktober 2002

Am 7. Oktober griffen israelische Truppen die Stadt Chan Junis im Gazastreifen an. Dabei wurden 14 Zivilisten getötet, mehr als 100 verletzt. Die Autonomiebehörde sprach von einem "Massaker". Die israelische Regierung bedauerte in einer Stellungnahme, dass es zivile Opfer gegeben habe. Schuld seien aber militante Kämpfer, die sich in dem dicht besiedelten Wohnviertel "verschanzt" hätten. Hams hat Verfgeltung angekündigt.
Bei einer Auseinandersetzung zwischen Hamas-Mitgliedern und der Palästinenserpolizei sind zwei Hamas-Mitglieder getötet worden, 17 wurden verletzt. Vorausgegangen war der Mord am Chef der palästinensischen Anti-Aufruhr-Einheit, Radscheh Abu Lehija.

Der internationalen Kritik an den israelischen Angriffen im Gazastreifen schloss sich auch die US-Administration an. Außenamtssprecher Richard Boucher forderte von Israel eine Untersuchung der Vorfälle. Washington sei "tief beunruhigt" über die Aktion in einem Wohngebiet. Protest kam auch vom außenpolitischen Koordinator der EU, Javier Solana. UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte, für den Einsatz in Gaza gebe es "keine legale oder moralische Rechtfertigung". - Sharon hingegen lobte die Aktion am 8. Oktober als "Erfolg". Die meisten Getöteten seien "Terroristen" gewesen. Den Tod "einiger unschuldiger Menschen" bedauerte er.
Im Süden Hebrons gerieten am 8. Oktober israelische Siedler in einen palästinensischen Hinterhalt. Vier Israelis wurden von dem Maschinengewehrfeuer verletzt, ein Mann befand sich in einem kritischen Zustand.

Die israelische Armee hat am 9. Oktober zwei unbewohnte Siedlungs-Außenposten im Westjordanland abgebaut.
Im Gazastreifen erschossen israelische Soldaten am 9. Oktober zwei Palästinenser, 17 weitere wurden verletzt.
Das Rote Kreuz, das mit einer Delegation Palästina bereist, stellte eine katastrophale humanitäre Situation in den Autonomiegebieten fest. Die Lage sei so schlimm wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebe in Armut.
In der Nacht zum 10. Oktober wurden bei einem Feuergefecht an der Südgrenze des Gazastreifens ein 12- und ein 18-jähriger Palästinenser erschossen. Israels Militär sagte, sie hätten zwei Tunnel entdeckt, durch die Waffen aus Ägypten geschmuggelt werden sollten.
Bei einer "Säuberungsaktion" in Dörfern rund um Ramallah wurden 80 Palästinenser festgenommen.
Bei einem plaästinensischen Selbstmordattentat auf einen Bus im Großraum Tel Aviv starben am 10. Oktober eine Frau und der Attentäter. Dabei hatte die Geistesgegenwart des Busfahrers eine größere Katastrophe verhindert.
Sicherheitskräfte haben am 11. Oktober in der Nähe der US-Botschaft in Tel Aviv einen Selbstmordanschlag verhindert. Der palästinensische Selbstmordattentäter wurde von Sicherheitskräften festgenommen. "Der Mann wurde überwältigt und ihm wurde ein Sprengstoffgürtel abgenommen", sagte Polizeisprecherin Eti Greenberg nach Angaben der BBC.
Israelische Soldaten erschossen am 11. Oktober im südlichen Gazastreifen zwei militante Palästinenser. Nach palästinensischen Angaben wollten die Männer in der Nähe der israelischen Siedlung Rafiach Jam einen Sprengsatz legen.
Am 11. Oktober demonstrierten in Gaza mehr als 10.000 Palästinenser für Palästinenserpräsident Jassir Arafat. Sie forderten eine Untersuchung der Ermordung des Chefs der palästinensischen Sondereinsatztruppe, Oberst Radscheh Abu Lehija. Hinter der Ermordung Lehijas soll die radikalislamische Hamas stehen.

Nach den blutigen Unruhen im Gazastreifen hat die palästinensische Autonomiebehörde "Versöhnungsgespräche" mit der radikal-islamischen Hamas-Gruppe aufgenommen. Am 11. Oktober waren zahlreiche Polizisten in Gaza im Einsatz, um weitere Unruhen zu verhindern. Siad Abu Amer, der die Autonomiebehörde Yassir Arafats bei den Gesprächen vertrat, sprach von "sehr positiven" Ergebnissen eines Treffens am Vorabend. Beide Seiten seien auf dem Wege zu einem Kompromiss.
Arafat ernannte am 11. Oktober den politisch unabhängigen Universitätspräsidenten Hanna Nasser zum Chef der Wahlkommission für die Wahl am 20. Januar, wie aus palästinensischen Kreisen verlautete.

Bei Zusammenstößen zwischen bewaffneten Palästinensern und israelischen Soldaten in der Nacht vom 12. auf den 13. Oktober in Tulkarem im Westjordanland ein Palästinenser erschossen worden. Wie die israelische Tageszeitung "Haaretz" unter Berufung auf Armeekreise berichtete, wurde der 18-Jährige tödlich getroffen, als er einen Molotowcocktail auf die Soldaten werfen wollte. Auch zwei Soldaten seien bei einem Schusswechsel leicht verletzt worden.
Zwei bewaffnete Palästinenser wurden getötet, als sie versuchten, vom Gazastreifen aus in die jüdische Siedlung Moschaw Jewul auf israelischem Gebiet einzudringen. Dabei wurden auch drei israelische Soldaten verletzt.
Bei einer israelischen Militäraktion in der Nähe von Dschenin wurde eine 40-jährige Palästinenserin getötet. Ein Panzer hatte das Feuer auf ihr Taxi eröffnet.
Die israelische Armee ist am frühen Sonntagmorgen (13. Oktober) in Raffah im Süden des Gazastreifens eingerückt. Nach Angaben von Augenzeugen wurde ein Palästinenser bei einem Schusswechsel mit den Soldaten getötet. Ein vierjähriges Kind wurde von den Trümmern eines Hauses erschlagen, das von den Israelis zerstört wurde. Wie der israelische Rundfunk unter Berufung auf palästinensische Quellen berichtete, fuhren auch schwere Bulldozer der Armee in die Stadt ein. Die Gegend um Raffah war in der Vergangenheit immer wieder Schauplatz für palästinensische Granaten-Angriffe auf israelische Posten. Außerdem gilt die Stadt als Knotenpunkt für den Waffenschmuggel von Ägypten in die Palästinensergebiete.
Am 13. Oktober berichtete der israelische Militärrundfunk, dass die US-Regierung für das Vorgehen Israels in den Palästinensergebieten kritisiert hätte. Vor allem monierte Washington, dass sich Israel gegen Erleichterungen für die palästinensische Bevölkerung sperre. Eine entsprechende Botschaft habe US-Botschafter Dan Kurtzer bereits am 11. Oktober Scharon übergeben.
Am Abend des 13. Oktober starb ein 28-jähriger Fatah-Aktivist, als ein Sprengsatz in einer öffentlichen Telefonzelle explodierte. Israel nahm zu dem Vorfall nicht Stellung. Die Al-Aksa-Brigaden teilten daraufhin mit, sie fühlten sich an keine Vereinbarung mehr gebunden und würden ihre Attacken auf israelische Soldaten wieder aufnehmen.

14. bis 20. Oktober 2002

Premierminister Scharon rief am 14. Oktober, vor seiner Abreise in die USA, die Palästinenser auf, die Regierung Arafat abzulösen. Auch Verteidigungsminister Ben Elieser sagte laut "Figaro", er lehne Verhandlungen mit Artafat ab. Dieser sei ein "Mann der Vergangenheit".
In Gaza demonstrierten am 14. Oktober laut westlichen Zeitungsberichten 15.000 Palästinenser für die Einheit ihres Volkes. Sie riefen alle Gruppen auf, Gewalt zu vermeiden.

Bei einem Anschlug auf einen Bus in der Stadt Beit Schean im Norden Israels sind am 15. Oktober vier Israelis leicht verletzt worden.
Verteidigungsminister Benjamin Ben Elieser sagte am 15. Oktober, die israelischen Truppen könnten sich in den nächsten Tagen unter bestimmten Bedingungen aus Hebron zurückziehen. Darüber würde derzeit mit Vertretern der Palästinenser verhandelt.
Mehrere Stunden wurde der oberste islamische Geistliche von Jerusalem, Mufti Ikrema Sabri, in israelisches Gewahrsam genommen und verhört. Der Vorwurf gegen ihn lautet auf Volksverhetzung. Er habe Selbstmordanschläge gerechtfertigt. Der Mufti bestritt solche Äußerungen gemacht zu haben.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon lobte bei einem Besuch in Washington am 16. Oktober die Beziehungen Israels zur Regierung Bush. Israel habe nie einen besseren Freund im Weißen Haus gehabt als den derzeitigen US-Präsidenten, sagte Scharon nach dem Treffen. Zum Thema Irak-Krieg sagte Bush, er sei sicher, dass Scharon Vergeltung übe, wenn Irak Israel angreifen würde. "Er hat den Wunsch, sich zu verteidigen", sagte Bush über Scharon. Scharon hatte angekündigt, bei irakischen Raketenangriffen zurückschlagen zu wollen. Bush machte keine Angaben darüber, ob er Scharon während des Gesprächs zur Mäßigung im Falle eines Irak-Krieges aufgefordert hatte. Beim letzten Golfkrieg 1991 hatte Bushs Vater, der damalige US-Präsident George Bush, Israel zur Zurückhaltung gedrängt. Der damalige israelische Ministerpräsident Jizchak Schamir war dieser Bitte nachgekommen.
In mehreren Gesprächen mit Mitgliedern der US-Regierung, die auch noch am 17. Oktober andauerten, wurde Scharon zugesagt, dass Israel vor einem US-Angriff auf Irak informiert werde. Zudem würden die US-Streitkräfte versuchen, die irakischen Raketenbatterien auszuschalten, die Israel beschießen könnten. US-Präsident George W. Bush billigte Israel im Falle eines irakischen Raketenangriffs das Recht auf Selbstverteidigung zu.

Am 17. Oktober haben israelische Armeeinheiten in Rafah im Gazastreifen Wohnhäuser mit Panzergranaten beschossen. Dabei sind mindestens sechs Palästinenser, darunter zwei Kinder, getötet und 35 verletzt worden. Auslöser der Aktion waren nach Agenturmeldungen Zusammenstöße mit palästinensischen Jugendlichen, die gegen die Errichtung eines neuen Kontrollturms protestierten und Steine und Flaschen gegen die Besatzer warfen.
Das Vorgehen der Israelis in Rafah ist auf scharfe internationale Kritik gestoßen. Paris verurteilte am 18. Oktober diesen "unangemessenen Einsatz militärischer Gewalt" und forderte Israel auf, "alle Militäroperationen in den Palästinensergebieten einzustellen". Auch die europäische Union verurteile Israel. Javier Solana, der außenpolitische Koordinator der EU, sagte: "Ich bin geschockt über die zivilen Opfer einer neuen israelischen Militäroperation in Rafah". Die dänische EU-Präsidentschaft forderte, die Palästinenser sollten auf Gewalt verzichten und Israel sollte auf den "exzessiven Einsatz militärischer Mittel" verzichten. - Hamas kündigte Vergeltung an.
Unterdessen erschossen am 18. Oktober israelische Soldaten einen Palästinenser, der einen Konvoi von Armeefahrzeugen im Gazastreifen mit einem Sprengsatz beworfen hatte.
Am 18. Oktober zogen sich israelische Truppen aus Dschenin im Westjordanland zurück. Die Stadt bleibt aber umstellt.

Mehrere hundert israelische Reservisten forderten den Abbau weiterer jüdischer Siedlungen in den Palästinensergebieten.
Der israelische Verteidigungsminister Benjamin Ben Elieser hat am 20. Oktober angekündigt, "zwei oder drei" illegale jüdische Siedlungen im Westjordanland auflösen zu wollen. Ben Elieser kritisierte zugleich die gewaltsamen Proteste von etwa 1.500 jüdischen Siedlern, die sich am Tag zuvor (Samstag, 19. Oktober) gegen die Räumung der illegalen Siedlung Havat Gilad bei Nablus gewehrt hatten. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit isralischen Soldaten und Polizisten. Etwa 30 Menschen wurden verletzt.
Als Reaktion auf die Räumung von Havat Gilat am "heiligen Sabbath" will nun die als politischer Arm der Siedler geltende Nationalreligiöse Partei die Regierungskoalition verlassen. Einer ihrer fünf Abgeordneten sagte im israelischen Rundfunk, die Partei werde darüber am kommenden Montag (21. Oktober) beraten.
Israel will sich teilweise aus der Stadt Hebron im Westjordanland zurückziehen. Regierungschef Ariel Scharon habe einem entsprechenden Vorschlag von Verteidigungsminister Ben Elieser zugestimmt, meldete der israelische Rundfunk am 20. Oktober. Demnach soll nur auf zwei Hügeln oberhalb der jüdischen Siedlung in Hebron israelisches Militär verbleiben. Von dort aus hatten bewaffnete Palästinenser in der Vergangenheit häufig Israelis angegriffen. Wie die Netzeitung ergänzend berichtet, steht Hebron zu 80 Prozent unter palästinensischer Verwaltung. Dort wohnen 120.000 Palästinenser. Auf dem restlichen Gebiet, das weiterhin von Israel kontrolliert wird, leben etwa 600 jüdische Siedler.

21.-27. Oktober 2002

In der Nacht zum 21. Oktober nahm die israelische Armee im Westjordanland acht Palästinenser fest.
Offenbar verschärft sich der Streit zwischen radikalen jüdischen Siedlern und der israelischen Armee. In der Nähe von Nablus begannen Siedler, eine zuvor geräumte illegale Siedlung wieder aufzubauen. Zu Auseinandersetzungen kam es - südlich von Nablus - auch zwischen Siedlern und Palästinensern.

Bei einem Anschlag auf einen Linienbus bei Pardes Channah in Nordisrael sind am 21. Oktober mindestens acht Menschen getötet und rund 40 verletzt worden. (Die Zahl der Toten erhöhte sich einen Tag später auf 14). Der palästinensische Attentäter war mit einem Auto an den Bus herangefahren und hatte eine Sprengladung gezündet. Zu dem Anschlag bekannten sich sowohl der Islamische Dschihad als auch Hamas.
Zuvor waren am selben Tag im Gazastreifen zwei Palästinenser von israelischen Soldaten erschossen worden, als sie nach israelischen Angaben versucht hatten, in die jüdische Siedlung Kfar Darom einzudringen.

Die EU kritisierte am 21. Oktober erneut Israel wegen dessen Vorgehen in den Palästinensergebieten. Der dänische Außenminister und amtierende Ratspräsident Per Stig Möller sagte nach einem Treffen mit Schimon Peres in Luxemburg, die humanitäre Situation lasse "sehr zu wünschen übrig". Israel wurde aufgefordert, Hilfsorganisationen freien Zugang zu den Gebieten zu gewähren und den Siedlungsbau zu stoppen.
Keine Einigung zwischen EU und Israel gibt es bisher im Streit um die Zollvergünstigungen für Waren aus Israel. Israel besteht darauf, dass auch Produkte aus den besetzten Gebieten (also aus den jüdischen Siedlungen) in den Genuss der Zollerleichterungen kommen; die EU lehnt dies ab. Bis Januar 2003 soll eine Einigung erzielt werden.

Auffallend war am 22. Oktober, dass Israel keine Vergeltung für den Terroranschlag vom Vortag ankündigte. Beobachter meinen, diese Zurückhaltung geschehe aus Rücksicht auf die US-Kriegsvorbereitungen gegen Irak. In der israelischen Zeitung Maariv hieß es: "Der näher rückende Angriff auf Irak begrenzt Scharons Manöverfreiheit". Außerdem stehe der Besuch des US-Sondergeandten William Burns in Jerusalem bevor. Burns will eine "Straßenkarte zum Frieden" zwischen beiden Seiten ausloten.
Am 24. Oktober traf William Burns mit führenden Palästinensern in Jericho zusammen, um ihnen einen Terminplan der USA zur Beendigung des Nahostkonflikts zu erläutern.

Am 24. Oktober wurde in Dschenin ein palästinensischer Junge erschossen, als er auf einen israelischen Panzer kleterte.
In der Nacht zum 25. Oktober rückte israelisches Militär mit einem massiven Truppenaufgebot in Dschenin (Westjordanland) ein. Sechs Fatah-Aktivisten wurden bei Schusswechseln verletzt. Aus Dschenin stammten die beiden Attentäter vom 21. Oktober (siehe oben). Es ist die größte Militäraktion seit der April-Offensive "Schutzschild". Die jetzige Aktion trägt den Namen "Vorhut", was zumindest darauf hindeutet, dass dies erst der Anfang weiterer Militäroperationen ist. Aus Armeekreisen verlautet zum Ziel der Aktion, es sollten eine 20-köpfige Terrorzelle sowie Munitionslager ausgehoben werden. Die Armee beschlagnahmte etwa 50 Gebäude, um dort israelische Scharfschützen zu postieren.

Radikale jüdische Siedler nehmen machen von der Waffe Gebrauch. Am 25.Oktober schoss einer von ihnen über die Köpfe von palästinensischen Bauern und israelischen Friedensaktivisten hinweg, als diese dabei waren, beim Dorf Issawija die Erne einzufahren.
Im von der Armee geräumten illegalen Siedlungsaußenposten Havad Gilad errichteten jüdische Siedler erneut drei Hütten.

Im südlichen Gazastreifen kam es am 26. Oktober wieder zu Auseinandersetzungen zwischen bei Rafah Palästinensern und israelischen Soldaten, die einen Armeeposten an der Grenze zu Ägypten ausbauen. Ein Palästinenser wurde getötet, zwei wurden verletzt. Die Mission von William Burns ist offenbar gescheitert. Beide Seiten kritisierten seinen "Fahrplan" zum Frieden. Am 26. Oktober reiste Burns wieder ab.
Am 27. Oktober hat sich ein palästinensischer Attentäter in der jüdischen Siedlerstadt Ariel (südlich von Tel Aviv) in die Luft gesprengt und mindestens drei Israelis mit in den Tor gerissen. 15 Menschen wurden verletzt.
Wenige Stunden später lieferten sich israelische Soldaten und bewaffnete Palästinenser in der wiederbesetzten Autonomiestadt Nablus Gefechte, in deren Verlauf drei Palästinenser getötet wurden. Der Attentäter von Ariel stammt aus Nablus.
Der Konvent der mitregierenden Arbeitspartei hat am 27. Oktober beschlossen, dass die Fraktion im Parlament den Haushaltsplan ablehnen soll, falls die 150 Mio. Euro, die für die Siedler in den besetzten Gebieten vorgesehen sind, nicht zugunsten der Sozialausgaben umgeschichtet werden.

28.-31. Oktober 2002

Die Abstimmung des Palästinenserparlaments über das neue Kabinett von Yassir Arafat wurde am 28. Oktober um einen Tag verschoben. Grund: Die 13 Abgeordneten aus dem Gazastreifen wurden von den israelischen Behörden an der Fahrt nach Ramallah gehindert.
In Israel ist eine Regierungskrise ausgebrochen, nachdem der Vorsitzende der Arbeitspartei, Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser, damit gedroht hat, aus dem Kabinett auszusteigen, falls im Haushaltsjahr 2003 die Förderung der jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten nicht drastisch gekürzt wird.
Am 29. Oktober wurde in Tubas (Westjordanland) ein 19-jähriger mutmaßlicher Hamas-Aktivist von israelischem Militär erschossen. - In Dschenin wurde das Haus eines Hamas-Mitglieds in die Luft gesprengt. 15 Menschen wurden dadurch obdachlos.
Die Armee räumte im Westjordanland eine weitere illegal erreichtete jüdische Siedlung. Kurz darauf begannen die Siedler, die Hütten wieder aufzubauen. Kommentatoren vermuten, dass Verteidigungsminister Ben-Elieser, der die Räumung angeordnet hat, innerparteilich (in der Arbeitspartei) Boden gut machen will gegenüber Kandidaten um den Parteivorsitz, die mit ihrem Friedenskurs eindeutig vor ihm liegen.

Am 29. Oktober wurde das neue Kabinett der palästinensischen Autonomiebehörde gewählt. 56 Abgeordnete stimmten für, 18 gegen den Personalvorschlag von Arafat. Das Kabinett soll bis zu den geplanten Wahlen am 20. Januar im Amt bleiben. Statt vorher 21 Minister, gehören dem Kabinett jetzt nur noch 19 Minister an. (Vor dem Juni, dem Datum der letzten Kabinettsumbildung, waren es noch 32 Minister gewesen.) Auffälligste Personaländerung: Der nur wenige Monate amtierende Innenminister Abdel Rasak Jehija wurde von Hani al-Hassan abgelöst. Hassan ist 65 Jahre alt und ist Mitbegründer der Fatah-Bewegung. Er verfügt über eine große Hausmacht. Er ließ vor sechs Monaten ein neues Manifest formulieren, in dem sich die Fatah von Attentaten gegen israelische Zivilisten distanziert (nicht aber von Aktionen gegen jüdische Siedler). Er plädiert für einen "zivilen Widerstand" gegen die Besatzung.

Die israelische Koalitionsregierung ist am 30. Oktober wegen des Streits um die Finanzhilfen für jüdische Siedler offenbar geplatzt. Alle Minister der Arbeitspartei reichten nach dem Scheitern von Kompromissverhandlungen ihren Rücktritt ein. Die Rücktritte werden nach 48 Stunden wirksam. Die beiden größten Regierungsparteien, der Likudblock Scharons und die Arbeitspartei von Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser, hatten sich zuvor vergeblich um einen Kompromiss in letzter Minute bemüht. Die Arbeitspartei konnte sich offenbar nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, dass auch die Finanzhilfen für jüdische Siedler in den Palästinensergebieten - gemäß den Kürzungen bei allen anderen Sozialausgaben - um 150 Millionen Dollar (152,7 Millionen Euro) gekürzt werden. Nach dem Bruch der Koalition könnte Scharon laut Armeerundfunk zunächst weiterregieren und sich dann zwischen zwei Optionen entscheiden: Entweder er trete an einem von ihm bestimmten Termin zurück; oder er lasse über Neuwahlen abstimmen, die dann binnen sechs Monaten abgehalten werden müssten. Eine neue Koalition mit rechtsextremen Parteien ist eine weitere Möglichkeit.

Am 30. Oktober brachte die Likud-Partei einen Gesetzentwurf ins Parlament ein, der die Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal weiter einschränkt. Israelis, die Informationen über israelische Menschenrechtsverletzungen in den Palästinensergebieten an das Tribunal weitergeben, sollen künftig mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden können. Nach einem Bericht der Tageszeitung Haaretz vom 30. Oktober soll allen Israelis verboten werden, "jegliche Informationen, sei es in Schriftform, Fotografien, Dokumente, Meinungen oder Berichte" an die Haager Richter weiter zu geben. Jede Gruppe, die dem Gericht solche Informationen beschaffen will, solle aufgelöst werden, heißt es in dem Entwurf. Der Gesetzentwurf richtet sich vor allem gegen die Friedensorganisation Gusch Schalom (Friedensblock). Diese hat es sich unter der Führung des Journalisten Uri Avneri zum Ziel gesetzt, Menschenrechtsverletzungen in den Palästinensergebieten anzuprangern. Avneri warf der Likud-Partei am Mittwoch vor, die Friedensaktivisten mundtot machen zu wollen. In einer Erklärung Avneris heißt es, die Regierung Scharon mache Israel durch das geplante Gesetz zum "internationalen Pariah (Unberührbaren)".

Am 31. Oktober begann Scharon mit Sondierungen zur Bildung einer neuen Regierung. Im Gespräch ist der ehemalige Armee-Chef Schaul Mofas als neuer Verteidigungsminister. Mofas ist als Hardliner bekannt, der gegen die Palästinenser einen noch härteren Kurs einschlagen will. Scharon bemüht sich auch um die Regierungsbeteiligung des ultranationalistischen Bündnisses "Nationale Union/Unser Haus Israel", die Verhandlungen mit den Palästinensern ablehnt und die Siedlungen ausbauen will.

Am 31. Oktober starben bei einer Explosion in einem Wohnhaus in der Stadt Gaza mindestens drei Menschen. Die Ursache der Explosion blieb zunächst im Dunkeln. - Im Wetsjordanland erschossen israelische Soldaten zwei Palästinenser sowie - bei Nablus - einen Geheimdienstoffizier der Fatah-Bewegung.


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