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Nahostkonflikt: Die Ereignisse ab Juli 2002

Zusammengestellt aus Agenturmeldungen

1. - 5. Juli 2002

Am 1. Juli berichtet die Netzeitung über verschiedene Rundfunk- und Fernsehsendungen vom Wochenende (29./30. Juni), in denen sich US-Außenminister Powell und Sicherheitsberaterin Condoleeza-Rice zur Lage im Nahen Osten äußerten. Von Powell hieß es, er habe nun auch in jeder Form mit Arafat gebrochen. Mit Arafat werde es keine Gespräche mehr geben. Den Palästinensern empfahl er, Im Januar nächsten Jahres Arafat nicht mehr zu ihrem Führer zu wählen. Ohne Wechsel an der PLO-Spitze seien "keine neuen Annäherungen zu erwarten".
Nach der gezielten Tötung des Hamas-Aktivisten Muhaned Taher kündigte Hamas neue Selbstmordattentate an. Premier Ariel Scharon sagte am 1. Juli, militante Palästinenser würden weiterhin gezielt getötet.

Am 2. Juli steht die palästinensische Autonomiebehörde vor dem Zusammenbruch. Außer Jericho sind alle größeren Städte der Westbank von israelischer Armee besetzt.
Am 3. Juli hielt die israelische Arbeitspartei ihren Partaitag ab. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Delegierten, die für einen Austritt aus der Regierung eintraten (z.B. Knesseth-Präsident Avraham Burg), und denjenigen, die in der Koalition beliben wollen (z.B. Verteidigungsminister und Labour-Chef Benjamin Ben-Elieser). Ben-Elieser setzte sich am Ende durch.

Palästinenserpräsident entließ am 3. Juli zwei seiner mächtigsten Polizeichefs. Die Entlassungen erfolgten wohl auf Wunsch des neuen Innenministers Ahmed Rasek Jechia. Einen Tag später (4. Juli) gab es indessen Verwirrung. Der eine Entlassene, Polizeichef in Gaza, Rasi Dschabali, sagte, er lasse sich nicht rausschmeißen, er nehme selbst seinen Hut. Der andere, Dschibril Radschoub, ein mächtiger Geheimdienstchef in der Westbank, widersetzte sich der Entlassung. Nach Angaben des palästinensischen Informationsministers Yassir Abed-Rabbo handele es sich bei der Entlassung Radschoubs ohnehin nur um ein Gerücht. Die Affäre ist noch nicht ausgestanden.
Am 4. Juli beschoss ein israelischer Panzer südlich von Nablus ein palästinensisches Taxi; dabei wurden sieben Menschen zum Teil schwer verletzt. Hintergründe des Angriffs wurden nicht bekannt.
Die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete, derzeit hätte Israels Armee keine Top-Terroristen mehr auf der Fahndungsliste für das Westjordanland. Anders sei es im Gazastreifen, wo das Netzwerk der Extremisten noch intakt sei.

Am Abend des 4. Juli explodierte in Gaza ein Auto. Dabei starb der 28-jährige Dschihad El Omarajne, der Al-Aksa-Führer im Gazastreifen. Auch sein Neffe und Nael Namera, ein Offizier der palästinensischen Sicherheitskräfte, kamen ums Leben. Das Auto, in dem die drei unterwegs waren, wurde bei der Detonation völlig zerstört. Die Brigaden machen für den Anschlag die israelische Armee verantwortlich. Nach ihrer Darstellung wurde El Omarajne gezielt ermordet. Dafür haben sie Rache geschworen. Von der israelischen Armee gab es keinen Kommentar zu den palästinensischen Vorwürfen. An der Beerdigung El Omarajnes am 5. Juli nahmen nach Angaben der Agentur AFP 30.000 Palästinenser teil. Die Teilnehmer forderten in Sprechchören Rache an Scharon.

6. - 9. Juli 2002

Am 7. Juli kam es zu Protesten gegen die Entscheidung Arafats, den Chef der palästinensischen Sicherheitskröfte Dschibril Radschub zu entlassen. Auch rund 200 Sicherheitsoffiziere lehnten es ab, den von Arafat zu Radschubs Nachfolger ernannten Suher Manasra anzuerkennen.

Ebenfalls am 7. Juli legte die Autonomiebehörde ein neues Grundgesetz vor. Es handelt sich laut Aussage des palästinensischen Justizministers um das "Kerngebilde für eine dauerhafte Verfassung".
Nach Angaben eines palästinensischen Arztes starben am 7. Juli im Gazastreifen eine Mutter und ihre zweijährige Tochter in israelischem Panzerfeuer. Die israelische Armee dementierte, in der Gegend geschossen zu haben. - Im Süden des Gazastreifens starb ein 45-jähriger Palästinenser, als israelische Soldaten das Feuer auf ein Wohngebiet eröffneten.
Im Norden des Gazastreifens wurde die jüdische Siedlung Dogit von Palästinensern mit Granaten beschossen.

Ägypten will den Friedesnprozess im Nahen Osten wieder in Gang bringen, sagte der ägyptische Außenminister Achmed Maher. Zu diesem Zweck sollen zwei Unterhändler nach Israel und in die palästinensischen Autonomiegebiete entsandt werden. Nach einem Gespräch mit Syriens Präsident Baschar al-Assad in Damaskus sagte der französische Außenminister, nur eine politische Lösung könne der Region dauerhaft Frieden bringen. Er setzte sich für die baldige Einberufung einer Nahostkonferenz ein, wie sie vor einiger Zeit von den USA vorgeschlagen (inzwischen aber wieder auf Eis gelegt) wurde.

Das israelische Kabinett billigte am 8. Juli eine Gesetzesvorlage, nach der Land im Staatsbesitz nur noch Juden zur baulichen Nutzung überlassen werden darf. Nicht-Juden, in erster Linie also Araber, aber auch Christen wären damit offiziell vom Hauserwerb auf staatlichem Land ausgeschlossen. Israel verstößt damit gegen die internationale Konvention gegen rassistische Diskriminierung, die es 1979 ratifiziert hatte. Den Antrag hatte Erziehungsministerin Limor Livnat von Likud eingebracht. Bei der Abstimmung im Kabinett waren die Minister der Arbeitspartei nicht dabei. Im Nachhinein kritisierten sie die Vorlage als "rassistisches Gesetz" (Außenminister Peres). Als einziger Minsiter stimmte im Kabinett der liberale Dan Meridor (Zentrum) gegen die Vorlage. Er sorgte sich: "Was sagen wir denn künftig zur Gleichsetzung von Zionismus und Rassismus?"

Verwirrung herrschte am 8. Juli auch wegen der angeblich bevorstehenden Entlassung von Taufik Tiraui, dem Geheimdienstchef im Westjordanland. Ein Berater von Arafat sagte, dies sei ein Gerücht und gehöre zu einer israelischen Kampagne zur Verwirrung der palästinensischen Bevölkerung.
Neue Gerüchte gab es auch um den entlassenen Sicherheitschef Dschibril Radschoub. Arafat soll ihm den Posten eines persönlichen Beraters oder des Vize-Innenministers angeboten haben. Auch heißt es, Radschoub wolle Arafats Nachfolger werden wollen.

Israelische Polizei hat am 9. Juli die Hauptverwaltung der Ostjerusalemer Al-Kuds-Universität gestürmt und das Büro des Dekans Sari Nusseibeh besetzt. Nusseibeh fungiert als PLO-Repräsentant iin Jeruslalem. Er befand sich zum Zeitpunkt der Besetzung auf einer Konferenz in Griechenland. Die Polizei konfiszierte 70 Kartons mit Aktenmaterial. Nusseibeh hatte vor kurzem einen Aufruf initiiert, der sich gegen palästinensische Selbstmordattentate richtet.
Premierminister Scharon gab seinem Außenminister Peres grünes Licht zu Verhandlungen mit zwei neuen Mitgliedern der Atonomiebehörde. Peres traf sich am 9. Juli mit dem Innenminister Abdel Rasak und dem Finanzminister Salem Fayyed. Es sollten humanitäre und Sicherheitsfragen erörtert werden.
US-Präsident lobte am 9. Juli die Palästinenser für Fortschritte bei den von ihm verlangten Reformen. Die USA dringen auf die Freigabe von mindestens 10 Prozent jener 500 Mio EURO Steuern, die Israel den Palästinensern vorenthält.

10. - 16. Juli 2002

Arafat ernannte am 10. Juli den Ex-Geheimdienstchef Mohammed Dachlan zu seinem Berater für nationale Sicherheit. Damit wurden Gerüchte widerlegt, Arafat wollte den entlassenen Geheimdienstchef Dschibril Radschoub zu seinem Sicherheitsberater machen.
Die Al-Aksa-Brigaden bekannten sich zu einem Überfall auf eine israelische Militärpatrouille, bei dem ein israelischer Soldat getötet wurde.
In Nablus wurde ein palästinensischer Jugendlicher tödlich getroffen, als israelisches Militär das Feuer auf eine Gruppe Steine werfender Jugendlicher eröffnete.

Am 11. Juli berichtete die Frankfurter Rundschau von einem neuen Papier aus dem Berliner Außenministerium, das einen Drei-Phasen-Plan bis zur Gründung eines Palästinenserstaates enthält. Das Papier sei dem Nahost-"Quartett" (USA, Russland, UN, EU) zugeschickt worden. Der Plan besteht aus folgenden Schritten: In einer ersten "Notstandsphase" soll Arafat einen Premierminister ernennen, der für Anfang 2003 freie Wahlen vorbereiten, den Aufbau demokratischer Behörden vorantreiben, für mehr Sicherheit sorgen und bessere Voraussetzungen für internationale Hilfe schaffen soll. In Phase zwei - im Jahr 2003 - soll ein Verfassungskonvent stattfinden und es sollen Statusverhandlungen mit Israel und den arabischen Nachbarstaaten über einen provisorischen Staat stattfinden. In der Phase drei ("Endphase") soll - bis 2005 - eine dauerhafte Lösung gefunden werden. Begleitet werden sollte der ganze Prozess von einem internationalen "Kontrolleur". Das einzig Neue an dem Fischer-Plan ist die "Notstandsphase" mit der Ernennung eines Premierministers. Die FR vermutet, dass damit den USA und Israel eine diplomatische Brücke gebaut würde, nachdem beide Arafat nicht mehr als Gesprächspartner akzeptieren. Gleichzeitig signalisiert der Plan auch ein Abrücken von Arafat.

In der Nacht vom 10. Zum 11. Juli nahm die israelische Armee den Sicherheitschef der Leibgarde von Arafat, Abdelrahim el Nubani, fest. Eine Eliteeinheit war mit zwei Panzern in den Wohnort Nubanis nördlich von Ramallah eingedrungen.
Erstmals seit ihrem Rückzug vor zwei Jahren drang israelisches Militär wieder kurzzeitig in Süd-Libanon ein. Einzelheiten wurden nicht genannt.
Am 11. Juli gab ein Sprecher des israelischen Justizministeriums bekannt, dass der im April 2002 verhaftete Fatah-Führer Marwan Barghouti nicht vor ein Militärgericht, sondern vor ein Zivilgericht gestellt werden soll.
Am 11. Juli legte amnesty international (ai) in Gaza-Stadt einen Bericht vor, in dem die palästinensischen Selbstmordanschläge auf israelische Bürger als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt werden. Die palästinensische Regierung wird aufgefordert, die Angriffe auf israelische Zivilisten einzustellen und die Veranwtortlichen vor Gericht zu stellen.

Am 11. Juli machte der EU-Ratsvorsitzende, der dänische Außenminister Per Stig Moeller, Vorschläge zu einer neuen Initiative für den Nahen Osten. Der Plan sieht vor, Schritt für Schritt "freie, faire und ruhige Wahlen" vorzubereiten. Dazu sei der Rückzug der israelischen Truppen notwendig. Der israelische Außenminister Schimon Peres hat die Initiative begrüßt und versichert, dass Israel zur Mitarbeit bereit sei.
Der neue Generalstabschef der israelischen Armee heißt Mosche Yaalon. Er löst seinen Vorgänger Schaul Mofas ab. An den militärische Operationen wird sich nichts ändern. Mosche Yaalon steht voll hinter der begonnenen Operation "Entschlossener Pfad", in deren Verlauf die sieben Westbank-Städte wieder besetzt wurden.

Ein palästinensischer Polizist und ein 13-jähriger Junge sind bei einem israelischen Angriff auf eine Polizeistation im Gazastreifen am 12. Juli getötet worden. Am selben Tag erlag ein palästinensischer Journalist in Dschenin seinen Verletzungen; er war am Vortag bei Auseinandersetzungen angeschossen worden.
Israelischen Zeitungsberichten zufolge soll die Besetzung der palästinensischen Städte noch ein halbes Jahr lang andauern.
Am 12. Juli wurde bekannt, dass zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz Verhandlungen stattfänden, die einen Gefangenenaustausch zum Ziel haben: Marwan Barghouti soll gegen den im Jahr 2000 entführten Israeli Elhanan Tennenbaum freigelassen werden. Außerdem sollen rund 100 gefangene Hisbollah-Kämpfer freigelassen und die Leichen mehrerer getöteter Hisbollah-Kämpfer übergeben werden. Im Gegenzug sollen die Leichen von drei entführten und getöteten Israelis übergeben werden. Nach Angaben der Hisbollah sollen die Verhandlungen durch deutsche Vermittlung zustande gekommen sein.

Am 13. Juli wurde die Ausgangssperre, die über die palästinensischen Städte im Wetsjordanland verhängt ist, für einige Stunden aufgehoben. Die Menschen in Bethlehem, Tulkarem, Schenin und Hebron durften ihre Häuser verlassen und sich mit Lebensmitteln versorgen.
Der Gesetzentwurf, wonach nur noch Juden staatliches Land in Israel erwerben dürfen, ist von der israelischen Regierung wieder auf Eis gelegt worden. Scharon verfügte am 14. Juli, den Entwurf an einen Ausschuss zu überweisen, der die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes prüfen solle. Scharon wird mit den Worten zitiert, es sei "nicht richtig, dies zu einem Gesetz zu machen, wenn wir nicht sicher sind, dass es absolut notwendig ist". Gegen den Gesetzentwurf, der am 8. Juli das Kabinett passiert hatte, gab es aus dem In- und Ausland zahlreiche Proteste.

In der Nacht vom 13. auf den 14. Juli schossen Palästinenser mehrere Mörsergranaten auf die jüdische Siedlung Newe Dekalim ab. Am 14. Julin griffen israelische Kampfjets ein Gebäude im Süden des Gazastreifens an, wobei mehrere Menschen verletzt wurden. Während eines Gerichtsprozesses gegen einen mutmaßlichen palästinensischen Kollaborateur wurde dieser von palästinensischen Kämpfern getötet. Er war beschuldigt worden, Israel mit Infromationen versorgt zu haben, die zur Tötung von fünf Hamas-Mitgliedern beigetragen hätten.
Am 15. Juli rückten israelische Panzer in den palästinensischen ort Beit Lahija im nördlichen Gazastreifen ein. Nach plästinensischen Angaben wurde dabei ein 17-jähriger Palästinenser erschossen.
Bei einer Demonstration in Gaza am 15. Juli forderten etwa 2.000 Palästinenser grundlegende Reformen der Autonomiebehörde. Außerdem forderten sie Arbeitsplätze. Vor der Intifada pendelten rund 120.000 Palästinenser aus den Autonomiegebieten täglich nach Israel.

Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak hat es am Vorabend einer arabischen Konferenz in New York für einen "großen Fehler" eingeschätzt, Arafat isolieren zu wollen. Die Konferenz soll am 16. Juli stattfinden und einen neuen Friedensplan für den Nahen Osten beraten.

Bei einem Attentat im Westjordanland sind am 16. Juli mindestens sieben Israelis getötet worden. Ein palästinensisches Kommando hatte einen Bus in der Nähe der jüdischen Siedlung Emanuel angegriffen und dann das Feuer aus Maschinengewehren auf die flüchtenden Menschen eröffnet.
Das Attentat überschattete das Treffen des sog. Nahost-Quartetts am selben Tag. Die Vertreter der UNO, der USA, Russlands und der EU wollten über das weitere Schicksal Arafats sprechen. Die USA stehen mit ihrer Haltung, eine Friedenslösung sei nur ohne Arafat möglich, allein. Vielleich zeichnet sich ein "Kompromiss" ab, wonach Arafat künftig nur noch repräsentative Aufgben übernehmen würde, während ein neu gewähltes Parlament einen "unabhängigen" Regierungschef bestimme. (Der Chronist erlaubt sich an der Stelle die Frage, wovon ein palästinensischer Regierungschef "unabhängig" sein soll: Von Arafat? Von den Palästinensern? )

17.-21. Juli 2002

Bei der Besichtigung des Tatorts des palästinensischen Anschlags vom Vortag, bei dem acht Israelis getötet worden waren, erklärte Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser am 17. Juli, Israel werde sich auf absehbare Zeit nicht aus den besetzten palästinensischen Städten zurückziehen. Die israelische Militärpräsenz sei "äußerst wichtig" und habe zu einer deutlichen Reduzierung der Anschläge geführt. Ben-Elieser stellte eine Soforthilfe von umgerechnet 25 Mio. Euro in Aussicht, mit der die rund 150 jüdischen Siedlungen im Westjordanland vor palästinensischen Angriffen besser geschützt werden sollten. Am Morgen des 17. Juli lieferten sich israelische Soldaten in der Nähe von Nablus ein Gefecht mit den mutmaßlichen Attentätern. Einer von ihnen wurde getötet, zwei andere konnten entkommen. Ein israelischer Soldat wurde ebenfalls getötet.

Während Ariel Scharon den Palästinenserpräsident Arafat für den Anschlag verantwortlich machte, erkärte dieser, er werde "mit Sicherheit" bei den im kommenden Jahr stattfindenden Wahlen zum Vorsitzenden der Autonomiebehörde kandidieren.
Kabinettsminister Nabil Schaath sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AP, Arafat denke über die Ernennung eines Ministerpräsidenten im Fall seiner Wahl nach.

Die Verhandlungen des sog. Nahost-Quartetts in New York verliefen ergebnislos. Die USA konnten sich gegenüber UN, EU und Russland nicht mit ihrer Absicht durchsetzen, Arafat völlig fallen zu lassen. Vielmehr betonten diese, falls Arafat im Januar wiedergewählt würde, müsste dies von der internationalen Staatengemeinschaft akzeptiert werden.
In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli haben sich zwei Palästinenser im Süden Tel Avivs kurz hintereinander in die Luft gesprengt und dabei einen Israeli und zwei Gastarbeiter in den Tod gerissen. Über 30 Passanten wurden verletzt.

Am 19. Juli nahm die israelische Armee im Westjordanland zahlreiche Familienangehörige von palästinensischen Selbstmordattentätern in der Absicht fest, sie in den Gazastreifen abzuschieben. Nach einer Meldung des israelischen Rundfunks prüfe die Generalstaatsanwaltschaft in Jerusalem, ob eine solche Ausweisung rechtens sei. Außenminister Peres befürwortet die Ausweisung, "falls es gesetzlich erlaubt ist". Ähnliche Ausweisungen hatte Israel schon während der ersten Intifada (1987-1993) vorgenommen - auch damals gegen massive internationale Proteste. Nach der Menschenrechtskonvention sind Ausweisungen verboten. Einwände gegen die Ausweisungen kamen aus den USA. Außenamtssprecher Richard Boucher sagte, solche Aktionen könnten Israels Sicherheitsprobleme nicht lösen. Die USA würden das Thema mit Israel erörtern. Die palästinensische Autonomiebehörde bezeichnete die geplanten Abschiebungen als "rassistisch" und "illegal". Protest kam auch von der EU und von UN-Generalsekretär Kofi Annan (SZ, 22.07.2002).
Ein Treffen der Außenminister Jordaniens, Saudi-Arabiens und Ägyptens mit US-Präsident Bush und US-Außenminister Colin Powell ist in der Nacht zum 19. Juli mit dem Bekenntnis beendet worden, dass innerhalb von drei Jahren ein eigenständiger Palästinenser-Staat geschaffen werden solle. Am Rande der Konferenz gab Powell bekannt, dass der CIA-Direktor George Tenet an einem neuen "Tenet-Plan" arbeite. Der sehe u.a. die Anwesenheit ägyptischer und jordanischer Sicherheitskräfte in den Palästinenserstädten vor, berichtete der österreichische "Standard" (20./21.07.2002).

Seit Tagen wird in israelischen Zeitungen berichtet, dass palästinensische Attentäter Waffen und Munition von jüdischen Siedlern gekauft hätten. In den vergangenen Monaten seien 60.000 Stück Munition aus Militärdepots entwendet und an Palästinenser verkauft worden sein. Bisher seien sechs Reservesoldaten verhaftet worden sein; vermutlich sind aber viel mehr Soldaten in den Skandal verwickelt. (SZ, 20./21.07.2002)
Am 20. und 21. Juli kam es zu neuen Gesprächen zwischen dem israelischen Außenminister Schimon Peres und einer palästinensischen Delegation unter Führung von Kabinettsminister Saeb Erekat. Peres soll Rundfunkberichten zufolge den Palästinensern Erleichterungen in Aussicht gestellt haben. Ein Rückzug aus den Palästinenserstädten wurde für den Fall angekündigt, dass es keine Anschläge mehr gäbe. Die Palästinenser forderten Israel auf, sich aus den Autonomiegebieten zurückzuziehen. Die Behörde könne keine Terroranschläge verhindern, solange Israel das Gebiet kontrolliere. Auch wurde die Freigabe von Steuergeldern verlangt, die Israel nach wie vor zurück halte.
Wenige Stunden nach den Gesprächen am 21. Juli wurde ein Anschlag auf einen Eisenbahnzug bei Rehowot gemeldet. In dem Zug saßen viele israelische Soldaten. Verletzt wurde nur der Lokomotivführer.
In der Abschiebungsaffäre haben sich die israelischen Behörden verpflichtet, die Betroffenen 12 Stunden im voraus darüber zu informieren. So hätten sie die Möglichkeit, gegen die Ausweisung noch Einspruch beim Obersten Gerichtshof einzulegen, verlautete aus Gerichtskreisen. Generalstaatsanwalt Eljakim Rubinstein hatte am Wochenende (20./21.07.) erklärt, Abschiebungen seien möglich, wenn die Angehörigen den Attentäter "ermutigt" oder einen "direkten Bezug" zur Tat hätten (FR, 22.07.2002)
Am 21. Juli stoppte der Oberste Gerichtshof die geplante Zerstörung zweier palästinensischer Wohnhäuser im Westjordanland. Begründung: Den Bewohnern sei keine Gelegenheit zu einer Stellungnahme und einem Einspruch gegeben worden.


22.-26. Juli 2002

Am 22. Juli berichtete die israelische Tageszeitung Haaretz über einen Plan der palästinensischen Autonomiebehörde, wonach an ein Ende der 23-monatigen Intifada gedacht wird. Diesen Plan habe der palästinensische Innenminister Abdel Rasak Jechia Israels Außenminister Schimon Peres vorgelegt. Neu geordnete palästinensische Sicherheitskräfte sollen danach illegale Waffen einsammeln und mutmaßliche Terroristen verhaften. Und die palästinensischen Medien sollten eine Kampagne gegen Terror und Gewalt führen. Gekoppelt sei der Plan an einen vollständigen Rückzug israelischer Truppen aus den sieben palästinensischen Autonomiestädte.
Der geistliche Führer der Hamas, Scheich Achmed Jassin stellte am 22. Juli im Gazastreifen ein Ende der Selbstmordattentate in Aussicht, falls Israel seine Truppen zurückziehe sowie Liquidierungen und Häuserzerstörungen unterlasse.
Der palästinensische Kommunalminister Saeb Erekat bezeichnete am selben Tag die Lage in den Palästinensergebieten als "katastrophal". 45 Prozent der Kinder seien unterernährt, sagte er unter Verweis auf eine noch nicht veröffentlichte US-Studie.
Israel hat die Wiedereröffnung des vor zwei Wochen geschlossenen Büros des Präsidenten der palästinensischen Al-Kuds-Universität, Sari Nusseiba, zugelassen. Nusseiba musste sich schriftlich verpflichten, keine politischen Treffen in seinen Büroräumen mehr abzuhalten.

Zwei Palästinenser sind bei einer Schießerei im Gazastreifen am 22. Juli von israelischen Soldaten getötet worden.
In einer Rede zum 50. Jahrestag der ägyptischen Revolution (23. Juli 1952) forderte der ägyptische Präsident Hosni Mubarak am 22. Juli Israel auf, die historische Chance für ein Ende des Nahostkonflikts zu ergreifen. Die derzeitige "Unterdrückungspolitik" Israels erzeuge nur immer mehr Hass auf den jüdischen Staat.
Die EU-Außenminister wenden sich gegen die von Israel beabsichtigten Ausweisungen unbeteiligter Familienmitglieder palästinensischer Extremisten. Die EU-Minister berieten in Brüssel über das Treffen des Nahost-Quartetts in der vergangenen Woche in New York.

Am 23. Juli berichtet die Frankfurter Rundschau auf der Titelseite über eine Studie der US-Agentur für Internationale Entwicklung (USAID), in der die katastrophale Lage in den Palästinensergebieten beschrieben wird ("Schon Fünfjährige leiden in den Palästinensergebieten an Blutarmut"). Wir haben die wichtigsten Ergebnisse der Studie schon vor einer Woche in Deutsch und Englisch auf unserer Homepage veröffentlicht: Humanitäre Katastrophe in Palästina.

In der Nacht zum 23. Juli beschossen israelische Kampfflugzeuge ein Wohnhaus in Gaza-Stadt. Dabei starben 15 Palästinenser, unter ihnen acht Kinder. Der Angriff galt einem Hamas-Führer, Salach Schehade, der den militärischen Flügel von Hamas ("Issidin al Kassam") leitete und von Israel für zahlreiche Anschläge verantwortlich gemacht wurde. Israels Premier sprach im Anschluss an die Aktion von einem "der größten Erfolge" der israelischen Armee; gleichzeitig bedauerte er die Tötung unschuldiger Zivilisten. Das Verteidigungsministerium behauptete nicht gewusst zu haben, dass sich in dem Wohnhaus Zivilisten befänden. Palästinenserpräsident Arafat sprach von einem "Blutbad", das die Gewalt weiter anheizen würde. Seine Behörde, so Arafat weiter, sei gerade dabei gewesen, ein Abkommen mit Hamas zu unterzeichnen, in dem sich die Organisation zur Einstellung von Anschlägen gegen Israelis verpflichten wollte. Dieses Abkommen sei nun zunichte gemacht worden. - Verurteilt wurde die Tat (einen Tag später stieg die Zahl der Opfer auf 17) - auch vom Ausland. Für die EU kritisierte der außenpolitische Beauftragte Javier Solana vor allem den Zeitpunkt: Er käme gerade in dem Moment, in dem sich Israel und Palästina ernsthaft um eine Eindämmung der Gewalt bemühten. Die dänische EU-Präsidentschaft nannte die Militäraktion "völlig inakzeptabel". Bundesaußenminister Fischer erklärte, die Bundesregierung sei "entsetzt" über den Angriff. UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte, Israel sei verpflichtet, "alles zu tun, um den Verlust unschuldigen Lebens zu vermeiden". Mit dem Raketenangriff auf das Wohnhaus habe Israel gegen dieses Credo klar verstoßen. US-Präsident Bush rügte den Angriff als eine "überzogene Aktion". - Auch in Israel selbst blieb die Aktion nicht unumstritten. Oppositionsführer Jossi Sarid (Meretz) bezeichnete zwar Schehades Tod als verdient, den Zeitpunkt des Angriffs aber als unglücklich. Außerdem dürfe Israel keine Zivilisten töten. Kritik gab es selbst von Ultra-Rechts. So kritisierte z.B. Benny Elon (Moledet) die Armee, weil sie die zivilen Bewohner nicht rechtzeitig gewarnt habe. Vize-Verteidigungsministerin Dalia Rabin-Pelesoff von der Arbeitspartei und Tochter des ermordeten früheren Premiers Rabin trat aus Protest gegen die Politik Scharons von ihrem Amt zurück.

Die Washington Post berichtete am 24. Juli, eine Vereinbarung zwischen der palästinensischen Autonomiebehörde und verschiedenen palästinensischen Militärorganisationen, insbesondere Hamas, sei vor dem israelischen Angriff auf das Wohnhaus in Gaza-Stadt praktisch unterschriftsreif gewesen und hätte am 24. Juli in israelischen und palästinensischen Zeitungen veröffentlicht werden sollen. Jetzt sei das vorgesehene Abkommen nur noch "Altpapier".

Die Frankfurter Rundschau berichtet am 25.Juli über eine Repräsentativumfrage (Basis: 4.000 Telefoninterviws) unter jüdischen Siedlern in Westbank und Gaza, wonach eine Mehrheit von ihnen bereit wäre, die Siedlungen aufzugeben. Die Untersuchung wurde von Peace Now (Schalom Achschaf) in Auftrag gegeben. 68 Prozent der Befragten würden es akzeptieren, wenn sich die Regierung für eine Räumung entschiede. 59 Prozent wünschten eine angemessene finanzielle Entschädigung in so einem Fall. 26 Prozent würden eine Räumungsentscheidung juristisch anfechten. Nur zwei Prozent seien entschlossen, sich der Räumung auch unter Einsatz von Gewalt zu widersetzen.

Am 25. Juli gab der israelische Außenminister Peres bekannt, Israel wolle nun doch einen Teil der seit Monaten ausstehenden Zahlungen an die Palästinenserbehörde auszahlen. Rund 400 Mio. Dollar sind derzeit eingefroren. Sie stammen aus Schutzzöllen, die Israel über palästinensische Exportprodukte verhängt, sowie aus Einkommen palästinensischer Arbeiter, die in Israel Einkommensteuer zahlen. Laut dem Vertrag von Oslo ist Israel verpflichtet, diese Einnahmen an die Autonomiebehörde abzuführen. Seit 22 Monaten (Beginn der Intifada) hält Israel das Geld zurück. Nun sagte Peres für die nächste Woche die Zahlung von 42 Mio. Dollar zu. Damit wolle man dem neuen palästinensischen Finanzminister Salam Fajad eine "Chance geben". Israelische Zeitungen berichteten, dass die USA großen Druck auf Israel ausgeübt hätten, um die Zahlungen vorzunehmen. Die USA betrachten offenbar Fajad als einen neuen Hoffnungsträger und möglichen Nachfolger Arafats. Außerdem wird die humanitäre Katastrophe in den Palästinensergebieten immer bedrohlicher. Der US-Botschafter in Tel Aviv, Dan Kurtzer, rief Isreal dazu auf, die Blockade der Palästinenserstädte zu lockern, damit die Bewohner wieder einer Arbeit nachgehen können.

In der Nacht zum 25. Juli beriet der UN-Sicherheitsrat über den israelischen Luftangriff in Gaza-Stadt vom 23. Juli, bei dem neben dem Hamas-Führer Salah Schehade 17 Zivilisten getötet und 170 verletzt worden waren. (Anm.: In den Zeitungen wird andauernd die Zahl von 14 getöteten Zivilisten verbreitet; diese Zahl war unmittelbar nach dem Angriff bekannt gegeben worden. Einen Tag später erhöhte sich die Zahl der in Folge des Angriffs Getöteten auf 17.) Alle Vertreter des UN-Sicherheitsrats nannten die Militäraktion inakzeptabel. Zu einer Verurteilung Israels in Form einer UN-Resolution kam es indessen wegen des Vetos der USA nicht.
Die israelische Regierung gab bekannt, dass der am 23. Juli getötete Hamas-Führer Schehade ein Attentat beispiellosen Ausmaßes geplant haben soll, bei dem Hunderte getötet worden wären.
Die Gewalttaten gehen weiter. Am 25. Juli wurde im Westjordanland ein israelischer Siedler getötet und ein zweiter durch Schüsse verletzt. Fünf Menschen wurden verletzt, als ein palästinensischer Bus über eine am Straßenrand gelegte Bombe fuhr. Der Sprengsatz sei vor Monaten gelegt worden und hatte israelischen Panzern gegolten.
Am 26. Juli wurden in Gaza-Stadt drei Gebäude gesprengt; vier Palästinenser wurden verletzt. Nach Angaben der israelischen Armee, befanden sich in ihnen Werkstätten, in denen Raketen produziert wurden. Der Besitzer der Häuser sagte, von Raketenwerkstätten wisse er nichts.
Wenige Stunden später schlug eine Panzerabwehrrakete in einen israelischen Bus ein; zu Schaden kam niemand.
In Kalkilja wurde bei einer Razzia gegen "militante" Palästinenser ein Mann von einer "verirrten Kugel" getötet.
Ebenfalls am 26. Juli wurden vier jüdische Siedler bei Hebron aus einem Hinterhalt heraus erschossen. Zu dem Anschlag bekannten sich die Al-Aksa-Brigaden.

27.-31. Juli 2002

Die israelische Armee verstärkte am 27. und 28. Juli ihre Durchsuchungsaktionen nach palästinensischen "Extremisten" in der Nähe von Hebron. Hier werden die Attentäter vom 26. Juli gesucht.
Im östlichen Grenzgebiet zum Libanon kam es am 28. Juli zu einem Gefecht zwischen israelischen Soldaten und der pro-iranischen Hisbollah-Miliz. Überhaupt ist die Zahl der bewaffneten Zwischenfälle im Grenzgebiet in den letzten Wochen stark angestiegen. Israel hatte sich 2000 aus Südlibanon zurückgezogen. Die Hisbollah erkennt aber die von den UN empfohlene Grenzziehung im Dreiländereck Israel-Syrien-Libanon nicht an.
Nach der Beisetzung eines israelischen Soldaten in Hebron griffen jüdische Siedler am 28. Juli Palästinenser an (diese hatten zuvor den Trauerzug mit Steinen beworfen). Dabei wurde ein 14-jähriger Junge durch einen Kopfschuss getötet. Sechs weitere Palästinenser wurden verletzt.

In einem SPIEGEL-Interview (29.07.2002) äußerte der israelische Außenminister Peres Zweifel, ob Scharon noch ein Partner für den Frieden sei. Der Raketenangriff auf den Hamas-Kommandanten Schehadeh, bei dem 17 Menschen starben, sei ein "hundertprozentiger Fehler" gewesen. Peres wolle aber die Koalition fortsetzen.
Am 29. Juli kündigte der israelische Verteidigungsminister Ben-Elieser für die nächsten Tage Sicherheitsgespräche mit der palästinensischen Seite an. Zugleich gab Israel bekannt, von seiner Steuerschuld in Höhe von 420 Mio. Euro zunächst 15 Mio. an die Autonomiebehörde auszahlen zu wollen. Auch sollen die Ausgangsbeschränkungen reduziert werden. 12.000 Palästinenser sollen wieder eine Arbeitsgenehmigung für Israel erhalten. Die Palästinenserbehörde sprach dagegen von einem "Ablenkungsmanöver". Die Besatzung bleibe in vollem Umfang aufrecht.

Palästinensische Attentäter haben am 30. Juli im Westjordanland und in Jerusalem zwei Israelis getötet und mindestens sieben Passanten verletzt.
Die EU will künftig die Vergabe direkter Finanzhilfen an die palästinensische Autonomiebehörde an strengere Auflagen binden, berichtete am 31. Juli die Frankfurter Rundschau. Die Palästinenserverwaltung muss ab dem 1. August 2002 detailliert Rechenschaft über ihre sämtlichen Ausgaben ablegen. Auf diese Weise will die EU-Kommission sicherstellen, dass die monatlichen Zuwendungen in Höhe von 10 Mio. Euro nicht zweckentfremdet werden.

Bei einem schweren Bombenanschlag in einer Cafeteria der Hebräischen Universität in Jerusalem sind am 31. Juli sieben Menschen getötet und mehr als 80 verletzt worden. Hamas bekannte sich zu dem Anschlag und sprach von einer Vergeltungsaktion für den israelischen Angriff vom 23. Juli. Die palästinensische Autonomiebehörde verurteilte die Tat.


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