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Dezember 2009

Chronologie der Ereignisse


Dienstag, 1. Dezember, bis Sonntag, 6. Dezember
  • Ein Vorschlag der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft, Ost-Jerusalem zur Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates zu machen, hat in Israel für Verstimmung gesorgt. Der Vorschlag beeinträchtige "die Fähigkeit der Europäischen Union, sich als wichtiger Vermittler an dem politischen Prozess zwischen Israel und den Palästinensern zu beteiligen", erklärte das israelische Außenministerium am 1. Dezember. Laut einem von Schweden verfassten Papier, das AFP vorliegt, soll sich die EU einsetzen für einen "lebensfähigen Palästinenserstaat, der das Westjordanland und den Gazastreifen umfasst, mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt". Rund die Hälfte der 27 EU-Mitgliedstaaten sei mit diesem Entwurf jedoch nicht einverstanden, verlautete aus Diplomatenkreisen in Brüssel. Es sei unwahrscheinlich, dass der Text so bleibe. Vielmehr könnte er verändert oder gar zurückgezogen werden. Nach Angaben eines Diplomaten hatte Schweden die israelische Regierung bereits vor knapp zwei Wochen verstimmt. In einer Erklärung zum israelischen Siedlungsbau hatte die EU-Ratspräsidentschaft gefordert, "dass eine Lösung gefunden werden muss, um den Status von Jerusalem als Hauptstadt beider Staaten zu klären". Auch in einer Diskussionsvorlage Schwedens für das EU-Außenminister-Treffen am 8. Dezember wird Jerusalem als "Hauptstadt zweier Staaten", also Israels und eines künftigen Palästinenserstaates, bezeichnet. In Ost-Jerusalem lieferten sich unterdessen Palästinenser und israelische Siedler eine Schlägerei. Wie ein AFP-Reporter berichtet, wurden mindestens zwei Siedler verletzt, bevor die Polizei die Schlägerei um ein von Palästinensern bewohntes Haus beendete. Im Zuge eines Rechtsstreits hatten israelische Siedler das Haus bereits Anfang November kurzzeitig besetzt.
  • Israel will nach dem angekündigten zehnmonatigen Baustopp die Siedlungen in den Palästinensergebieten weiter ausbauen. Man werde nach Ende des Moratoriums weiterbauen, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach Angaben des israelischen Online-Dienstes «ynet» am 1. Dezember. Der Baustopp sei «vorübergehend und einmalig». Außerdem will Netanjahu das Moratorium nicht für den besetzten arabischen Ostteil Jerusalems geltenlassen. Zudem gibt es zahlreiche Ausnahmen.
  • BND-Chef Ernst Uhrlau hat einer arabischen Zeitung (vom 6. Dezember) zufolge den seit mehr als drei Jahren von der Hamas im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Soldaten Gilad Schalit besucht. Laut der in London ansässigen und in mehreren arabischen Ländern erscheinenden Zeitung "Al Hayat" reiste der BND-Chef in der vergangenen Woche in Begleitung von vier französischen Ärzten von Ägypten aus in das von der radikalislamischen Hamas kontrollierte Palästinensergebiet. Uhrlau und die Mediziner hätten Schalit dann an einem geheimen Ort besuchen können, berichtete das Blatt unter Berufung auf "zuverlässige Quellen". Schalit war im Juni 2006 durch ein palästinensisches Kommando im Süden Israels entführt worden. Die Hamas verlangt, dass Israel hunderte Gefangene im Austausch für den jungen Soldaten freilässt.
  • Die radikal-islamische Hamas hat Israel eine 48-stündige Frist zur Zustimmung zum Austausch von mehreren hundert palästinensischen Gefangenen gegen den vor über drei Jahren verschleppten israelischen Soldaten Gilad Schalit gesetzt. Im arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira sagten Hamas-Vertreter am Abend des 6. Dezember, dass die nächsten 48 Stunden «entscheidend» für eine Einigung zum Gefangenenaustausch sein würden. Die vorgeschlagenen Details dazu würden der israelischen Seite vom deutschen Vermittler Ernst Uhrlau übermittelt, er werde Anfang der Woche mit der Antwort im Gazastreifen zurück erwartet.
Montag, 7. Dezember, bis Sonntag, 13. Dezember
  • Im Streit der EU-Staaten um den Status Ost-Jerusalems hat Luxemburg für eine Zuordnung zum angestrebten Palästinenserstaat plädiert. "Wir sagen ja alle, dass Ost-Jerusalem besetzt ist - und wenn es besetzt ist, gehört es nicht zu Israel", sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn am 7. Dezember vor einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel. "Ich verstehe nicht, dass Israel nicht anerkennt, dass Palästina aus Westbank, Gaza und Ost-Jerusalem besteht."
  • In Briefen an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) haben frühere deutsche Spitzendiplomaten eine entschlossenere Haltung gegen die israelische Siedlungspolitik angemahnt. «Israel wird nicht darauf hoffen können, sowohl den Frieden zu gewinnen als auch die palästinensischen Territorien zu behalten», heißt es in einem Positionspapier der Gruppe, über das die «Süddeutsche Zeitung» am 7. Dezember berichtet. Das Papier trägt die Unterschrift von 24 ehemaligen deutschen Botschaftern, unter ihnen der einstige Chef des Bundesnachrichtendienstes, Hans-Georg Wieck. Initiator ist der frühere deutsche Botschafter in Jordanien, Martin Schneller.
  • Eine republikanische Abgeordnete des US-Kongresses hat die europäischen Außenminister zur Ablehnung des Plans der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft zur Teilung Jerusalems aufgerufen. "Wie jeder souveräne und demokratische Staat" habe auch Israel das Recht auf seine eigene Hauptstadt, schrieb Ileana Ros-Lehtinen, die Top-Republikanerin im außenpolitischen Ausschuss des Repräsentantenhauses, am 7. Dezember in einem Brief an die EU-Außenminister. In einem vor einer Woche bekannt gewordenen Papier hatte die schwedische EU-Ratspräsidentschaft vorgeschlagen, Ost-Jerusalem zur Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates zu machen.
  • Nach Kritik aus Israel hat die Europäische Union am 8. Dezember eine Erklärung zur künftigen Stellung von Jerusalem abgeschwächt. Unter anderem auf Druck der Bundesregierung strichen die EU-Außenminister in Brüssel eine strittige Passage, in der Ost-Jerusalem als "Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaats" bezeichnet wird. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, er habe großen Wert darauf gelegt, dass die Formulierung zu Ost-Jerusalem gestrichen werde. Die nun von den Außenministern verabschiedete Erklärung stimme ihn zufrieden. "Das entspricht dem besonderen Verhältnis, das Deutschland und Israel zueinander haben", sagte der Liberalen-Chef. Mit Deutschland lehnte rund die Hälfte der EU-Staaten den Text zu Ost-Jerusalem ab.
  • Nach der Verstimmung zwischen Israel und der EU über die künftige Stellung von Jerusalem haben die USA ihre abwartende Haltung bekräftigt. Die US-Regierung werde erst nach einer Einigung zwischen Israel und Palästinensern in dieser Frage ihre eigene Bewertung vornehmen, sagte Außenamtssprecher Philip Crowley am 8. Dezember in Washington. "Die Erklärung der EU haben wir zur Kenntnis genommen", sagte er.
  • Die israelischen Behörden haben einer Delegation von Europaabgeordneten die Einreise in den Gazastreifen verwehrt. Das Europaparlament verlangte dafür am 9. Dezember eine Erklärung. Die Delegationsmitglieder hätten am 8. Dezember zunächst eine Einreiseerlaubnis bekommen, hieß es in einer Mitteilung, die von der EU-Vertretung in Jerusalem verbreitet wurde. Drei Stunden später sei die Genehmigung dann "aus Sicherheitsgründen" zurückgezogen worden. Der Zeitpunkt der Kehrtwende wird in der Mitteilung als "seltsam" bezeichnet. Kurz zuvor hatte eine Erklärung der EU über die künftige Stellung von Jerusalem zu Verstimmungen in Israel gesorgt.
  • In Israel hat am 9. Dezember ein Prozess gegen einen radikalen Siedler begonnen, dem die Ermordung zweier Palästinenser sowie mehrere Bombenanschläge zur Last gelegt werden. Ingesamt ist Jack Teitel in 14 Punkten angeklagt. Ihm werden unter anderem versuchter Mord in drei Fällen, illegaler Waffenbesitz und Aufstachelung zur Gewalt zur Last gelegt. Bei seiner Anklage vor dem Gericht in Jerusalem hatte er im November keine Reue gezeigt. "Es war mir eine Freude und eine Ehre, meinem Gott zu dienen", sagte der 37-Jährige. Der in den USA geborene Teitel war im Oktober unter dem Verdacht festgenommen worden, 1997 als Tourist in Ost-Jerusalem einen palästinensischen Taxifahrer und im Süden von Hebron im Westjordanland einen palästinensischen Schäfer getötet zu haben. Nach Polizeiangaben gestand er, die beiden Männer aus Rache für palästinensische Selbstmordattentate in Israel getötet zu haben. Teitel kehrte nach den mutmaßlichen Morden in die USA und von dort aus 2000 nach Israel zurück. Ab 2006 soll er mehrere Bombenattentate verübt haben. Teitel bekannte sich unter anderem zu einem 2008 verübten Anschlag auf den scharfen Kritiker der israelischen Siedlungspolitik, Seev Sternhell. Der in der Friedensbewegung aktive Faschismusforscher, der an der Hebräischen Universität Jerusalem lehrt, hatte das Attentat leicht verletzt überlebt.
  • Tausende Israelis haben am 9. Dezember in Jerusalem gegen den befristeten Baustopp in jüdischen Siedlungen im Westjordanland protestiert. Die Demonstranten forderten die Regierung auf, den Baustopp rückgängig zu machen. Redner kündigten an, dass sie die Auflagen der Regierung ignorieren und «überall» bauen wollten. Teilnehmer äußerten außerdem die Sorge, dass die israelische Regierung auf Druck der USA und der Europäischen Union das Baugeschehen länger als die vorgesehene Frist ruhen lassen könnte. Während der Demonstration riefen Teilnehmer Slogans wie «Gottes Bibel hat uns dieses Land gegeben». Viele Siedler betrachten das Palästinensergebiet als Land der biblischen Verheißung und damit Land ihrer Vorväter. Dagegen wollen die Palästinenser im Westjordanland, dem Gazastreifen und Ostjerusalem einen eigenen unabhängigen Staat ausrufen. Angesichts der seit Tagen anhaltenden Proteste hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein neues Förderprogramm mit «nationalen Prioritäten» auf den Weg gebracht. Danach sollen 110 000 Israelis, die außerhalb der großen Siedlungsblöcke in kleineren Siedlungen im Westjordanland leben umgerechnet rund 20 Millionen Euro Zuschüsse unter anderem für Bildung erhalten.
  • Ungeachtet des zehnmonatigen Siedlungs-Stopps im Westjordanland will Israel umgerechnet 19 Millionen Euro in die jüdischen Ortschaften in dem Palästinensergebiet investieren. Wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am 10. Dezember mitteilte, ist die Summe vor allem für die Verbesserung des Schulsystems und die Erneuerung der Infrastruktur gedacht. Außerdem sollen mit dem Geld den Angaben zufolge Mietbeihilfen gezahlt werden.
  • Die israelische Polizei hat am 11. Dezember in Ost-Jerusalem 21 pro-palästinensische Demonstranten festgenommen. Etwa 150 israelische und ausländische Aktivisten hätten versucht, in Häuser von Juden im Stadtteil Scheich Dscharrah einzudringen, sagte ein Polizeisprecher. Die Polizei habe sie daran gehindert und 21 Demonstranten festgenommen. Die teilweise der militanten Linken angehörenden Protestteilnehmer kritisierten die Vertreibung mehrerer palästinensischer Familien aus Häusern in dem mehrheitlich arabischen Stadtteil. Die Häuser wurden von jüdischen Siedlern besetzt, die sie als ihr rechtmäßiges Eigentum beanspruchen. Ost-Jerusalem wurde von Israel im Sechs-Tage-Krieg von 1967 erobert und anschließend annektiert. Die Annexion wurde international nie anerkannt. Die EU kritisierte unterdessen die von Israel geplanten Investitionen in jüdische Siedlungen im Westjordanland. Als "schwerwiegend" bezeichnete der schwedische Außenminister Carl Bildt die Pläne. Schweden hat bis zum Jahresende die EU-Ratspräsidentschaft inne. Bildt forderte den EU-Nahostsondergesandten Marc Otte auf, die Angelegenheit mit den übrigen Teilnehmern des Nahost-Quartetts aus EU, UNO, USA und Russland zu besprechen.
  • Wegen eines Mangels an Baustoffen errichten die Vereinten Nationen im Gazastreifen Lehmhäuser für Palästinenser, die wegen des Kriegs mit Israel zu Beginn des Jahres obdachlos geworden sind. Das erste Lehmhaus wurde am 12. Dezember an Madschid Athamneh und seine Familie übergeben, deren Wohnhaus während des Kriegs im Januar zerstört worden war. Die UN wollen rund 120 Lehmhäuser errichten, weil es wegen der israelischen Blockade des Gazastreifens an Baumaterialien mangelt, wie der UNWRA-Chef in Gaza, John Ging, sagte. Rund 1.000 Menschen, die nicht bei Angehörigen unterkommen konnten, leben demnach immer noch in Zelten. «Ein Lehmhaus ist immer noch besser als ein Zelt», sagte Ging. Dies sei keine Lösung für den Wiederaufbau des Gazastreifens, vielmehr zeige es, wie verzweifelt die Lage vieler Menschen ein Jahr nach dem Krieg immer noch sei. Israel begründet die Weigerung, Baumaterialien in den Gazastreifen durchzulassen, damit, dass die dort regierende radikalislamische Hamas die Baustoffe zur Herstellung von Waffen oder zur Verstärkung ihrer Militäreinrichtungen nutzen könnte. Garantien von UN-Vertretern, dass die Rohstoffe nur zum Wiederaufbau genutzt werden, will Israel laut UN nicht akzeptieren.
  • Bei einer Schießerei an der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen ist nach palästinensischen Angaben ein Bauer aus Gaza getötet worden. Demnach lieferten sich palästinensische Extremisten und israelische Soldaten am frühen Morgen des 12. Dezembers ein kurzes Feuergefecht. Nach israelischen Militärangaben schossen die Palästinenser zuerst auf die Soldaten. Seit dem Gazakrieg vor rund einem Jahr ist die Lage in der Grenzregion relativ ruhig.
  • Eine Israelin ist nach Militärangaben am späten Abend des 12. Dezember im Westjordanland von einem Palästinenser mit dem Messer niedergestochen worden. Die Frau wurde dabei verletzt. Die Verletzungen sind aber nicht lebensbedrohlich. Tags zuvor war in der Nähe von Nablus eine Moschee angezündet worden. Hinter dem Anschlag werden jüdische Extremisten vermutet, Festnahmen gab es bislang keine. Am frühen Morgen des 13. Dezembers feuerten militante Palästinenser vom Gazastreifen aus zwei Raketen auf Israel. Verletzte oder Sachschäden gab es dabei nicht.
  • Mit einer Großdemonstration will die im Gazastreifen herrschende Hamas-Organisation an diesem 14. Dezember den 22. Jahrestag ihrer Gründung feiern. Tausende Anhänger der radikal- islamischen Palästinenserorganisation zogen bereits am Wochenende (12. & 13. Dezember) mit Motorrad-Korsos oder Umzügen durch Gaza. Die Stadt wurde mit zehntausenden Fahnen in grüner Parteifarbe geschmückt. Zur Demonstration am 14. Dezember werden hunderttausende Menschen erwartet. Die Hamas-Führung hat eine «Überraschung» angekündigt. In Gaza gibt es Spekulationen, wonach die Hamas nach jahrelangem Streit die Unterschrift unter ein Aussöhnungsabkommen mit der Fatah- Organisation von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ankündigen könnte. Eine zweite Möglichkeit wäre die Ankündigung des Gefangenenaustauschs mit Israel. Die Hamas fordert nach Medienberichten die Freilassung von 1450 palästinensischen Häftlingen für den im Juni 2006 in den Gazastreifen entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit. Die Hamas hatte nach einem blutigen Bruderkampf mit der Fatah im Juni 2007 die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen. Rund die Hälfte der 1,5 Millionen Einwohner ist entweder Mitglied oder Sympathisant der Hamas. Die Radikalislamisten haben am 14. Dezember Gegendemonstrationen der Fatah in Gaza verboten. Andererseits hat die moderate Palästinenserführung um Präsident Abbas im Westjordanland alle öffentlichen Hamas-Feierlichkeiten für den 14. Dezember untersagt.
  • Das israelische Kabinett hat Millionen-Investitionen für jüdische Siedlungen im Westjordanland durchgewunken. Die Minister sprachen sich am 13. Dezember mit 21 Ja- zu fünf Gegenstimmen dafür aus, eine Reihe jüdischer Siedlungen in dem Palästinensergebiet zu "nationalen Prioritätszonen" Israels zu erklären. Dadurch kommen diese in den Genuss staatlicher Hilfe.
Montag, 14. Dezember, bis Sonntag, 20. Dezember
  • Mehrere zehntausend Hamas-Anhänger haben am 14. Dezember in Gaza der Gründung der extremistischen Organisation vor 22 Jahren gedacht. "Die Hamas hat alle Prüfungen bestanden: Gefängnis, Exil, Morde und Wahlen", sagte Mahmud Sahar, einer ihrer Anführer, in einer Rede auf dem El-Kuteiba-Platz. Der Sprecher des bewaffneten Hamas-Arms Essedin el Kassam kündigte an, dass der bewaffnete Kampf gegen Israel weitergehen werde. Seine Einheiten hätten ihre Waffen mit bloßen Händen gebaut, "darunter die Kassam-Raketen, die den zionistischen Feind in Schrecken versetzen". Die Kassam-Brigaden schießen die Raketen vom Gazastreifen aus auf Israel ab.
  • Angesichts des Anschlags auf eine Moschee in Westjordanland hat der Großrabbiner von Israel, Jona Metzger, an den Holocaust erinnert. "Vor 70 Jahren hat in der Reichskristallnacht mit dem Brand der Synagogen die Schoah, das größte Trauma unserer Geschichte, begonnen", sagte Metzger am 14. Dezember vor der Moschee in Jassuf im Westjordanland, die in der Nacht zum 11. Dezember offenbar von jüdischen Siedlern in Brand gesetzt worden war. Er hoffe, dass sein Besuch dazu beitrage, "die Geister zu beruhigen", ergänzte der Großrabbiner.
  • Die im Gazastreifen herrschende Hamas- Organisation hat erneut das Existenzrecht Israels bestritten und eine Anerkennung des Staates Israel kategorisch ausgeschlossen. Ziel der Hamas bleibe die Befreiung von ganz Palästina, sagte Hamas-Führer Ismail Hanija am 14. Dezember in Gaza. «Palästina vom Mittelmeer bis zum Fluss Jordan ist ein islamisches Gebiet, das nicht Gegenstand von Konzessionen ist», sagte er. «Wir werden den Staat Israel niemals anerkennen.» Zehntausende Anhänger und Sympathisanten der zweitgrößten Palästinenserorganisation hatten am 14. Dezember mit einer Großkundgebung in Gaza den 22. Jahrestag der Hamas gefeiert. Nach Hamas-Angaben waren es mehr als 100 000 Menschen. Schulen und öffentliche Einrichtungen blieben geschlossen. Die Hamas-Führung hatte vor der Kundgebung eine «Überraschung» angekündigt. Hanija ging in seiner einstündigen Rede nicht direkt darauf ein. Als neu werteten politische Kommentatoren in Gaza den Hinweis, dass die Hamas bereit sei, gemeinsam mit der Fatah- Organisation von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sowie anderen Gruppierungen eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden.
  • Die israelischen Militärbehörden lockern über die Weihnachtstage die Reisebeschränkungen für palästinensische Christen aus dem Westjordanland. Das kündigte der für Zivilangelegenheiten in der Region Bethlehem zuständige Oberstleutnant Ejad Sirhan am 14. Dezember an. Demnach erhalten tausende Palästinenser die Erlaubnis zur Einreise nach Israel, um an Weihnachten die heiligen Stätten in Jerusalem zu besuchen. Anders als in den vergangenen Jahren soll es diesmal für den betroffenen Personenkreis keine zahlenmäßigen Beschränkungen geben.
  • Der in Israel gefangen gehaltene Palästinenser-Führer Marwan Barghuti sieht eine Versöhnung von Hamas und Fatah als zwingende Voraussetzung für Wahlen in den Palästinensergebieten. Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen könnten erst nach einem "vollständigen nationalen Versöhnungsabkommen" organisiert werden, sagte Barghuti in einem schriftlichen Interview mit der Nachrichtenagentur AFP am 15. Dezember. Angesichts der Hängepartie um den Urnengang nahm der Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) in Ramallah Beratungen über eine Verlängerung des Mandats von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas auf. Der unter Palästinensern äußerst beliebte Barghuti forderte, dass die Wahlen gleichzeitig im Westjordanland, in Ost-Jerusalem und im Gazastreifen stattfinden müssten. Ansonsten würde sich ein Urnengang "nicht lohnen", sagte der frühere Fatah-Chef im Westjordanland, der 2002 von der israelischen Armee festgenommen und 2004 zu lebenslanger Haft verurteilt worden war.
  • Beim Einsturz eines Schmugglertunnels zwischen dem Gazastreifen und Ägypten sind am 15. Dezember drei Palästinenser ums Leben gekommen. Die Toten seien von Ägyptern geborgen worden, teilte die palästinensische Gesundheitsbehörde mit. Seit Beginn der Blockade des Gazastreifens nach der Machtübernahme der Hamas vor zweieinhalb Jahren nutzen die Palästinenser Schmugglertunnel, um Alltagsgüter in das Autonomiegebiet zu bringen. Israel wirft ihnen Waffenschmuggel vor und hat deswegen mehrfach Tunnel angegriffen. Seit Beginn der Blockade sind nach palästinensischen Angaben beim Einsturz von Schmugglertunneln etwa 130 Menschen ums Leben gekommen.
  • Ein britischer Haftbefehl gegen die frühere israelische Außenministerin Zipi Livni im Zusammenhang mit der Gaza-Offensive vor einem Jahr sorgt in Israel für Empörung. Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach am 15. Dezember von «einer Absurdität» und warnte vor einer Belastung der Beziehungen zwischen Israel und Großbritannien. Der Haftbefehl geht auf eine Klage von Palästinensern gegen Livni wegen Kriegsverbrechen zurück. Hintergrund ist ein britisches Gesetz, demzufolge ausländische Staatsbürger in Großbritannien wegen im Ausland begangener Verbrechen belangt werden können. Das israelische Außenministerium rief die Londoner Regierung am 15. Dezember auf, das betreffende Gesetz umgehend zu ändern, um die bilateralen Beziehungen nicht zu gefährden. Livni wurde am 14. Dezember in London erwartet, sagte die Reise arabischen Medien zufolge jedoch wegen des Haftbefehls ab. Das Büro der israelischen Oppositionsführerin erklärte indes, die Absage sei aus anderen Gründen erfolgt. Laut dem israelischen Außenministerium wurde der Haftbefehl später aufgehoben. In der britischen Zeitung «The Guardian» hieß es dagegen, er sei lediglich zurückgezogen worden, nachdem die Justizbehörden erfahren hätten, dass sich Livni nicht auf britischem Boden aufhalte.
  • Israels Staatschef Schimon Peres hat der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas vorgeworfen, durch interne Streitigkeiten die Freilassung des vor dreieinhalb Jahren verschleppten israelischen Soldaten Gilad Schalit zu verzögern. "Wenn es nur an uns läge, wäre Gilad Schalit schon frei", sagte Peres am 15. Dezember im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu den Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas über einen Gefangenenaustausch. Die Hamas sei allerdings gespalten: Den im Ausland lebenden Hamas-Mitgliedern gehe es um die Durchsetzung politischer Ziele, die Hamas im Gazastreifen sei hingegen dem Druck der Angehörigen von in Israel festgehaltenen Gefangenen ausgesetzt.
  • Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bleibt ein halbes Jahr länger im Amt als vorgesehen. Der Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) verlängerte am 16. Dezember in Ramallah die am 24. Januar auslaufende Amtszeit des 74- Jährigen bis zum 28. Juni kommenden Jahres. Auch das Palästinenserparlament soll bis zu diesem Zeitpunkt weiterarbeiten. Die im Gazastreifen herrschende Hamas-Organisation bezeichnete die Entscheidung als illegal und nicht bindend. Abbas habe keine Autorität mehr, weiterhin als Palästinenserpräsident aufzutreten, sagte Hamas-Sprecher Ismail Radwan in Gaza.
  • In den diplomatischen Streit um einen britischen Haftbefehl für Israels Ex-Außenministerin Zipi Livni hat sich der britische Premierminister Gordon Brown mit einem Telefonat eingeschaltet. Brown habe Livni gesagt, sie sei auf der Insel "stets willkommen", teilte Browns Büro am 16. Dezember mit. Der Regierungschef habe sich auch "enttäuscht" gezeigt, dass die frühere Außenamtschefin einen Besuch in Großbritannien abgesagt habe. Medienberichten zufolge hatte Livni aus Angst vor einer Festnahme auf britischem Boden abgesagt. Nach Angaben ihres Büros hing die Absage indes mit terminlichen Gründen zusammen.
  • Der Iran hat nach eigenen Angaben am 16. Dezember erneut eine Mittelstreckenrakete getestet. Der Test der Rakete Sedschil-2, die auch Ziele in Israel erreichen könnte, verlief nach einem iranischen Fernsehbericht "erfolgreich". Das US-Repräsentantenhaus stimmte für Gesetzespläne, die die Bestrafung von Firmen wegen Benzinlieferungen an den Iran ermöglichen. Die Sedschil-2 habe im Vergleich zum Vorgängermodell die Eigenschaft, dass sie wegen ihres raschen Eintritts in die Atmosphäre und ihres großen Tempos nicht von Abfangraketen zerstört werden könne, zitierten iranische Medien den Verteidigungsminister des Landes, Ahmed Wahidi. Die Sedschil ist eine zweistufige Rakete mit rund 2000 Kilometern Reichweite - damit könnte sie auch Israel, mehrere arabische Länder oder die Türkei erreichen. Der Iran hatte die Sedschil-2 bereits im Mai und September getestet, nach offiziellen Angaben beide Male ebenfalls mit Erfolg.
  • Die israelische Regierung hat den Diebstahl des berüchtigten Schriftzugs "Arbeit macht frei" im ehemaligen NS-Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau in scharfen Worten verurteilt. Es handele sich um eine "scheußliche Tat", die auf eine "Entweihung" hinauslaufe, erklärte Vize-Regierungschef Silvan Schalom am 18. Dezember in Jerusalem. Durch eine solche Tat werde "der Hass und die Gewalt gegen Juden deutlich".
  • Nach dem Diebstahl des eisernen Schriftzugs mit den berüchtigten Worten «Arbeit macht frei» in Auschwitz hat Israel eine rasche Aufklärung gefordert. Der Schriftzug sei als «Grabstein für mehr als eine Million Juden» von größter historischer Bedeutung für die gesamte Welt, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am 20. Dezember in Jerusalem. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum rief Polen auf, die Suche weiter zu intensivieren und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Die Behörden verschärften am Wochenende die Kontrollen an Grenzen und Flughäfen. An den Grenzübergängen zu den östlichen Nachbarn Ukraine und Weißrussland werde verstärkt kontrolliert, erklärte eine Sprecherin des Innenministeriums am 19. Dezember. Minister Jerzy Miller forderte die Polizei zu noch mehr Aufmerksamkeit auf. Alle infrage kommenden Zeugen und Verdächtigen sollten befragt werden. Auf dem Gelände des früheren Konzentrationslagers waren Dutzende Polizisten im Einsatz.
  • Die israelische Regierung will den angeordneten Baustopp in den jüdischen Siedlungen möglicherweise schon bald mit Hilfe von Spezialeinheiten, unbemannten Spionage-Flugzeugen und Handystörfeuer durchsetzen. Das geht aus Planungen der Streitkräfte hervor, die am 20. Dezember an israelische Medien durchsickerten. Demnach sollen die Drohnen illegale Bauten fotografieren. Dann würden Militärzonen eingerichtet, um Demonstranten und Journalisten während der Zerstörung illegaler Siedlungen aus dem Gebiet fernzuhalten. Neben Spezialeinheiten sollten auch technische Experten eingesetzt werden, die den Handyverkehr der Siedler stören, hieß es. Die Regierung in Jerusalem stellte im November ein zehnmonatiges Moratorium für den Siedlungsbau im Westjordanland vor, um die Friedensgespräche mit den Palästinensern wieder in Schwung zu bringen. Jüdische Siedler kündigten dagegen Widerstand an. Die israelische Armee will die Einhaltung des Baustopps für jüdische Siedlungen durchsetzen und illegal errichtete Häuser abreißen. Wie ein Vertreter der Sicherheitsbehörden sagte, sollen alle Gebäude im Westjordanland niedergerissen werden, deren Bau ungeachtet des Ende November verhängten Moratoriums begonnen wurde. Die Siedler sprachen von einer "Kriegserklärung". "Wir bereiten uns auf den Moment vor, an dem den Inspektoren der Zugang zu den Siedlungen verwehrt wird und wir gezwungen sind, die illegalen Bauten niederzureißen", sagte ein Sicherheitsvertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte, der Nachrichtenagentur AFP. Er bestätigte damit Berichte israelischer Medien, nach denen ein entsprechender Großeinsatz von hunderten Soldaten, Grenzwachen und Sicherheitsbeamten vorbereitet wird.
Montag, 21. Dezember, bis Sonntag, 27. Dezember
  • Knapp drei Tage nach dem aufsehenerregenden Diebstahl ist der stählerne Schriftzug «Arbeit macht frei» vom Eingangstor der KZ-Gedenkstätte Auschwitz am 21. Dezember wiedergefunden worden. Fünf mutmaßliche Diebe wurden gefasst und sollen an diesem 22. Dezember dem Haftrichter vorgeführt werden. Der Schriftzug «Arbeit macht frei», der über den Einfahrten zahlreicher Konzentrationslager angebracht wurde, gilt als zynisches Symbol für die Gräueltaten der Nazis, die Millionen Menschen ermordeten. Den Beschuldigten werde Mitgliedschaft in einer organisierten Verbrechergruppe vorgeworfen, teilte am Montag ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Krakau mit. Zudem gehe es um Diebstahl und Beschädigung eines Kulturguts von besonderer Bedeutung. Die fünf vorbestraften Männer im Alter zwischen 20 und 39 Jahren waren am 20. Dezember im Norden Polens festgenommen worden. Nach Erkenntnissen der Polizei sind sie keine Neonazis, sondern haben aus Geldgier gehandelt - möglicherweise im Auftrag eines «verrückten Sammlers» aus dem Internet. Die Männer seien wegen Raubüberfällen und Körperverletzung vorbestraft, teilte die Polizei mit. «Das sind einfache Diebe», sagte der Polizeichef von Krakau, Andrzej Rokita. Die Beschuldigten waren am Sonntagabend in Gdynia (Gdingen) sowie bei Wloclawek festgenommen worden. Ihnen drohen Haftstrafen bis zu zehn Jahren. Staatspräsident Lech Kaczynski lobte die Polizeiarbeit.
  • In die Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern über einen Gefangenenaustausch ist offenbar Bewegung gekommen. Medienberichten zufolge ist Israel zu großen Zugeständnissen bereit, um die Freilassung des seit dreieinhalb Jahren im Gazastreifen festgehaltenen Soldaten Gilad Schalit zu erreichen. Allerdings sollten freigelassene Extremisten ins Exil außerhalb der palästinensischen Autonomiegebiete abgeschoben werden, hieß es am 22. Dezember im israelischen Rundfunk. Die Beratungen unter deutscher Vermittlung gingen am Morgen des 22. Dezembers zu Ende, ohne dass ein Ergebnis bekanntgegeben wurde. Nach palästinensischen Angaben wurde der israelischen Regierung bis zum 23. Dezember Zeit gegeben, auf einen Vorschlag der Hamas zu reagieren. Im Raum steht die Forderung, dass für den heute 23-jährigen Schalit 1.000 in Israel inhaftierte Palästinenser freikommen sollen.
  • Ein Jahr nach der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen haben mehrere Hilfsorganisationen Israel vorgeworfen, den Wiederaufbau in dem Palästinensergebiet zu verhindern. Seit dem Ende der dreiwöchigen Offensive "Gegossenes Blei" hätten die israelischen Behörden lediglich 41 Lkw-Ladungen mit Baumaterial nach Gaza gelassen, heißt es in einem Bericht, der am 22. Dezember von insgesamt 16 Organisationen, darunter Oxfam und Amnesty International, veröffentlicht wurde. Für den Wiederaufbau und die Renovierung tausender Häuser würden aber tausende Lkw-Ladungen benötigt.
  • Im Ringen um die Freilassung des vor dreieinhalb Jahren verschleppten israelischen Soldaten Gilad Schalit hat ein deutscher Unterhändler der palästinenischen Hamas-Organisation am 23. Dezember das jüngste Angebot Israels zum Gefangenenaustausch überbracht. Die Hamas werde den Vorschlag nun "auf allen Ebenen prüfen" und den Unterhändler dann erneut kontaktieren, sagte ein Hamas-Sprecher. Deutschland und Ägypten vermitteln im Fall Schalit und führen indirekte Verhandlungen zwischen der Hamas und Israel.
  • Die Hamas will nach eigenen Angaben bis Anfang kommender Woche über den jüngsten israelischen Vorschlag zu einem Gefangenenaustausch entscheiden. Das Angebot werde geprüft, und «spätestens kommende Woche» werde es eine Antwort geben, sagte der in Syrien lebende stellvertretende Hamas-Vorsitzende Mussa Abu Marsuk am 24. Dezember der Nachrichtenagentur AP. Der deutsche Vermittler zwischen der Regierung in Jerusalem und der radikalen Palästinenserorganisation hat den jüngsten Vorschlag am 23. Dezember überbracht. Im Raum steht die Hamas-Forderung, dass für den seit dreieinhalb Jahren im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Soldaten Gilad Schalit 1.000 in Israel inhaftierte Palästinenser freikommen sollen.
  • Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat die frühere Außenministerin und jetzige Oppositionsführerin Zipi Livni aufgefordert, seiner Regierung beizutreten. Angesichts "der nationalen und internationalen Herausforderungen, denen Israel zur Zeit gegenübersteht", habe Netanjahu Livni aufgerufen, sich an einer Regierung der nationalen Einheit zu beteiligen, teilte das Büro des Ministerpräsidenten am 24. Dezember mit. Livnis in der rechten Mitte angesiedelte Kadima-Partei stellt die größte Fraktion im israelischen Parlament. In den vergangenen Tagen hatte es Berichte darüber gegeben, dass Netanjahu einige der Kadima-Abgeordneten zum Überlaufen bewegen will. Nach seinem Sieg bei der Parlamentswahl am 10. Februar hatte Netanjahu mit Livni über die Bildung einer gemeinsamen Koalition verhandelt. Ein Bündnis der Kadima-Partei mit dem ultrarechten Block um die Likud-Partei des Regierungschefs war jedoch an unterschiedlichen Ansichten zum Friedensprozess im Nahen Osten gescheitert. Livni will die Gründung eines Palästinenserstaats als Ziel im Regierungsprogramm festschreiben, Netanjahu lehnt dies ab.
  • Im Norden des Westjordanlandes ist am 24. Dezember ein jüdischer Siedler erschossen worden. Polizeisprecher Micky Rosenfeld machte palästinensische Extremisten für den "Terroranschlag" verantwortlich. Nach Angaben von Rettungskräften wurde das Auto des Mannes zwischen den jüdischen Siedlungen Einaw und Schawei Schomron von mehreren Kugeln getroffen. Eins der Geschosse traf das Opfer demnach im Kopf. Knapp eine halbe Million Israelis lebt in Siedlungen innerhalb des Palästinensergebiets. Die Niederlassungen sind einer der Hauptstreitpunkte zwischen Israel und den Palästinensern.
  • Israelische Soldaten haben am Morgen des 26. Dezembers insgesamt sechs Palästinenser im Westjordanland und im Gaza-Streifen getötet. In der Stadt Nablus im Norden des Westjordanlandes wurden bei einem Einsatz der israelischen Armee drei Mitglieder der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erschossen, wie palästinensische Sicherheitsbehörden und Rettungskräfte mitteilten. Demnach wurde zudem eine Frau durch die Kugeln der Soldaten verletzt. Den Angaben zufolge waren die israelischen Soldaten am Morgen in die Altstadt von Nablus eingerückt und hatten zwei Häuser umstellt, in denen sich die Fatah-Mitglieder aufhielten. Einen Schusswechsel gab es den palästinensischen Angaben zufolge nicht. Einer der Getöteten gehörte demnach den bewaffneten El-Aksa-Brigaden an. Am 24. Dezember war in der Region ein jüdischer Siedler in seinem Auto erschossen worden. Zu der Tat hatten sich die El-Aksa-Brigaden bekannt, die der Fatah-Bewegung nahestehen. Eine Sprecherin der der israelischen Armee wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Einsatz in Nablus äußern.
  • Am ersten Jahrestag des Gaza-Kriegs haben sich Kämpfer der Hamas zum Sieger im Konflikt mit Israel erklärt. Mehr als 3.000 Anhänger der radikalislamischen Bewegung versammelten sich am 27. Dezember in Dschebalija im nördlichen Gazastreifen und protestierten gegen die israelische Offensive vor einem Jahr. Dieser fielen rund 1.400 Palästinenser, darunter etwa 900 Zivilpersonen, sowie 13 israelische Soldaten zum Opfer. Die Beteiligung der Zivilbevölkerung an den Feiern der Hamas wurde als äußerst spärlich beschrieben. Beobachtern zufolge zeigte dies die wachsende Unzufriedenheit mit der Organisation, die den Gazastreifen seit Juni 2007 regiert. Das Autonomiegebiet ist seitdem von der Außenwelt abgeschnitten und dem wirtschaftlichen Kollaps nahe.
  • Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hat am 27. Dezember mit Oppositionsführerin Zipi Livni über die Bildung einer großen Koalition gesprochen. Beide Politiker äußerten sich nach dem zweistündigen Treffen nicht. Medienberichten zufolge bot Netanjahu Livni zwei Ministerposten für den Eintritt ihrer Kadima-Partei in die Regierung an. Der Regierungschef soll seinen Schritt mit Herausforderungen im eigenen Land und auf internationaler Ebene begründet haben. Livni hatte bereits im Vorfeld des Treffens gewarnt, dass Netanjahu ihre Partei zerschlagen wolle. Der Ministerpräsident hatte jüngst versucht, Kadima-Abgeordnete auf seine Seite zu ziehen.
  • Nach Angaben der israelischen Behörden sind 2009 insgesamt 16.200 Juden in das Land eingewandert. Es handelt sich um die erste Steigerung gegenüber dem Vorjahr seit einem Jahrzehnt. 2008 wanderten nach Angaben der Jüdischen Behörde vom 27. Dezember fast 14.000 Juden nach Israel ein. Unter den Immigranten des zu Ende gehenden Jahres kamen 7.120 aus früheren Sowjetrepubliken, 5.300 aus englischsprachigen Ländern - in beiden Fällen mehr als 2008. Insgesamt emigrierten demnach im vergangenen Jahrzehnt 221.000 Juden nach Israel. Das Land bietet eingewanderten Juden automatisch die Staatsbürgerschaft an. Etwa 80 Prozent der sieben Millionen Bewohner sind jüdischen Glaubens.
  • Die israelische Regierung will die jüdischen Siedlungen in Ost-Jerusalem offenbar ausbauen. Wie das israelische Fernsehen am Abende des 27. Dezembers berichtete, schrieb das Wohnungsbauministerium Aufträge für den Bau von knapp 700 Wohnungen in den Stadtteilen Newe-Jaakow, Pisgat-Seew und Har-Homa aus. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe für die Ausschreibungen grünes Licht gegeben, hieß es in dem Bericht. Ost-Jerusalem war 1967 von Israel besetzt und später annektiert worden. Heute leben dort 200.000 Israelis und 270.000 Palästinenser.
  • Ein Jahr nach Beginn des Gaza-Krieges hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon alle Welt aufgefordert, der Lösung des Nahostkonflikts durch eine Zwei-Staaten-Lösung endlich Priorität einzuräumen. In einer Erklärung vom 27. Dezember wies Ban darauf hin, dass weder der Nahostkonflikt selbst noch die Folgen des Krieges bisher behoben seien. «Nur wenige der wichtigsten Maßnahmen für Stabilität (im Gazastreifen), die der Sicherheitsrat in seiner Resolution 1860 verankert hat, sind tatsächlich umgesetzt worden», klagte Ban in einer Stellungnahme. Entsprechend hoffnungslos sei die Stimmung der 1,5 Millionen Palästinenser im Gazastreifen, von denen die Hälfte noch nicht einmal 18 Jahre alt sei. Deshalb sollte jetzt dringend ein anderer Weg zur Lösung des Konflikts eingeschlagen werden, mahnte der UN-Chef. Israel müsse die internationalen Menschenrechte einhalten und seine Blockade des Gazastreifens einstellen sowie den Wiederaufbau des Gazastreifens unterstützen. Die radikalislamischen Hamas-Milizen wiederum müssten jegliche Gewalt unterlassen und internationales Recht achten. Derweil sei es die Aufgabe aller Palästinenser, sich um Einheit und Wahlen zu bemühen.
Montag, 28. Dezember, bis Donnerstag, 31. Dezember
  • Ein Gespräch zwischen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Oppositionsführerin Zipi Livni über die Bildung einer großen Koalition ist gescheitert. Das verlautete am aus Parteikreisen. Das Treffen habe in einem Klima des Misstrauens stattgefunden und sei von heftigen Wortwechseln geprägt gewesen, berichteten israelische Zeitungen. Die Fraktion von Livnis Kadima-Partei wollte am Nachmittag des 28. Dezember über den Vorschlag Netanjahus beraten. Livni warf Netanjahu, der auch Chef der Likud-Partei ist, vor, ihre Partei zerschlagen zu wollen. Medienberichten zufolge bot Netanjahu Livni zwei Ministerposten für den Eintritt ihrer Kadima-Partei in die Regierung an. Der Regierungschef soll seinen Schritt mit Herausforderungen im eigenen Land und auf internationaler Ebene begründet haben. Der Ministerpräsident hatte jüngst versucht, Kadima-Abgeordnete auf seine Seite zu ziehen.
  • Die USA wollen mit neuen Vorschlägen an Israel und die Palästinenser den Friedensprozess im Nahen Osten wieder ankurbeln. Wie am 28. Dezember aus Diplomatenkreisen in der ägyptischen Hauptstadt Kairo verlautete, will der Nahost-Sondergesandte George Mitchell bei seinem nächsten Besuch in der Region beiden Seiten jeweils einen schriftlichen Entwurf zu Garantien übergeben. "Die USA hoffen, dass diese beiden Briefe als Grundlage für die Wiederaufnahme der israelisch-palästinensischen Verhandlungen dienen", sagte ein arabischer Diplomat, der namentlich nicht genannt werden wollte.
  • Mehr als 400 Mitarbeiter einer Hilfsorganisation sind wegen der Weigerung Ägyptens, ihren Konvoi mit Hunderten Tonnen Hilfsgütern in den Gazastreifen passieren zu lassen, in den Hungerstreik getreten. Die Helfer der in Großbritannien ansässigen Gruppe Viva Palestina sitzen nach Angaben einer Sprecherin in der jordanischen Hafenstadt Aqaba fest. Seit 27. Dezember nähmen sie nur noch Flüssigkeit zu sich, sagte Alice Howard am 28. Dezember. Die Regierung in Kairo verweigert den rund 150 Fahrzeugen unter der Führung des britischen Abgeordneten George Galloway die Einreise über das Rote Meer. Ägypten hat als Alternativroute den Zugang über das Mittelmeer vorgeschlagen. Howard zufolge bemüht sich die Türkei um eine Vermittlung.
  • Ungeachtet internationaler Kritik will Israel fast 700 neue Wohnungen im arabischen Ostteil Jerusalems bauen. Das israelische Wohnungsbauministerium bestätigte am 28. Dezember, es seien Ausschreibungen für den Bau von 198 Wohnungen in Pigat Seev, 377 in Neve Jaakov und 117 in Har Homa veröffentlicht worden. Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat kritisierte die Entscheidung scharf. Auch die USA und die Europäische Union verurteilten den geplanten Bau neuer Wohneinheiten. «Mit jeder einzelnen Aktion, die es vor Ort unternimmt, sagt Israel Nein zu ernsthaften Verhandlungen, Nein zu einem gerechten und dauerhaften Frieden und Nein zu einer Zwei-Staaten-Lösung», sagte Erekat am 28. Dezember. «Jede Entscheidung Israels, mehr illegale Siedlungen zu bauen, macht seinen sogenannten "Siedlungsstopp" zu einer Farce.»
  • Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat am 29. Dezember in Ägypten neue Ideen für eine Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses vorgelegt. Einzelheiten waren zunächst nicht bekannt, doch der ägyptische Außenminister Ahmed Abdul Gheit sprach anschließend von «Positionen, die unsere Erwartungen übertroffen haben». Netanjahu hatte sich rund drei Stunden mit dem ägyptischen Staatspräsident Husni Mubarak getroffen. Auch der jüngste israelische Vorschlag zu einem Gefangenenaustausch mit der militanten Hamas-Organisation im Gazastreifen dürfte zur Sprache gekommen sein. Im Raum steht die Hamas-Forderung, dass für den seit dreieinhalb Jahren festgehaltenen israelischen Soldaten Gilad Schalit 1.000 in Israel inhaftierte Palästinenser freikommen sollen. Die Verhandlungen werden von Deutschland und Ägypten vermittelt. Mehrere hundert Menschenrechtsaktivisten aus Europa und den USA wurden derweil von ägyptischen Grenzbehörden an der Einreise in den Gazastreifen gehindert. Die Busse auf dem Weg nach Gaza wurden an der Grenze gestoppt und mussten nach Kairo zurückkehren, wie ein ägyptischer Sicherheitsbeamter am Montagabend mitteilte.
  • Aus dem Gazastreifen ist erneut eine Granate auf Israel abgefeuert worden. Das Geschoss sei am 30. Dezember auf einem Feld in der Nähe des Kontrollpostens Kissufin im Süden Israels explodiert, erklärte die israelische Armee. Die Granate habe niemanden verletzt und auch sonst keinen Schaden angerichtet. Seit dem Ende der israelischen Gaza-Offensive im Januar wurden nach Angaben der Armee mehr als 270 Raketen und Granaten aus dem Gazastreifen auf Israel abgeschossen. Dies waren demnach aber deutlich weniger Angriffe als vor der Offensive.
  • Friedensaktivisten haben zum Jahreswechsel in Kairo und an der Grenze zum Gazastreifen gegen die seit zweieinhalb Jahren andauernde Blockade des Autonomiegebiets protestiert. Am 31. Dezember versammelten sich auf der palästinensischen Seite 600 Menschen, unter ihnen 100 internationale Friedensaktivisten. Diese waren mit einer wesentlich größeren Delegation - nach Angaben eines Mitglieds 1.400 Personen - angereist. Aber nicht alle wurden von den ägyptischen Behörden bis ins Grenzgebiet gelassen. Dies sei damit begründet worden, dass dort die Sicherheit der Mitglieder von Gaza Freedom March gefährdet sei, teilte Delegationsmitglied Stefan Ziefle mit. Ziefle, ein Mitarbeiter der Fraktion der Linken im Deutschen Bundestag, wurde von der Nachrichtenagentur Deutscher Auslands-Depeschendienst (DAPD) telefonisch in Kairo erreicht. Einige Gruppen hätten versucht, mit Taxen oder Bussen an die Grenze zu gelangen, es habe aber niemand ohne ägyptischen Pass geschafft, sagte Ziefle. Unter den Demonstranten waren nach Angaben seiner Gruppe mehrere Deutsche, Schweizer und Franzosen.



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