Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

August 2008

Chronologie der Ereignisse


1. - 10. August noch keine Einträge

Montag, 11. August, bis Sonntag, 17. August
  • Der libanesische Präsident Michel Suleiman reist heute (12. Aug.) zu einem zweitägigen Gipfeltreffen mit seinem syrischen Kollegen Bascher el Assad nach Damaskus. Es ist der erste Besuch eines libanesischen Staatspräsidenten in dem östlichen Nachbarland seit dem syrischen Truppenabzug aus dem Libanon vor drei Jahren. Suleiman und Assad wollen über die Aufnahme regulärer diplomatischer Beziehungen und die Einrichtung von Botschaften sprechen, wie es sie seit der Unabhängigkeit beider Staaten vor 60 Jahren nicht gibt.
    Die Beziehungen zwischen Syrien und dem Libanon sind von starken Konflikten geprägt. Syrien war in den 90er Jahren als Schutzmacht des Libanons aufgetreten und hatte Soldaten im Zedernstaat stationiert.
  • Kurz vor dem syrisch-libanesischen Versöhnungsgipfel in Damaskus ist der Libanon von einem schweren Bombenanschlag erschüttert worden. 14 Menschen wurden getötet, darunter ein acht Jahre alter Schuhputzerjunge, wie die Sicherheitsbehörden in der nordlibanesischen Hafenstadt Tripoli am 13. Aug. mitteilten. Der 20-Kilo-Sprengsatz war in einem Koffer ver-steckt. Er explodierte an einer belebten Einkaufsstraße im Stadtzentrum, unweit eines Busses, in dem zahlreiche Soldaten saßen. Der neue libanesische Präsident Michel Suleiman rief die Bevölkerung zu Versöhnung und Einigkeit auf. Auch die Europäische Union verur-teil¬te den Anschlag.
    Durch die Wucht der Explosion wurden Körperteile auf umliegende Hausdächer geschleudert. Vor den Krankenhäusern sammelten sich Menschen, die verzweifelt nach Informationen über vermisste Angehörige suchten. "Ich weiß nicht, ob mein Sohn dabei ist - wo er ist", weinte eine Frau. "Er sollte heute morgen den Bus nehmen, um zum Dienst zu fahren." Ein Krankenhausmitarbeiter sagte, manche Leichen seien so zerfetzt, dass die Identifizierung schwierig sei.
    Der UN-Sicherheitsrat hat mit scharfen Worten auf den Bombenanschlag mit 14 Toten im Libanon reagiert. Die 15 Mitglieder des Gremiums verurteilten den "terroristischen Anschlag" in der nordlibanesischen Stadt Tripoli "auf das Schärfste", wie der Sicherheitsrat am UN-Sitz in New York erklärte. Die Mitglieder verlangten, die Schuldigen für diese "verwerfliche" Tat zur Rechenschaft zu ziehen. Zuvor hatte bereits UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Anschlag verurteilt.
  • Nach mehr als sechs Jahrzehnten, in denen Syrien und der Libanon als unabhängige Staaten nebeneinander existieren, werden die beiden Länder ihr Verhältnis normalisieren. Das ist das Ergebnis eines zweitägigen Besuchs (13. – 14. Aug.) des libanesischen Präsidenten Michel Suleiman in Damaskus. Er und sein syrischer Amtskollege vereinbarten die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Markierung des Grenzverlaufs zwischen beiden Ländern. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßte die Entwicklung.
Montag, 18. August, bis Sonntag, 24. August
  • Israels Regierungschef Ehud Olmert hat für den Fall eines Krieges gegen einen von der radikalislamischen Hisbollah beherrschten Libanon mit dem Einsatz aller militärischen Mittel gedroht. Während des Libanon-Kriegs im Juli 2006 habe Israel "viel massivere Mittel" als die angewendeten besessen, erklärte Olmert am 19. Aug. Diese seien jedoch nicht zum Einsatz gekommen, da das israelische Militär gegen eine "terroristische Organisation" und nicht gegen einen Staat gekämpft habe. Wenn "der Libanon zu einem Hisbollah-Staat wird, werden wir uns keine Beschränkung auferlegen", warnte Olmert.
    Anfang August hatte es aus israelischen Regierungskreisen geheißen, die libanesische Regierung sei auf die Linie der Hisbollah eingeschwenkt und erlaube der Miliz, mit Waffengewalt gegen Israel vorzugehen.
Montag 25. August, bis Sonntag, 31. August
  • Die israelische Friedensorganisation Peace Now hat diese Woche einen verheerenden Bericht über Jerusalems Siedlungsaktivitäten veröffentlicht. Israel hat Ende 2007 zwar in einen Verhand¬lungsprozess mit den Palästinensern eingewilligt, gleichzeitig aber den Ausbau seiner Siedlungen im Westjordanland massiv beschleunigt.
    Mehr als 1000 neue Gebäude lässt die Regierung in Jerusalem aus dem Boden stampfen, schreibt Peace Now. Allein zwischen Januar und Mai 2008 wurde mit der Konstruktion von 433 Wohnungen begonnen. Damit wurden fast doppelt so viele Baugenehmigungen wie im Vergleichszeitraum 2007 vergeben. Die Zahl der Ausschreibungen für Bautätigkeiten in den Siedlungen ist im Vergleichszeitraum gar um 550 Prozent gestiegen. Als erste prominente Kritikerin meldete sich US-Außenministerin Condoleezza Rice zu Wort. Israels Aktivitäten seien "nicht hilfreich", sagte sie am Dienstag (26. Sep.). Aber warum hat Israel im November in Verhandlungen eingewilligt, um dann seine Bautätigkeit zu beschleunigen? "Da hat jemand das Gefühl, dass ihm die Zeit davonläuft", antwortet der Mann aus Ramallah, der lieber anonym bleiben möchte, "die Israelis wollen noch rasch Fakten schaffen." Die Frustration unter den palästinensischen Verhandlern habe inzwischen jedenfalls einen Höhepunkt erreicht. Warum verlassen sie dann nicht - zumindest aus Protest - den Verhandlungstisch? "Wenn wir morgen aufstehen und gehen, dann fleht uns die ganze Welt übermorgen an zurück¬zukehren. Und es würde so aussehen, als ob wir das Hindernis für ein Abkommen wären."
    Dass die Zahlen so sprunghaft angestiegen sind, dafür sei die Siedlerbewegung verantwortlich. Um Annapolis zu stoppen, hätten sie in den vergangenen Monaten einfach weit mehr Anträge für Baugenehmigungen gestellt. Dass die Regierung diese genehmigt, dabei aber nicht weiß, welchen Schaden sie anrichtet, dafür spricht ihre Argumentation. Jerusalem rechtfertigt sich stets damit, dass der Siedlungsausbau nur in Gebieten voran¬ge-trie¬ben werde, die ohnehin bei jedem Verhandlungsergebnis bei Israel bleiben werden.
    Der österreichische Nahostexperte John Bunzl dagegen spricht vielmehr von einem Automatismus in der Siedlungspolitik: „Das läuft einfach und wird nicht gestoppt. Einen eigenen Beschluss der Regierung braucht es gar nicht“.
  • Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wird heute (27. Aug.) zu einem Besuch im Libanon erwartet. Abbas will in Beirut mit Präsident Michel Suleiman und Ministerpräsident Fuad Siniora zusammentreffen. Bei den Gesprächen soll es unter anderem um das Schicksal der rund 400.000 palästinensischen Flüchtlinge im Libanon gehen.
  • Der israelische Friedensaktivist Abie Nathan ist im Alter von 81 Jahren in Tel Aviv gestorben. Das berichtete der israelische Rundfunk am Abend des 27. August. Nathan war nach zwei Schlaganfällen 1996 und 1997 schwer krank. Der im Iran geborene Nathan war Gründer des Senders „Die Stimme des Friedens“, der bis 1993 von einem Schiff vor der Küste Israels sendete. Bekannt wurde Nathan 1962, als er mit einem Kleinflugzeug nach Ägypten flog, um sich mit dem damaligen Präsidenten Gamal Abdul Nasser zu treffen.
  • Unbekannte haben am 28. Sep. im Süden des Libanon einen Hubschrauber der Armee beschossen und einen Leutnant der Streitkräfte getötet. Nach Angaben der libanesischen Armee befand sich der Hubschrauber auf einem Trainingsflug, als er beschossen und damit in der Region Sedschud zur Landung gezwungen wurde. Bei dem Vorfall wurde ein Soldat getötet. Wie ein libanesischer Geheimdienstvertreter mitteilte, wurden weitere Besatzungs-mit¬glie¬der verletzt. Das libanesische Rote Kreuz schickte ein Team in die Region, um die Verwun¬deten zu versorgen.
    Sedschud befindet sich in einem Gebiet, das während der bis 2000 andauernden israelischen Besatzung des Südlibanon als Hochburg der Schiitenmiliz Hisbollah galt. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach unterdessen mit dem libanesischen Präsidenten
  • Der Abschuss des Armeehubschraubers im Südlibanon am Donnerstag (28. Sep.) geht offenbar auf das Konto der schiitischen Hisbollah. Die Hisbollah übergab den mutmaßlichen Schützen am 29. Sep. den libanesischen Behörden. Aus Sicherheitskreisen in Beirut hatte es geheißen, Hisbollahkämpfer hätten den Hubschrauber vermutlich beschossen, weil sie ihn für einen Helikopter der israelischen Armee gehalten hätten.
  • Ägypten hat Behördenkreisen zufolge am Samstag (30. Aug.) seine Grenze zum Gazastreifen für Hunderte Palästinenser geöffnet. Die auf zwei Tage befristete Maßnahme solle Bewoh¬nern des Palästinensergebiets, die über ausländische Aufenthaltsgenehmigungen verfügten, die Ausreise ermöglichen, hieß es aus den ägyptischen Sicherheits- und Grenz¬be-hörden. Rund 100 Menschen seien bereits nach Ägypten ausgereist und 200 Palästi¬nen¬ser in den Gaza¬strei¬fen heimgekehrt. Palästinensische Stellen sprachen von mehr als 500 Ägyptern und Bewoh¬nern Gazas, die den Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah verlassen hätten. Hunderte könnten noch folgen.
  • Praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas Hunderte Gesetze überarbeiten lassen, wie die Nachrichtenagentur Reuters am 20. Sep. meldet. Ein Teil der Änderungen, die auf tiefgreifende Reformen hinauslaufen, kommt For¬derun¬gen liberaler Kräfte entgegen und dürfte ausländi¬sche Investitionen erleichtern.
    Der Nachrichtenagentur Reuters liegen Hunderte Dekrete des Präsidenten und ein auf fünf Jahre angelegter Gesetzgebungsplan vor. Die Dekrete betreffen nahezu das gesamte öffent-liche Leben in den Sektoren Wirtschaft, Verwaltung, Infrastruktur, Kultur und Medien, Justiz sowie Sozialwesen. Sie gelten für den Haushalt ebenso wie für das Steuerrecht oder die gehei¬me Militärgerichtsbarkeit. Investoren winken danach Steuererleichterungen, und die Befug¬nis¬se des für die Sicherheitsdienste zuständigen Innenministeriums wurden erweitert. Ein Regierungssprecher sagte, Abbas sei zum Regieren per Dekret gezwungen gewesen, weil das Parlament nicht funktionsfähig sei. Zu einem späteren Zeitpunkt könne die Volksvertretung die Verordnungen überprüfen.
  • Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert will noch vor seinem Rückzug aus der Politik eine grundsätzliche Einigung mit den Palästinensern aushandeln. Wie der israelische Rundfunk am 31. Aug. meldete, möchte Olmert schon im kommenden Monat mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Washington ein "Grundsatzabkommen" präsentieren. Ein Friedens¬ab¬kom¬men, das die umstrittene Frage des Status' von Jerusalem ausklammere, könnte dann noch vor Ende des Jahres mit den Palästinensern abgeschlossen werden, sagte ein ranghoher israelischer Vertreter nach einem Treffen zwischen Olmert und Abbas.
    Der palästinensische Unterhändler Sajeb Erakat schloss hingegen eine Teillösung ohne eine Einigung über Jerusalem aus. Die Palästinenser seien nicht empfänglich für eine "Interims-lösung", sagte Erakat in Ramallah im Westjordanland. Die Verhandlungen würden so lange andauern, bis eine Regelung gefunden sei, um die israelische "Besatzung" zu beenden. Damit sprach Erakat auch die zahlreichen israelischen Siedlungen im Westjordanland an und forderte erneut einen sofortigen Stopp des weiteren Siedlungsbaus.



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