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Februar 2006

Chronologie der Ereignisse


Mittwoch, 1. Februar, bis Sonntag, 5. Februar
  • Die Proteste gegen die Veröffentlichung von Karikaturen des Propheten Mohammed in europäischen Zeitungen werden militanter. In der Stadt Gaza drangen am 2. Feb. etwa 50 maskierte und mit Schnellfeuergewehren und Panzerfäusten bewaffnete Palästinenser in den Vorgarten des dortigen EU-Büros ein und feuerten Schüsse ab. Wie erst am 2. Feb. bekannt wurde, hat die Europäische Union ihre Vertretung im Gazastreifen wegen des sich verschärfenden Streits um die zuerst in Dänemark "Jyllands-Posten" veröffentlichten Karikaturen aber bereits geschlossen. Das Büro war deshalb nicht besetzt. Bei dem Protest in Gaza seien auch Schüsse auf das Gebäude abgegeben worden, sagte ein EU-Mitarbeiter weiter. Wann die Arbeit wieder aufgenommen werde, sei nicht bekannt.
  • Das EU-Parlament hat neue Finanzmittel an die Palästinenser nach dem Wahlsieg der radikalislamischen Hamas vom Verzicht auf Gewalt und der Anerkennung Israels abhängig gemacht. In einer am 2. Feb. verabschiedeten Entschließung stellten sich die Europaabgeordneten hinter den Beschluss der EU-Außenminister vom 30. Jan. Die Bereitschaft der EU, weiterhin der größte Geber von Hilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde zu sein, hänge "von einer klaren Verurteilung der Gewalt seitens der neuen Regierung und einer Anerkennung Israels" ab, erklärte das EU-Parlament. Das neue palästinensische Parlament und die künftige Regierung müssten sich zudem zu dem bisherigen Nahost-Friedensplan bekennen, der eine Zwei-Staaten-Lösung anstrebt. Das Wahlergebnis habe eine "tief greifende Veränderung und Radikalisierung der politischen Arena in Palästina ausgelöst", heißt es in der Entschließung des EU-Parlaments. Es zeuge von den schwierigen Lebensbedingungen der Palästinenser unter israelischer Besatzung und lasse in starkem Maße Kritik und Unmut gegen die bisherige Regierung erkennen. Die internationale Gemeinschaft müsse eine weitere Radikalisierung im Nahost-Konflikt verhindern. Eines der ungelösten Probleme sei Ost-Jerusalem, stellt das EU-Parlament fest. Die Abgeordneten fordern die "Beendigung der diskriminierenden Behandlung palästinensischer Bürger und die Wiedereröffnung der palästinensischen Einrichtungen in Ost-Jerusalem".
  • Vertreter der bei den palästinensischen Parlamentswahlen siegreichen radikalen Hamas und der bisher regierenden Fatah haben Beratungen über die Regierungsbildung aufgenommen. Die Hamas forderte die Fatah erneut auf, ihren Beschluss zu überdenken, sich an der künftigen Regierung nicht zu beteiligen. Fatah-Vertreter hätten zugesagt, dies in der Parteiführung zu diskutieren, verlautete am 3. Feb. aus Hamas-Kreisen. Am 4. Feb. wolle Präsident Abbas im Gaza-Streifen Führer der Hamas empfangen.
    Der ägyptische Präsident Mubarak erklärte in einem Interview, es werde keine Hamas-geführte Regierung in Palästina geben, solange die islamische Organisation Israel nicht anerkenne. Hamas-Politbürochef Khaled Mechaal bot Israel am 3. Feb. Verhandlungen über eine langfristige Waffenruhe an, betonte aber: "Wir werden die Rechtmäßigkeit des zionistischen Staates, der auf unserem Land errichtet wurde, niemals anerkennen".
  • Der Grüne Europaabgeordnete Johannes Voggenhuber (Österreich) hat die EU zur Wachsamkeit gegenüber der bei den palästinensischen Wahlen siegreichen radikalislamischen Hamas aufgerufen. In einem Gastkommentar für die aktuelle Ausgabe des Nachrichtenmagazins "profil" (3. Feb.) schrieb Voggenhuber: "Die Hamas will den jahrzehntelangen Friedensprozess annullieren, den Konflikt um die Existenz Israels neu aufrollen." Noch möge die Hamas glauben, Verhandlungen nach der Formel "Land gegen - vorläufigen - Frieden" führen zu können. "Aber wenn nicht gelingt, was nicht gelingen kann, wird sie sich ihrer politischen Natur nach für die Gewalt entscheiden. Und das Elend der Menschen in Palästina wird dann wieder einmal zum Treibsatz für diese Gewalt", meinte Voggenhuber.
  • Aus Protest gegen die Veröffentlichung von Karikaturen des islamischen Religionsstifters Mohammed in europäischen Zeitungen haben Palästinenser am 4. Feb. in der Stadt Gaza das deutsche Kulturzentrum und das Büro der EU-Kommission attackiert. Militante Palästinenser verschleppten in Gaza ein polnisches Ehepaar. Unbekannte hätten den Mann, einen gebürtigen Palästinenser, und dessen Frau auf einer Hauptstraße entführt, teilte die Polizei mit. Der Mann arbeite für ein Hilfsprogramm im Gaza-Streifen. Berichte über die Entführung eines dritten Ausländers in Rafah im Süden des Gaza-Streifens blieben unbestätigt.
  • Nach ihrem Sieg bei der palästinensischen Parlamentswahl hat die radikal-islamische Hamas die bisher regierende Fatah offiziell zu einer Regierungskoalition eingeladen. Dazu habe es in vergangenen Tagen bereits zwei Treffen mit Fatah-Politikern gegeben, sagte der Hamas-Führer Ismail Hanija am 4. Feb. in Gaza. "Wir haben die Wahlen und ihr Ergebnis diskutiert, wie auch die gemeinsame Arbeit in der kommenden Zeit", sagte Hanija. Hamas-Führer wollten sich noch am 4. Feb. in Gaza mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas treffen, um über die Bildung einer Regierung zu sprechen.
  • Auch in den palästinensischen Gebieten beteiligten sich am Wochenende (4./5. Feb.) Zehntausende an Protesten gegen die Mohammed-Karikaturen in europäischen Zeitungen. Viele Palästinenser fordern den Boykott dänischer, französischer und norwegischer Produkte. In Nablus verbrannten etwa 20 000 Demonstranten die Fahnen dieser Länder. "Die Verbrecher werden ihre gerechte Strafe durch die arabischen Völker erfahren, die bereit sind, sich für den Propheten zu opfern", rief Yassser Mansour, neugewählter Parlamentsabgeordneter der Hamas. In Gaza-Stadt richteten Dutzende Palästinenser Sachschaden an der deutschen Vertretung an und verbrannten die Fahne. Viele ausländische Einrichtungen, auch die deutschen, sind bis auf weiteres geschlossen, Personal musste die palästinensischen Gebiete verlassen. Scheich Ikrima Sabri, Mufti von Palästina, rief die Gläubigen jedoch dazu auf, skandinavische Bürger zu schonen.
  • Am 5. Feb. hat die israelische Luftwaffe einen Angriff in Gaza-Stadt durchgeführt. Dabei kam der Bombenexperte Adnan Bustnan (28 Jahre), sowie Dschihad al-Sauafiri (31 Jahre) ums Leben. Beide waren Mitglieder der Extremistenorganisation Islamischer Dschihad, die in Palästina ansässig ist. Bustnan war für die Produktion von Raketen und Sprengstoffen zuständig, während al-Sauafiri für Raketenangriffe auf Israel verantwortlich war. Vor dem Gebäude, in welchem die beiden Toten aufgebahrt wurden, kamen viele Palästinenser zusammen und skandierten: "Tod für Israel, Tod für Amerika". Der Dschihad erklärte: "Wir werden die Erde verbrennen und überall antworten".
Montag, 6. Februar, bis Sonntag, 11. Februar
  • Der amtierende israelische Ministerpräsident Olmert hat Palästinenserpräsident Abbas eine weitere Zusammenarbeit zugesagt, solange dieser sich nicht mit der Hamas-Bewegung verbündet. Ziel sei "eine Stärkung der Kräfte, die Israels Recht auf ein Leben ohne Terror und in sicheren Grenzen anerkennen", sagte Olmert am 6. Feb. in Tel Aviv. Solange die Hamas nicht an einer Regierung beteiligt sei, werde Israel den Palästinensern auch weiter ihre Steuereinnahmen von monatlich rund 50 Millionen Euro überweisen. Die Tageszeitung Haaretz berichtete, Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas habe an Olmert die Botschaft übermitteln lassen, er werde auch nach einer Regierungsübernahme durch die Hamas für die diplomatischen Kontakte mit Israel zuständig bleiben. Zugleich habe Abbas darum gebeten, den Dialog mit ihm fortzusetzen.
  • Die israelische Kadima-Partei will nach den Worten des amtierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert drei große Siedlungsblöcke im Westjordanland und das Jordantal für einen israelischen Staat behalten. Erstmals nenne damit ein ranghoher Politiker Einzelheiten, welche Gebiete Israel behalten wolle, sagte der Redakteur Nissim Mischal im Armeerundfunk am 7. Feb. Olmert habe erklärt, er wolle die drei großen Siedlungsblöcke Ariel, Gusch Etzion und Maaleh Adumin sowie das Jordantal behalten.
  • Bei einer Explosion in Gaza-Stadt wurden am 7. Feb. nach palästinensischen Angaben zwei Insassen eines Autos getötet. Zuvor hatten in Nablus israelische Soldaten einen Kämpfer des Islamischen Dschihad erschossen. Nach Raketenangriffen palästinensischer Extremisten flogen die Streitkräfte im Gaza-Streifen einen Luftangriff. Strom- und Telefonleitungen wurden zerstört. Bei dem palästinensischen Angriff schlug eine Rakete in der israelischen Stadt Sderot ein.
  • In Hebron im Westjordanland verwüsteten Demonstranten am 8. Feb. das Gebäude der Beobachtermission TIPH. Sie warfen Fensterscheiben ein und versuchten, eines der Gebäude in Brand zu setzen. Die Mission wurde daraufhin abgebrochen.
  • Seitdem am 3. Feb. ein Baby und mehrere seiner Verwandten in einem Kibbuz nahe dem Gaza durch palästinensische Kassem-Raketen verletzt worden war, führt Israel eine neue Militäroffensive. Bei gezielten Luftangriffen auf palästinensische Zellen wurden am 8. Feb. sieben Mitglieder der Al-Aksa-Brigaden und zwei Dschihad-Kämpfer getötet. Einen weiteren Bewaffneten erschossen israelische Soldaten während eines Feuerwechsels am Grenzkontrollpunkt Karni. Die Armee vermutete, dass er einen Sprengkörper an dem mehrere Meter hohen Sicherheitszaun anbringen wollte, der Gaza umgibt.
  • Der Politbürochef der Hamas, Khaled Mischal, sprach am 8. Feb. in einem BBC-Interview von der Möglichkeit eines langfristigen Waffenstillstands, falls Israel sich auf die 67er Grenzen zurückziehe.
  • Militante Palästinenser haben am 9. Feb. in der Stadt Gaza erstmals einen ranghohen Diplomaten entführt. Maskierte und bewaffnete Männer hätten den ägyptischen Militärattaché Hussam al-Musali vor der diplomatischen Vertretung in ihre Gewalt gebracht und gezwungen, in ein Auto zu steigen, hieß es aus palästinensischen Sicherheitskreisen. Bei der Entführung des Militärattachés handelte es sich um die erste Geiselnahme eines arabischen Diplomaten überhaupt im Gaza-Streifen. Über das Tatmotiv wurde zunächst nichts bekannt.
  • Bei neuer Gewalt im Gaza-Streifen wurden am 9. Feb. drei Palästinenser getötet. Zwei Bewaffnete kamen bei einem Angriff auf den von Israel kontrollierten Grenzübergang Eres ums Leben, später wurde ein Dritter bei Bet Hanun von einer Panzergranate getötet. Eine Armeesprecherin teilte nach dem Feuergefecht am Grenzübergang Eres mit, zwei Angreifer seien in einen Tunnel eingedrungen, der palästinensischen Arbeitskräften zur Passage nach Israel dient. Die mit Schnellfeuergewehren und einem Sprengstoffgürtel bewaffneten Männer hätten das Feuer auf Soldaten eröffnet und Handgranaten geworfen. Der israelische Rundfunk meldete, nach einer halben Stunde heftigen Schusswechsels seien die Palästinenser tödlich getroffen worden.
  • Die palästinensische Autonomiebehörde entließ unterdessen etwa 40 Mitglieder der radikalen Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad aus einem Gefängnis in Jericho. Sie waren nach einem Selbstmordanschlag in der israelischen Stadt Hadera Ende Oktober verhaftet worden. Dabei waren fünf Israelis ums Leben gekommen. Der Islamische Dschihad hatte sich zu dem Anschlag bekannt. Den Verhafteten konnte den Angaben zufolge jedoch keine Beteiligung an Terrorabschlägen nachgewiesen werden.
  • Russlands Präsident Wladimir Putin will die Führung der radikal-islamischen Hamas-Bewegung nach Moskau einladen, hieß es am 9. Feb. Putin hatte bei einem Besuch in Madrid die Absicht kundgetan, die Hamas-Führer nach Moskau einzuladen. Die Islamisten-Organisation sei demokratisch gewählt. "Wir müssen die Wahl des palästinensischen Volkes respektieren." Auch habe Moskau die Hamas "niemals als Terrororganisation" eingestuft.
  • Die Einladung an die radikal-islamische Hamas zu Gesprächen in Russland hat in Israel helle Empörung ausgelöst. Kabinettsmitglied Meir Schitrit warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 10. Feb. vor, mit seinen Äußerungen Israel und der internationalen Gemeinschaft in den Rücken zu fallen. Putins Haltung komme einem "Dolchstoß" gleich und erinnere an die Unterstützung der Sowjetunion für den arabischen Block, sagte Schitrit: "Russland kehrt zu den Fehlern seiner Vergangenheit zurück." Er forderte den Ausschluss Russlands von allen Nahost-Verhandlungen.
  • In Gaza kam Freitagnacht (10. Feb.) der einen Tag zuvor gekidnappte ägyptische Militärattache frei. Die Entführer hatten ursprünglich die Entlassung von Häftlingen aus ägyptischen Gefängnissen gefordert.
  • Israel pocht auf eine harte Haltung gegenüber einer Regierung der radikalislamischen Hamas. Wenn das neue palästinensische Parlament vereidigt sei, werde es keinerlei Entgegenkommen geben, betonte der amtierende Premier Ehud Olmert. Ab diesem Zeitpunkt werde man die palästinensische Autonomieverwaltung wie eine von der Hamas geführte behandeln, sagte Olmert am 12. Feb. im Kabinett. Die Islamisten haben bei der Wahl am 25. Februar die absolute Parlamentsmehrheit gewonnen. Sobald sie sich konstituiere, so Olmert, werde man die bisherigen Spielregeln ändern. "Wir knicken gegenüber niemandem ein. Unser Nein ist ein Nein."
  • Zusammenstöße gab es am 12. Feb. in einem Westbank-Dorf nahe Kalkilia, nachdem jüdische Siedler dort Sprüche, die den Propheten Mohammed beleidigten, auf eine Moschee gesprüht hatten. Die israelische Armee entfernte das Graffiti.
Montag, 13. Februar, bis Sonntag, 19. Februar
  • "Ich will Israel wissen lassen, dass es auf unsere Solidarität zählen kann, speziell nach den palästinensischen Wahlen", betonte der deutsche Außenamtschef am 13. Feb. nach einer Unterredung mit dem amtierenden Premier Ehud Olmert in Jerusalem. Ausdrücklich bestätigte er dabei die vereinbarten Prinzipien für eine Kontaktaufnahme zu der radikalislamischen Hamas. Erstens müsse die Hamas auf Gewalt verzichten und die Waffen niederlegen, zweitens Israels Existenzrecht anerkennen und drittens bestehende Friedensabkommen respektieren. In diesem Punkt "unterscheiden wir uns nicht vom Nahost-Quartett", sagte Steinmeier. Er habe "nicht den Eindruck, dass wir uns von dieser Position wegbewegen".
    Steinmeier traf auch mit seiner israelischen Amtskollegin Zipi Livni zusammen. Unter keinen Umständen, bekräftigte Außenministerin Zipi Livni, dürfe eine Terrororganisation wie die Hamas "weiß gewaschen werden". Wenn ein Staat Terror fördere, könne man dies nicht dulden, erst recht nicht, wenn eine ganze Regierung von Terroristen bestimmt werde. Bei ihrem Besuch in Washington hatte sie sich entsprechenden Rückhalts vergewissert. So soll US-Präsident George W. Bush ihr laut der Zeitung Maariv versichert haben, man müsse gegen die Hamas "mauern". Selbst wenn die Welt nicht mitmache, werde er, Bush, bei seiner Meinung bleiben.
  • Der Sohn des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, Omri Scharon, muss wegen illegaler Wahlkampffinanzierung für neun Monate ins Gefängnis. Der Verurteilte müsse die Haft aber erst am 31. August antreten, weil sein Vater nach einem schweren Schlaganfall im Koma liegt, berichtete der israelische Rundfunk am 14. Feb. Neun weitere Monate Haft wurden danach zur Bewährung ausgesetzt. Omri Scharon muss zudem 300 000 Schekel (rund 54 000 Euro) Strafe zahlen.
    Omri Scharon war angeklagt, Scheinfirmen betrieben zu haben, über die im Jahr 1999 der Wahlkampf seines Vaters bei einer partei-internen Vorwahl in der heute regierenden Likud-Partei finanziert wurde. In der Anklageschrift hieß es, Omri Scharon habe sechs Millionen Schekel (mehr als eine Million Euro) Spenden gesammelt, mehr als sieben Mal so viel wie nach israelischem Wahlgesetz erlaubt. Ariel Scharon gab an, er habe den Wahlkampf vollständig seinem Sohn überlassen.
  • Bei seinem Besuch in Ramallah hat Bundesaußenminister Steinmeier den politischen Spielraum ausgelotet, der Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas nach dem Hamas-Sieg bleibt. Bei seinem palästinensischen Kollegen Nasser el-Kidwa stieß Frank-Walter Steinmeier (SPD) eigenen Worten zufolge auf Verständnis für die Vorbedingungen, die Europa an eine Kontaktaufnahme zur Hamas knüpft. Die Autonomiebehörden könnten nur unterstützt werden, bekräftigte Steinmeier in Ramallah, wenn die künftige Regierung eine Friedenspolitik unterstütze und das Existenzrecht Israels anerkenne. Er hoffe, dass die Rede von Abbas vor der konstituierenden Parlamentssitzung am 18. Feb. "Wegweisendes" aufzeigen könne. Den palästinensischen Präsidenten traf Steinmeier, bevor er nach Jordanien und in die Türkei weiterreiste.
  • Die New York Times berichtete am 14. Feb. über einen von Israel und den USA erwogenen Plan, eine Hamas-Regierung wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Er ziele darauf ab, die Autonomiegebiete zu isolieren und alle westlichen Geldhähne zuzudrehen Damit wären jährlich 800 Millionen Euro blockiert. So wolle man die Palästinenser spüren lassen, dass unter der Hamas nichts besser werde, sondern alles viel schlimmer. Das könnte zu einem Regierungskollaps führen und in Folge zur Auflösung des Parlaments durch Präsident Mahmoud Abbas sowie Neuwahlen.
    Die USA wiesen am 14. Feb. einen Bericht zurück, nachdem sie mit Israel an Plänen zur Destabilisierung der radikal-islamischen Hamas arbeiten. "Es gibt keinen amerikanisch-israelischen Plan, kein Projekt, Komplott, keine Verschwörung zur Destabilisierung oder zum Unterlaufen einer künftigen palästinensischen Regierung", sagte US-Außenamtssprecher Sean McCormack.
  • Die Türkei hat sich als Vermittler in Nahost angeboten. "Wir sind bereit zu helfen, soweit wir das können", sagte der türkische Außenminister Abdullah Gül am 14. Feb. nach einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier. Vermitteln will die Türkei laut Gül vor allem im Konflikt zwischen der radikal-islamischen Hamas und dem Westen sowie Israel.
  • Israelische Soldaten erschossen am 15. Feb. im Westjordanland nach palästinensischen Angaben einen geistig zurückgebliebenen Jungen. Dieser hatte offenbar Steine auf ein Haus geworfen, in dem die Soldaten postiert waren.
  • Türkische Regierungspolitiker haben am 16. Feb. eine Delegation der palästinensischen Extremistengruppe Hamas in Ankara empfangen. Bundesaußenminister Steinmeier kritisierte das Treffen. Die türkischen Politiker durchkreuzen damit die Strategie Israels, die Hamas international zu isolieren. Sie setzen sich auch von der Position der Europäischen Union (EU) ab, die Kontakte mit der Hamas weiter ablehnt, wie EU-Chefdiplomat Javier Solana am 16. Feb. in Ramallah bekräftigte. Außenminister Frank-Walter Steinmeier betonte am 16. Feb. in Berlin: "Solche Gespräche können nur stattfinden, wenn sie ganz klar dazu dienen, die Botschaft auszusenden: Anerkennung (Israels), Verzicht auf Gewalt und Anerkennung des bisher erreichten Verhandlungsstandes zwischen Israel und den Palästinensern".
    Die islamisch geprägte türkische Regierung, die über traditionell gute Beziehungen zu den Palästinensern verfügt, gleichzeitig aber eine enge militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Israel unterhält, will offenbar nun den Eindruck zerstreuen, es handele sich um offizielle Kontakte, verwickelt sich dabei aber in Widersprüche. Die Abordnung sei auf eigene Initiative in die Türkei gekommen, hieß es in einer Erklärung des türkischen Außenministeriums. Dagegen war in Regierungskreisen zu erfahren, die Delegation sei von der regierenden Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) nach Ankara eingeladen worden. In deren Zentrale finden die Gespräche statt. Ob an ihnen neben Parteifunktionären auch Regierungsmitglieder teilnehmen werden, war zunächst unklar. Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan lehnte ein Treffen mit der Hamas ab. Dies stehe nicht zur Debatte, erklärte ein Mitarbeiter von Erdogans Büro am 16. Feb. in Ankara.
  • Die konstituierende Sitzung des neu gewählten palästinensischen Parlaments am 18. Feb. wird nur per Videokonferenz möglich sein. Nach dem Hamas-Sieg will Israel allen Abgeordneten aus Gaza die Reise nach Ramallah versperren. Weitere Sanktionsvorschläge des Sicherheitsapparates billigte Premier Ehud Olmert am 17. Feb. Sie bedürfen aber noch der Zustimmung des israelischen Kabinetts am 19. Feb. Demnach sollen Palästinenser aus dem Gazastreifen grundsätzlich nicht mehr in Israel arbeiten dürfen. Auch sollen alle Pläne für eine Passage zwischen Gaza und Westbank sowie für den Bau eines Seehafens auf Eis gelegt werden. Der Repressionskatalog bedeutet zugleich eine Absage an die Vereinbarung über eine Grenzöffnung, die vergangenen Herbst unter Vermittlung von US-Außenministerin Condoleeza Rice zustande gekommen war. Die linke Knesset-Abgeordnete Zahava Gal-On (Meretz) sprach von "Kollektivstrafen".
  • Laut israelischem Radio vom 17. Feb. hat die Hamas die USA aufgefordert, sie von der Terrorliste zu streichen. Die Nummer zwei der Exil-Hamas, Moussa Abu Marzouk, bekundete Interesse an Verhandlungen mit Washington. Das palästinensische Volk wolle Frieden. Einige außenpolitische Erfolge hat die Hamas bereits eingeheimst. So erhielt ihr Politbürochef Khaled Mischal eine Einladung nach Moskau. Auch in Jordanien, das ihn vor Jahren ausgewiesen hatte, ist er wieder willkommen. Am 16. Feb. empfing ihn sogar der türkische Außenminister.
  • Hamas hat ihren Spitzenpolitiker Ismail Hanija am 19. Feb. für das Amt des palästinensischen Ministerpräsidenten vorgeschlagen. Hanija sagte, seine Nominierung zum neuen Regierungschef sei die Entscheidung der Hamas im Gazastreifen und im Westjordanland, an der auch inhaftierte Mitglieder der Bewegung beteiligt gewesen seien. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte bei der Eröffnung des Parlaments am 18. Feb. angekündigt, er werde Hamas mit der Regierungsbildung beauftragen. Die radikal-islamische Organisation hatte bei den Wahlen am 25. Januar 74 der 132 Parlamentssitze errungen. Abbas forderte die Hamas auf, an friedlichen Verhandlungen mit Israel festzuhalten.
  • Israel hat nach der Konstituierung des von der radikal-islamischen Hamas dominierten palästinensischen Parlaments Wirtschaftssanktionen gegen die Palästinenser beschlossen. Die israelische Regierung entschied am 19. Feb., die Überweisung von Steuereinnahmen und Zollrückzahlungen in Höhe von monatlich etwa 40 Millionen Euro zu beenden. Dies dürfte die finanziellen Schwierigkeiten der Palästinenserbehörde erheblich verschärfen. Der amtierende Ministerpräsident Ehud Olmert bezeichnete die Autonomiebehörde am 19. Feb. als "Terrorbehörde". Israel werde keine Kontakte mit einer palästinensischen Regierung unter Hamas- Beteiligung unterhalten. Israel sehe nicht die Regierungsbildung, sondern bereits die konstituierende Sitzung des Parlaments mit einer Hamas-Mehrheit als Wendepunkt.
  • Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri verurteilte die israelische Regierungsentscheidung als Einmischungsversuch. Hamas könne sich jedoch auf die Unterstützung der arabischen und islamischen Welt sowie auf die Standhaftigkeit des palästinensischen Volkes verlassen.
  • Die israelische Luftwaffe tötete am 19. Feb. im südlichen Gazastreifen zwei militante Palästinenser mit einem Raketenangriff. Nach palästinensischen Angaben waren die beiden Männer dabei, einen Raketenangriff auf israelische Grenzorte vorzubereiten.
  • Bei Zusammenstößen mit israelischen Soldaten in der Stadt Nablus wurden am 19. Feb. zwei palästinensische Jugendliche getötet und 13 weitere verletzt. Nach palästinensischen Krankenhausangaben wurden die 17- Jährigen von israelischen Geschossen getroffen, als sie gemeinsam mit Dutzenden von Einwohnern des Lagers Balata Steine auf die Truppen warfen.
Montag, 20. Februar, bis Sonntag, 26. Februar
  • Die Palästinenserführung hat am 20. Feb. vor einer weiteren Verschärfung der Finanzkrise gewarnt. Israel hatte zuvor Wirtschaftssanktionen verhängt. Wegen der Konstituierung des von der radikal-islamischen Hamas beherrschten palästinensischen Parlaments sollen Steuereinnahmen in Höhe von monatlich etwa 40 Millionen Euro nicht mehr überwiesen werden. Der palästinensische Finanzminister Masen Sonokrot beklagte auch einen Mangel an internationalen Hilfszahlungen an die Palästinenser innerhalb des vergangenen Jahres.
  • Die Hamas ist auf lange Sicht eine strategische Gefährdung für Israel. Dies sagte der Chef des israelischen Inlandgeheimdienstes Schin Beit, Juval Diskin, am 20. Feb. vor dem Knessetkomitee für Außenpolitik- und Verteidigung. Wie die Tageszeitung "Ha´aretz" berichtet, meint Diskin, der Aufstieg der radikal-islamischen Terrorgruppe könne Israels arabische Bevölkerung radikalisieren. "Wer auch immer die Ideologie der Moslembruderschaft versteht, mit welcher die Hamas verbunden ist, der weiß, dass die Hamas nicht aus ihrer Haut kann", so Diskin. Ihr endgültiges Ziel sei es, Israel zu zerstören. Die Moslembruderschaft ist eine 1928 in Ägypten gegründete Terror-Organisation. Durch den Wahlsieg der Hamas werde sich auch nicht das Verhalten der Terrorgruppe Dschihad al-Islami verändern. Sie werde ihre Terroranschläge weiterhin ausführen, fügte Diskin hinzu. Diskin nimmt zudem an, dass die Hamas Attentate in nächster Zukunft zu verhindern versuche, um der Welt zu zeigen, dass sie sich unter Kontrolle habe. (Quelle: www.israelnetz.com)
  • Die regierende Hamas will derzeit nicht mit Israel verhandeln. Erst wenn der israelische Staat "die Rechte des palästinensischen Volkes anerkannt" habe, werde man über die Aufnahme von Gesprächen entscheiden. Zudem soll sich Israel aus den besetzten Territorien zurückziehen, forderte Politbürochefs Khaled Mashaal. "Israel muss zuerst unsere Rechte anerkennen und einen Rückzug aus den besetzten Gebieten akzeptieren. Dann werden wir eine Entscheidung über Verhandlungen treffen", sagte Mashaal am 21. Feb. in Teheran. Die israelische Führung setze auf "einseitige Schritte, um die Sicherheitsinteressen Israels zu wahren, ohne auf die Interessen der Palästinenser Rücksicht zu nehmen. Daher wären Verhandlungen auf dieser Basis nur Zeitvergeudung", sagte der Hamas-Führer.
  • Die US-Regierung zeigt Verständnis für die israelischen Wirtschaftssanktionen gegenüber den Palästinensern. Außenamtssprecher Ereli sagte am 21. Feb., es handele sich um eine souveräne Entscheidung des Staates Israel. Er kündigte zugleich an, dass auch die USA ihre Hilfen für die Palästinenser überprüfen. Die USA wollten die Palästinenser unterstützen und nicht Terrororganisationen.
  • Palästinenserpräsident Mahmud Abbas setzt auch nach dem Auftrag an die Hamas zu Regierungsbildung auf Friedenspolitik. Nach unbestätigten Berichten vom 21. Feb. forderte Abbas den künftigen Premier Ismail Hanija schriftlich auf, die mit Israel unterzeichneten Friedensverträge zu akzeptieren. Hanija sagte, die Führung der radikalislamischen Organisation werde darüber beraten. Hanija sagte zudem, Hamas unterhalte Kontakte mit verschiedenen palästinensischen Fraktionen mit dem Ziel, eine möglichst breite Regierung zu bilden.
  • Die islamische Hamas hat für den 22. Feb. erste Koalitionsgespräche mit der abgewählten, gemäßigten Fatah-Bewegung angesetzt. Mit anderen Fraktionen habe er zudem bereits Gespräche über die Bildung einer neuen Regierung in den Palästinenser-Gebieten geführt, sagte der designierte Ministerpräsident und Hamas-Anführer Ismail Hanija am 21. Feb. Er hoffe, eine möglichst breite Koalition zu schaffen. "Wir wollen keine Probleme. Der Anfang macht Mut." Die kleine Partei Unabhängiges Palästina, die über zwei Sitze verfügt, habe bereits erklärt, der Regierung beizutreten, sagte ein Hamas-Sprecher.
  • Bei einem israelischen Angriff im Norden des Gazastreifens ist ein vierjähriges Kind schwer verletzt worden. Der kleine Junge sei von Granatensplittern im Gesicht getroffen worden, als ein israelisches Geschoss in einem Wohnblock in Beit Hanun eingeschlagen sei, berichteten palästinensische Augenzeugen und Krankenhausmitarbeiter am 22. Feb. Eine Militärsprecherin sagte, die Armee gehe den Berichten nach. Kurz vor dem israelischen Angriff hatten radikale Palästinenser selbstgebaute Raketen auf israelisches Gebiet abgeschossen; dazu bekannten sich die El-Aksa-Brigaden, der bewaffnete Arm der Fatah-Bewegung.
  • Israelis wollen den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in Deutschland wegen Leugnung des Holocaust und Volksverhetzung verklagen. Die israelische Tageszeitung "Jediot Achronot" berichtet am 22. Feb., ein Rechtsanwalt aus Ramat Gan bei Tel Aviv werde einen entsprechenden Prozess vor einem deutschen Gericht anstrengen. Geplant sei, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit dem Fall zu befassen. Ahmadinedschad hatte Israel mehrfach mit Zerstörung gedroht und den Holocaust bestritten.
  • In einem vertraulichen Bericht warnte das Außenministerium in Jerusalem am 22. Feb. davor, dass das Einfrieren der Gelder zum Zusammenbruch der Autonomiebehörde führen und der palästinensischen Zivilbevölkerung großen Schaden zufügen könnte. Der Bericht kommt vom Zentrum für politische Forschung im Außenministerium. Seiner Ansicht nach wird eine Verzögerung der Überweisung dazu beitragen, dass die Autonomiebehörde ihren Mitarbeitern keine Gehälter mehr zahlen kann, und das schließe auch die Mitarbeiter der Sicherheitsapparate ein, die einen bedeutenden Anteil der Beschäftigten in der Autonomiebehörde ausmachen. Werden die Gehälter nicht mehr ausgezahlt, ginge dies zu Lasten der palästinensischen Bevölkerung. Außerdem würde es die Kontrolle der Autonomiebehörde über die Sicherheitsbehörden noch mehr schwächen und die Instabilität vergrößern. (Newsletter der Israelischen Botschaft)
  • Bei ihrer ersten Nahostreise seit dem Sieg der Hamas bei den palästinensischen Parlamentswahlen tut sich US-Außenministerin Condoleezza Rice weiterhin schwer bei dem Versuch, die radikalislamische Organisation zu isolieren. Nach Ägypten weigerte sich auch Saudiarabien, die Hilfszahlungen an die Palästinenser unter einer Hamas-Regierung zu streichen. Bei der Hilfe für das palästinensische Volk dürften nur humanitäre Erwägungen eine Rolle spielen, sagte der saudische Außenminister Prinz Saud al-Faisal am 23. Feb. Zuvor hatte bereits die ebenfalls mit den USA verbündete Regierung Ägyptens Rice eine Absage erteilt und erklärt, die Welt solle Hamas nicht vorverurteilen.
  • Israelische Sicherheitsfunktionäre erwarten einen "Mega-Angriff" des Terrornetzwerks El-Kaida auf Israel noch in diesem Jahr. Die Behörden befürchten, dass ein derartiger Anschlag die Terrorattacken vom 11. September in den Schatten stellen könnten, berichtete die israelische Zeitung "Yedioth Ahronoth" am 23. Feb. in ihrer Internetausgabe. Nach Angaben des israelischen Vizegeneralstabschefs Moshe Kaplinsky unterhalten internationale Gotteskrieger reguläre Stützpunkte im Libanon und in Jordanien. Laut Sicherheitsexperten sei dies jedoch nur die Spitze eines Eisbergs. Vor zwei Jahren habe man festgestellt, dass das Terrornetzwerk nunmehr Angriffen auf Israel Vorrang einräume.
  • Am Morgen des 23. Feb. haben Palästinenser Israel mit fünf Qassam-Raketen angegriffen. Die Raketen wurden aus dem Gebiet der früheren Siedlung Dugit im Gazastreifen abgeschossen, die im August 2005 von israelischen Siedlern geräumt wurde. Es gab keine Verletzten. (Haaretz, 23.2.)
  • Israelische Soldaten haben in der Nacht zum 24. Feb. an der Grenze zum Gazastreifen das Feuer auf drei Palästinenser eröffnet, die nach Armeeangaben nach Israel eindringen wollten. Dabei wurden ein Mann getötet und zwei weitere verwundet, wie palästinensische Krankenhausmitarbeiter erklärten. Die Männer seien unbewaffnet gewesen und hätten offenbar versucht, nach Israel zu gelangen, um dort eine Arbeitsstelle zu finden.
  • Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat bekräftigt, dass er die Richtlinien der Politik bestimmt und jederzeit zu Verhandlungen mit Israel bereit ist. In einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender Channel 10 sagte Abbas am 24. Feb., die bei der Parlamentswahl siegreiche Hamas bemühe sich, den Raketenbeschuss Israels zu stoppen und die Lage in den palästinensischen Gebieten zu beruhigen. Es wird erwartet, dass die radikalislamische Bewegung in den nächsten Wochen die neue Regierung bildet.
  • Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat nach israelischen Medienberichten mit seinem Rücktritt gedroht. Angesichts der Weigerung der radikal-islamischen Hamas, Israel anzuerkennen, habe Abbas einem britischen Fernsehsender gesagt: "Wenn ich mein Amt nicht nach meinen Vorstellungen ausüben kann, dann werde ich zurücktreten." Die Tageszeitung "Haaretz" zitierte Abbas mit den Worten: "Um Regierungsverantwortung zu übernehmen, muss die Hamas eine Politik vertreten, die sich mit internationaler Politik verträgt." Nach Angaben von Radio Israel lobte Abbas den neu ernannten palästinensischen Regierungschef Ismail Hanija als "klug, flexibel and diplomatisch". Abbas forderte zugleich, nach dem Wahlsieg der Hamas keinen unangemessenen Druck auf die neue Regierung auszuüben. Maßvollen Stimmen wie die Russlands sollte Gelegenheit gegeben werden, die Hamas-Führung auf einen weniger radikalen Kurs zu bringen. (dpa, 25. Feb.)
  • Der von der radikalislamischen Hamas als palästinensischer Regierungschef vorgeschlagene Ismail Hanija hält eine schrittweise Friedenslösung für möglich, falls Israel sich hinter die Grenzen von 1967 zurückzieht. In einem am 26. Feb. veröffentlichten Interview mit der "Washington Post" und dem US-Magazin "Newsweek" sagte Hanija, in diesem Fall werde die Autonomiebehörde eine "stabile und ruhige Lage" schaffen, die den Palästinensern "Sicherheit" bringen werde. "Wir hegen keine feindseligen Gefühle gegenüber den Juden", fügte Hanija hinzu. "Wir wollen niemandem schaden, sondern lediglich unser Land zurückhaben." Hanija sagte zu, Abkommen und Vereinbarungen einzuhalten, die einen palästinensischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt und die Freilassung palästinensischer Häftlinge vorsähen.
  • Bei seinem Besuch in Ramallah versprach der US-Außenamtsgesandte David Welch am Wochenende (25./26. Feb.) Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, auch in Zukunft wolle man einen "substanziellen Beitrag" leisten. Er solle den "humanitären Bedürfnissen" des palästinensischen Volkes zugute kommen. Zuvor hatte die Bush-Administration gedroht, wegen des Hamas-Sieges alle Geldhähne zu sperren. Jetzt geht es Washington darum, einen "Hamas-Bypass" zu finden, einen Finanzierungsweg, der die Islamisten außen vor lässt und auch von Israel akzeptiert wird. Entweder sollen die Mittel künftig über Nichtregierungsorganisation nach Gaza und in die Westbank fließen - denkbar wären zum Beispiel Rotes Kreuz, Weltbank und UN-Flüchtlingshilfe UNWRA -, oder direkt an Abbas.
Montag, 27. Februar, bis Dienstag, 28. Februar
  • Rund vier Wochen vor der Amtsübernahme der radikal-islamistischen Hamas-Bewegung hat die EU-Kommission eine Finanzhilfe für die Palästinensergebiete in Höhe von 121,5 Millionen Euro angekündigt. Die noch amtierende Übergangsverwaltung soll 17,5 Millionen als Haushaltshilfe bekommen, um trotz großer Geldnot ihre Beschäftigten bezahlen zu können. Dies sagte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner am 27. Feb. in Brüssel am Rande des EU-Außenministerrates. 40 Millionen zahlt die EU direkt an palästinensische und israelische Stromversorger, um deren Rechnungen für die Dauer von etwa zwei Monaten zu begleichen. 64 Millionen sind als humanitäre Hilfe für Flüchtlinge vorgesehen.
    "Wir müssen abwarten, welche Haltung die Hamas-Regierung einnimmt. Wir müssen ihr Zeit geben. Es gibt immer noch die Chance, dass Hamas die Politik ändert", sagte Ferrero-Waldner. Nach Angaben von EU-Diplomaten dringen vor allem die USA innerhalb des Nahost-Quartetts auf eine harte Haltung gegenüber Hamas. "Wir dürfen nichts tun, was die Einigkeit des Quartetts in Frage stellt", sagte ein Diplomat. Ferrero-Waldner wollte nicht bestätigen, dass die EU eine Stärkung der Rolle von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas plane, um diesen zum Hauptgesprächspartner über mögliche Finanzhilfen zu machen. "Wir sehen die politische Notwendigkeit, Abbas zu unterstützen", sagte sie lediglich. "Wir müssen ihm jede Unterstützung geben. Aber wir können auch nicht den politischen Willen des palästinensischen Volkes ignorieren." (FR, 27. Feb.)
  • Bei einer schweren Explosion an der Einfahrt eines staatlichen israelischen Rüstungs-Instituts in der Nähe von Haifa sind vier Menschen verletzt worden. Die Explosion ereignete sich nach Polizeiangaben am 27. Feb. vor dem Forschungsinstitut Rafael in Kiriat Bialik. Den Angaben zufolge wurde die Explosion vermutlich durch ein Unglück hervorgerufen, Hinweise auf einen Anschlag lagen zunächst nicht vor. Allerdings wollte die Polizei dies nicht offiziell bestätigen.
  • Die radikalislamische Palästinenserbewegung Hamas ist nach den Worten ihres Politbürochefs Chaled Maschaal ohne Vorbedingungen zu einem Dialog mit den USA bereit. Mit Ausnahme des "zionistischen Feindes" Israel sei die Hamas zum Dialog mit jeder internationalen Partei bereit, auch mit den USA, sagte Maschaal der arabischen Tageszeitung "Al Hayat" vom 27. Feb. Ein solcher Austausch müsse auf ebenbürtiger Basis und ohne Bedingungen stattfinden. Zugleich wies er die Forderungen Israels und der internationalen Gemeinschaft unter anderem nach einem Gewaltverzicht und der Anerkennung des Existenzrechts Israels zurück. Diese "unrealistischen Bedingungen" seien von der Autonomiebehörde akzeptiert worden, ohne dass dies etwas an der Haltung Israels geändert habe, sagte der in Damaskus lebende Maschaal.



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