Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

16. bis 31. Oktober 2004

Chronologie der Ereignisse

Samstag, 16. Oktober, bis Sonntag, 24. Oktober
  • Die israelische Armee ist in der Nacht zum 17. Okt. in das palästinensische Flüchtlingslager Rafah im südlichen Gazastreifen eingerückt. Eine Armeesprecherin sagte am Morgen, im Zuge der noch andauernden Militäraktion sollten Durchsuchungen vorgenommen und Tunnel aufgespürt werden, die dem Waffenschmuggel unter der Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen dienten. Die Soldaten seien mit Schnellfeuerwaffen und Anti-Panzer-Raketen beschossen worden; es habe jedoch keine Verletzten gegeben. Die Armee habe zwei leer stehende Häuser zerstört, die militante Palästinensern als Schießstand genutzt hätten.
  • Nach Beendigung einer blutigen Offensive im Gazastreifen hat der israelische Verteidigungsminister Schaul Mofas eine Fortsetzung des Kampfes mit "besonderen Mitteln" angekündigt. Mofas sagte, Israel habe mit der Militäraktion "Tage der Buße" seine wichtigsten Ziele erreicht. Die Armee halte sich aber auf Beobachtungspositionen für einen neuen Einsatz bereit, sollte dies notwendig werden.
  • Ohne Annäherung ist am Abend des 17. Okt. ein Gespräch des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon mit Vertretern jüdischer Siedler über den geplanten Abzug aus dem Gazastreifen zu Ende gegangen. Die Siedler richteten nach Informationen des israelischen Fernsehens schwere Vorwürfe an Scharon: Mit seinem Plan zum Abbruch aller Siedlungen im Gazastreifen führe der Ministerpräsident das Land in die Spaltung. Der führende Siedlervertreter Pinhas Wallerstein sagte laut Fernsehen: "Das war eines der schändlichsten Treffen mit einem Ministerpräsidenten von Israel." Der Generalsekretär des Siedlerrats Jescha, Jehoschua Mor-Jussef, sagte dem Rundfunk: "Scharon war taub für unsere Positionen."
  • Am 17. Okt. ist der Bruder eines ranghohen Führers der radikalen Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad an Verletzungen gestorben, die er vor einer Woche bei einem israelischen Liquidierungsversuch erlitten hatte. Der Dschihad-Führer Mohammed Scheich Chalil selbst hatte den Luftangriff am vergangenen Montag überlebt. Ein weiterer Bruder schwebt weiter in Lebensgefahr.
  • Die Gewalt im Gazastreifen dauerte auch am 18. Okt. an. Zwei Mitglieder der radikal-islamischen Hamas-Bewegung aus dem Gazastreifen wurden bei Schusswechseln im Süden Israels getötet, nachdem sie den Sperrzaun südlich des Übergangs Kissufim überwunden hatten.
    Später eröffneten bei Kissufim zwei bewaffnete Palästinenser das Feuer auf Soldaten und verletzten einen von ihnen. Die Truppen erwiderten nach Angaben der Armeesprecherin das Feuer und töteten die Angreifer.
    Unweit der palästinensischen Grenzstadt Rafah töteten Soldaten zwei Palästinenser, die in der Nähe eines Armeepostens eine Bombe legen wollten. Die radikale Gruppe Islamischer Dschihad bekannte sich zu dem Angriff.
  • Bei einer innerpalästinensischen Auseinandersetzung sind am 18. Okt. in Gaza mindestens sechs Menschen verletzt worden. Ein Palästinenser habe schwere Verletzungen erlitten, als Mitglieder zweier verschiedener Sicherheitsdienste aufeinander geschossen hätten, berichteten Augenzeugen der Nachrichtenagentur AFP. Einer der beiden Sicherheitsdienste wird von Mussa Arafat geleitet, einem umstrittenen Verwandten von Palästinenserpräsident Jassir Arafat. Mussa Arafat war vor zwei Wochen einem Bombenanschlag entgangen.
  • Angesichts des bitteren innenpolitischen Streits um Israels geplanten Rückzug aus dem Gazastreifen fürchtet Friedensnobelpreisträger Schimon Peres um das Leben von Ministerpräsident Ariel Scharon. "Ich befürchte, dass irgendjemand ein Attentat auf Scharon verüben wird", sagte Peres, der selbst einmal Ministerpräsident war, der Tageszeitung "Maariv" am 19. Okt. Die derzeitige Stimmung erinnere ihn an die Zeit vor der Ermordung des damaligen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin im November 1995, der von einem Gegner der israelisch-palästinensischen Friedensvereinbarung erschossen worden war. "Die Aufstachelung zur Gewalt ist furchtbar", sagte Peres.
  • Der französische Außenminister Michel Barnier hat die israelische Sperranlage zum Westjordanland als Verletzung internationalen Rechts kritisiert. Zwar habe jedes Land seine Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, und das erkenne Frankreich an, sagte Barnier am 19. Okt. in einer Rede an der Universität in Tel Aviv. Die israelische Sperranlage verstoße jedoch gegen internationales Recht. Zugleich stellte er die rhetorische Frage, ob es zwischen durch Mauern getrennte Völker jemals Frieden gegeben habe. Auch Europa habe Krieg, abgeschottete Grenzen und Mauern gekannt, sagte Barnier.
  • Israelische Soldaten haben am 19. Okt. an der Grenze zwischen dem südlichen Gazastreifen und Ägypten versehentlich ein ägyptisches Kind angeschossen. Der Zehnjährige habe vor seinem Elternhaus im ägyptischen Teil der Stadt Rafah gespielt, als ihn eine Kugel in die Schulter traf, sagte ein Sprecher der dortigen Polizei. Die Soldaten hätten auf der anderen Seite der Grenze palästinensische Extremisten verfolgt. Jedes Jahr werden mehrere Ägypter während israelischer Militäreinsätze in der Region von verirrten Kugeln getroffen.
  • Militante Palästinenser haben im Westjordanland einen Israeli erschossen. Nach israelischen Krankenhausangaben wurde der Mann am Abend des 19. Okt. in der Nähe der jüdischen Siedlung Mevo Dotan bei Dschenin in einem Hinterhalt angegriffen und erlag kurz darauf seinen Verletzungen. Mevo Dotan gehört zu den vier isolierten Siedlungen im Westjordanland, die im Zuge des Gaza-Rückzugsplans von Israels Ministerpräsident Ariel Scharon im nächsten Jahr geräumt werden sollen. Darüber hinaus sieht der Plan die Auflösung aller 21 jüdischen Siedlungen im Gazastreifen bis Herbst 2005 vor.
  • Bei seinem Staatsbesuch in Österreich hat der israelische Präsident Mosche Katzav vor einer Eskalation des Nahostkonfliktes gewarnt. Wenn die Palästinenser "den Terrorismus stoppen", werde sich die Atmosphäre ändern und Frieden folgen, sagte Katzav am 19. Okt. nach einem Gespräch mit dem österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer in Wien. Andernfalls werde es "leider eine Eskalation geben", denn die Israelis seien nicht länger gewillt, die Fortsetzung "dieser fürchterlichen brutalen Tragödie" hinzunehmen. Nach seiner Ansicht könnten die Europäer auf die gemäßigten Palästinenser einwirken, um den Terror zu beenden.
  • Die israelische Armee hat am 20. Okt. einen Angehörigen der radikalen Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad im Süden des Gazastreifens getötet. Wie aus dem Umkreis der Organisation verlautete, wurde der 21-Jährige getötet, als er zusammen mit anderen Dschihad-Mitgliedern einen Angriff auf einen israelischen Militärstützpunkt in der Region von Rafah nahe der Grenze zu Ägypten vorbereitete. Die übrigen seien geflohen. Von Seiten des israelischen Militärs hieß es, die Soldaten hätten am Morgen auf drei Verdächtige geschossen, die sich ihrem Stützpunkt näherten, um dort vermutlich einen Anschlag zu verüben. Offenbar seien zwei der Verdächtigen getroffen worden, während einer dritter geflohen sei.
    Seit Beginn der zweiten Intifada im September 2000 wurden mehr als 4.500 Menschen getötet, unter ihnen mehr als 3.470 Palästinenser.
  • Palästinensische Abgeordnete fordern ein hartes Vorgehen gegen bewaffnete Banden im Westjordanland und dem Gazastreifen. In einem am 20. Okt. vom palästinensischen Parlament in Ramallah gebilligten Vorschlag wird von der Regierung eine Untersuchung über eine mögliche Verwicklung der Sicherheitskräfte in die Gewalttaten der Banden gefordert. Der Abgeordnete Borhan Dscharrar aus Dschenin im Westjordanland sagte, ihm liege eine Liste der Polizeiführung vor, wonach in den vergangenen vier Jahren 735 Palästinenser von Landsleuten umgebracht worden seien. Ein anderer Abgeordneter, Emad Falodschi aus dem Gazastreifen, erklärte, nur wenige der Täter würden vor Gericht gebracht. In manchen Fällen stünden sie unter dem Schutz von Sicherheitskräften.
  • Nach einer mehrwöchigen politischen Krise hat der libanesische Ministerpräsident Rafik Hariri am 20. Okt. den Rücktritt der Regierung eingereicht. Hariri stehe nicht für die Bildung einer neuen Regierung zur Verfügung, teilte sein Büro in einer Erklärung in Beirut mit. Der Sunnit habe sein Rücktrittsschreiben dem christlichen Präsidenten Emile Lahoud überreicht, sagten Regierungsmitarbeiter.
    Nach dem Rücktritt des libanesischen Regierungschefs Rafik Hariri haben die USA und Frankreich Syrien aufgefordert, sich nicht länger in die Politik des Nachbarlandes einzumischen. Die Bildung einer neuen Regierung in Beirut müsse das Ergebnis eines "rein libanesischen Prozesses" sein, sagte US-Außenamtssprecher Richard Boucher am 20. Okt. in Washington. Der politische Prozess im Libanon werde durch "syrische Einmischung ernsthaft gestört". Ähnlich äußerte sich der US-Botschafter im Libanon, Jeffrey Feltman, nach einem Treffen mit Hariri. Frankreichs Botschafter in Beirut, Philippe Lecourtier betonte, der Libanon müsse "frei in seiner Politik" sein.
  • Bei einem gezielten Luftangriff hat die israelische Armee am 21. Okt. zwei Palästinenser in Gaza getötet, darunter die Nummer zwei der militärischen Führung der Hamas-Organisation, Adnan el Ghul. Das bestätigte ein Sprecher der palästinensischen Organisation. Ein Kampfhubschrauber habe Raketen auf ein fahrendes Auto im Norden der Stadt abgefeuert, teilten Mediziner mit. Zwei weitere Menschen seien verletzt worden.
  • Erstmals seit dem Ende der israelischen Großoffensive im Gazastreifen hat am 21. Okt. wieder eine von Palästinensern abgefeuerte Rakete Israel erreicht. Sie schlug auf freiem Feld in der Nähe der Grenzstadt Sderot ein, wie aus Militärkreisen verlautete. Verletzt wurde niemand.
  • Die israelische Luftwaffe hat in der Nacht zum 22. Okt. einen erneuten Luftangriff auf Gaza geflogen. Kampfhubschrauber hätten drei Raketen auf das Haus eines örtlichen Chefs des palästinensischen Komitees des Volkswiderstandes abgefeuert, berichteten Augenzeugen. Die Organisation von Mitgliedern verschiedener bewaffneter Palästinenser-Gruppen hatte sich zuvor zu dem Angriff mit Kassam-Raketen auf die israelische Stadt Sderot bekannt.
  • Nach der gezielten Tötung des als "Vater der Kassam-Rakete" bekannten Hamas-Führers Adnan el Ghul hat die radikalislamische Palästinenserbewegung mit Vergeltung gedroht. Israel und seine Bewohner seien nicht mehr sicher, sagte ein Hamas-Vertreter bei der Trauerfeier in Gaza am 22. Okt., an der rund 30.000 Palästinenser teilnahmen. Ghul leitete nach israelischen Angaben die Entwicklung und Konstruktion der Kassam-Raketen, mit denen die Hamas in den vergangenen Monaten israelische Gebiete beschoss. Israel machte ihn zudem für zahlreiche Anschläge verantwortlich. Er und sein Stellvertreter Imad Abbas waren am Abend zuvor bei einem gezielten israelischen Luftangriff im Gazastreifen getötet worden.
  • Palästinensische Extremisten haben einen Mann getötet, den sie der "Kollaboration" mit Israel bezichtigten. Wie der bewaffnete Arm der radikalislamischen Hamas-Organisation am 23. Okt. erklärte, soll der Palästinenser Israel mit Informationen versorgt haben, die die gezielte Tötung des Hamas-Gründers Scheich Achmed Jassin ermöglicht habe. Jassin war am 22. März bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Auch seinen Nachfolger Abdelasis el Rantisi tötete die Armee wenig später.
  • Israel hat einer tunesischen Ärztedelegation erlaubt, den seit bald drei Jahren in seinem Hauptquartier in Ramallah verschanzten Palästinenserpräsident Jassir Arafat zu untersuchen. Nach Angaben des israelischen Rundfunks vom 23. Okt. wurde die Genehmigung persönlich von Ministerpräsident Ariel Scharon und seinem Außenminister Silvan Schalom erteilt. Ein Sprecher des Außenministeriums bestätigte lediglich, dass Israel dem tunesischen Gesuch zugestimmt habe. Über Arafats Gesundheitszustand wollte er sich nicht äußern.
  • Vier Jahre Gewalt im Nahen Osten haben nach UN-Angaben bereits 4.800 Menschen das Leben gekostet. Davon waren bis zum 22. Okt. 3.839 Palästinenser und 979 Israelis betroffen, wie der stellvertretende UN-Generalsekretär Kieran Prendergast dem Sicherheitsrat in New York am 23. Okt. berichtete.
  • Der außenpolitische EU-Repräsentant Javier Solana stellte am 23. Okt. eine neue Initiative zur Stärkung der palästinensischen Sicherheitsstrukturen in Aussicht. Solana sagte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", die Europäische Union wolle schon im kommenden Monat gut ausgerüstete Experten in die Autonomiegebiete schicken, die beim Aufbau einer "vernünftigen Kommandostruktur" der palästinensischen Sicherheitskräfte helfen sollten. Ohne Sicherheit könne es keinen palästinensischen Staat geben. Dabei werde man höchstwahrscheinlich mit Ägypten zusammenarbeiten, sagte Solana. Israel hofft ebenfalls auf ägyptische Sicherheitsgarantien für die Zeit nach dem von Ministerpräsident Ariel Scharon geplanten Abzug aus dem Gazastreifen.
  • Die israelische Armee hat bei einem Luftangriff im Gazastreifen zwei bewaffnete Aktivisten der radikalen Palästinensergruppe Islamischer Dschihad getötet. Die beiden Männer hätten versucht, die jüdische Siedlung Neve Dkalim anzugreifen, teilte die israelische Armee am Morgen des 24. Okt. mit. Sie seien 300 Meter von der Siedlung entfernt von einem Flugzeug aus getötet worden. Nach palästinensischen Angaben wurden bei dem Angriff zwei weitere Mitglieder des Islamischen Dschihad verletzt, einer von ihnen schwer. Die beiden Getöteten seien etwa 20 Jahre alt gewesen.
  • Die israelische Armee ist am Morgen des 24. Okt. in ein palästinensisches Flüchtlingslager im Westjordanland eingedrungen. Unterstützt von einem Kampfhubschrauber seien die Soldaten mit rund dreißig Geländewagen und Panzerfahrzeugen im Lager Ein Beit Elma in der Stadt Nablus vorgefahren, berichteten Augenzeugen. Sie hätten eine Ausgangssperre verhängt und seien dann von Tür zu Tür gegangen, um nach palästinensischen Extremisten zu suchen.
  • Die israelische Regierung hat die Entschädigung von Siedlern gebilligt, die im Rahmen des Gaza-Rückzugsplanes die Palästinensergebiete räumen sollen. Das Kabinett von Ministerpräsident Ariel Scharon stimmte am 24. Okt. mit 13 zu sechs Stimmen für ein entsprechendes Gesetz, wie der öffentliche israelische Rundfunk berichtete. Das Gesetz sollte zu Wochenbeginn dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden. Die Billigung des Rückzugsplans im Kabinett hatte Scharon im Juni die Mehrheit im Parlament gekostet. Es sieht unter anderem Entschädigungen in Höhe von umgerechnet bis zu 238.000 Euro für betroffene Siedler-Familien vor. Siedler, die sich einer Räumung widersetzen, drohen bis zu drei Jahre Haft. Scharon erklärte, das Gesetz werde den betroffenen Siedlern die Entscheidung zur Ausreise leichter machen.
    Der Regierungschef will bis September 2005 alle jüdischen Siedlungen im Gazastreifen sowie vier weitere im Westjordanland räumen lassen. Von Scharons Rückzugsplan wären rund 8.000 Siedler im Gazastreifen und mehrere hundert im Westjordanland betroffen.
  • Bei einem israelischen Raketenangriff im südlichen Gazastreifen sind am Abend des 24. Okt. mehrere Palästinenser verletzt oder getötet worden. Nach israelischen Medienberichten wurden mehrere Raketen auf eine Gruppe militanter Palästinenser in der Stadt Chan Junis abgefeuert. Die Palästinenser seien angeblich im Begriff gewesen, Mörsergranaten oder Raketen auf Stellungen der israelischen Armee abzuschießen. Sämtliche Mitglieder der Gruppe seien getroffen worden, hieß es. (dpa) Nach einer anderen Quelle (AP) sei bei denm Angriff ein Palästinenser getötet worden.
Montag, 25. Oktober, bis Sonntag, 31. Oktober
  • Bei einem israelischen Militäreinsatz in Chan Junis im südlichen Gazastreifen sind mindestens 14 Palästinenser getötet worden. Dies teilten Ärzte im örtlichen Nasser-Krankenhaus am 25. Okt. mit. Etwa 70 weitere Menschen wurden verletzt. Aus israelischen Militärkreisen verlautete, die Operation solle den Beschuss jüdischer Siedlungen mit Mörsergranaten unterbinden. Die Truppen drangen in der Nacht mit zahlreichen Panzern in Begleitung von Kampfhubschraubern in das örtliche Flüchtlingslager ein. Es kam zu heftigen Feuergefechten mit militanten Palästinensern. Zwei israelische Soldaten wurden verletzt, als eine Panzerabwehr- Rakete ihr Fahrzeug traf. Nach Berichten von Einwohnern rissen Soldaten mit Bulldozern mehrere Gebäude in der Ortschaft ein. Am Wochenende war die Siedlung Gusch Katif immer wieder unter Feuer geraten. Seit Anfang vergangenen Monats wurden nach israelischen Angaben mehr als 200 Mörsergranaten auf israelische Ziele abgefeuert.
  • Zum Auftakt der Parlamentsdebatte über seinen Rückzugsplan für den Gazastreifen hat der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon sein Vorhaben mit Nachdruck verteidigt. Der Plan solle nicht an die Stelle von Friedensverhandlungen mit den Palästinensern treten, sagte er am 25. Okt. vor den Abgeordneten der Knesset. Zugleich betonte er: "Wir können nicht ewig über Millionen von Palästinensern regieren, die sich mit jeder Generation in ihrer Zahl verdoppeln." Als "demokratischer Staat" könne Israel eine solche Situation nicht länger unterstützen. Während seiner Rede wurde Scharon mehrfach von Gegnern seines Gaza-Rückzugsplans unterbrochen. (Hier geht es zur Rede im Wortlaut - englisch.)
  • Jassir Arafat darf nach israelischen Medienberichten erstmals seit zwei Jahren seinen belagerten Amtssitz in Ramallah verlassen, um sich in einem Krankenhaus behandeln zu lassen. Verteidigungsminister Schaul Mofas habe dem Krankenhausbesuch zugestimmt, berichtete die israelische Nachrichtenagentur Itim am 25. Okt. Wann der an einer Grippe leidende Palästinenserführer seinen Amtssitz verlassen wird und für wie lange war zunächst unklar. Inzwischen dementierten die Palästinenser die Meldung.
  • Am Abend des 25. Okt. haben tausende Befürworter des Abzugs vor dem Parlament demonstriert. Auf Transparenten wurde die Räumung der Siedlungen als "Wahl für das Leben" bezeichnet. (Vgl. dazu und zur Haltung der israelischen Friedensbewegung: Gush Shalom zum Abzugsplan.)
  • Bei ihrem Einsatz im südlichen Gazastreifen hat die israelische Armee in der Nacht zum 26. Okt. einen weiteren Palästinenser getötet. Nach Angaben palästinensischer Ärzte wurden bei einem Hubschrauberangriff in Chan Junis ein Mann tödlich getroffen. Vier Palästinenser wurden demnach verletzt. Damit erhöhte sich die Zahl der palästinensischen Todesopfer seit Sonntagabend auf 17, die der Verletzten auf 76. Von ihnen wurden zwölf schwer verletzt.
  • Vor der Parlamentsabstimmung über den geplanten Abzug aus dem Gazastreifen haben die israelischen Streitkräfte ihre Offensive im Süden des Autonomiegebiets beendet. Nach einem Luftangriff am frühen Morgen des 26. Okt., bei dem ein Mitglied der radikalislamischen Hamas getötet wurde, zogen sich die Streitkräfte aus dem Flüchtlingslager Chan Junis zurück.
    Insgesamt kostete die am Abend des 24. Okt. eingeleitete Militäraktion im in dem Flüchtlingslager 16 Palästinenser das Leben, 98 wurden verletzt. Nach UN-Angaben zerstörte die Armee 23 Häuser und beschädigte das Abwassersystem stark.
  • Mehrere tausend Siedler haben am 26. Okt. in Jerusalem vor der historischen Abstimmung des Parlaments über einen Abzug aus dem Gazastreifen gegen Ministerpräsident Ariel Scharon demonstriert.
  • Das israelische Parlament hat am Abend des 26. Okt. dem Gaza-Rückzugsplan von Ministerpräsident Ariel Scharon zugestimmt. 67 der 120 Abgeordneten stimmten für den Plan, 45 dagegen. Sieben Abgeordnete enthielten sich.
    Kurz nach der Abstimmung hat Ministerpräsident Ariel Scharon zwei Kabinettsmitglieder entlassen, die gegen den Plan votiert hatten. Wie Scharons Sprecher Raanan Gissin mitteilte, erhielten der Minister ohne Geschäftsbereich, Usi Landau, sowie der stellvertretende Minister für innere Sicherheit, Michael Razon, unmittelbar nach dem Votum ihre Entlassungsurkunden. Der israelische Regierungschef hatte bereits im Vorfeld allen Ministern mit Entlassung gedroht, wenn sie sich im Parlament gegen seinen Plan stellten, den Gazastreifen bis nächsten September komplett zu räumen.
    Kurz darauf haben vier Minister mit ihrem Rücktritt gedroht, sollte nicht nochmals per Referendum über den Plan abgestimmt werden. Sollte Scharon nicht innerhalb der nächsten zwei Wochen einer Volksabstimmung zustimmen, würden er und drei Minister gehen, sagte Scharons Erzrivale, Finanzminister Benjamin Netanjahu, dem israelischen Fernsehen. Wie er weiter ausführte, spreche er im Namen seiner Kabinettskollegen, Bildungsministerin Limor Livnat, Gesundheitsminister Danni Naveh, und Landwirtschaftsminister Israel Katz.
    Scharon habe die Forderung der vier Minister zurückgewiesen, sagte ein Vertrauter des Regierungschefs der Nachrichtenagentur AFP. Nach seinen Worten ist Scharon der Ansicht, eine solche Volksbefragung werde nur zu weiterem "Streit, Bruderkrieg und Gewalt führen und den Beginn des Rückzugs um mindestens sechs Monate verzögern".
  • Die US-Regierung hat die Verabschiedung des umstrittenen Gaza-Abzugsplan durch das israelische Parlament begrüßt. Der stellvertretende US-Außenamtssprecher Adam Ereli sagte am Abend des 26. Okt. in Washington, der Plan von Ministerpräsident Ariel Scharon biete die Chance auf eine Rückkehr zum Nahost-Friedensprozess. Falls sich der Abzug in Übereinstimmung mit dem Friedensplan des Nahost-Quartetts aus USA, UNO, EU und Russland und mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft vollziehe, sei eine Annäherung an die "Vision" von US-Präsident George W. Bush von einem israelischen und einem palästinensischen Staat möglich.
  • Nach tödlichen Schüssen auf ein palästinensisches Mädchen ist ein israelischer Soldat festgenommen worden. Der Offizier sei am 26. Okt. in Gewahrsam genommen worden, nachdem bei Befragungen der Militärpolizei Zweifel an seinen Aussagen aufgekommen seien, erklärten die Streitkräfte. Der Soldat soll nach Aussagen von Kameraden in den Medien mehrmals aus kurzer Entfernung auf die 13-Jährige geschossen haben, die bereits zuvor von einer israelischen Kugel getroffen worden war. Die Soldaten hatten das Feuer auf das Mädchen eröffnet, als es sich am 5. Oktober einem Militärposten nahe dem Flüchtlingslager Rafah im Gazastreifen näherte. Nach eigenen Angaben fürchteten sie einen Bombenanschlag. Die Familie des Mädchens hat erklärt, die 13-Jährige sei auf dem Weg zur Schule gewesen. (Siehe unsere Chronik vom 5. und 11. Okt..)
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Zustimmung des israelischen Parlaments zum Abzug aus dem Gazastreifen und vier Siedlungen des Westjordanlands begrüßt. Annan hoffe, dass der israelische Rückzug den Friedensprozess auf Grundlage der so genannten Roadmap wiederbeleben werde, erklärte UN-Sprecher Fred Eckhard am 27. Okt. in New York. Die Räumung jüdischer Siedlungen könne auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Ende der israelischen Besatzung im Westjordanland und zu einem palästinensischen Staat sein.
  • Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hat am 27. Okt. die Forderung von vier Kabinettsmitgliedern zurückgewiesen, nach der Zustimmung des Parlaments zu seinem Rückzugsplan für den Gazastreifen einen Volksentscheid über das Vorhaben abzuhalten.
  • Eine vom Gazastreifen aus abgefeuerte Kassam-Rakete ist am Abend des 27. Okt. im Süden Israels eingeschlagen. Dabei sei niemand verletzt worden, teilte die israelische Armee mit. Schäden seien ebenfalls nicht festgestellt worden. Das Geschoss schlug den Angaben nach in unbewohntem Gebiet ein.
  • Rund 40 israelische Panzer und Schützenpanzer sind in der Nacht zum 28. Okt. ins Flüchtlingslager von Dschenin im Westjordanland eingerückt. Nach Augenzeugenberichten kam es dabei zu Feuergefechten mit militanten Palästinensern. Über Verletzungen wurde zunächst nichts bekannt. Aus israelischen Militärkreisen verlautete, Ziel der Offensive sei es, palästinensischer Extremisten in dem Lager habhaft zu werden. Die Aktion werde vermutlich einige Tage andauern.
  • Der Gesundheitszustand des palästinensischen Präsidenten hat sich offenbar weiter verschlechtert. Ein ranghoher palästinensischer Beamter beschrieb ihn in der Nacht zum 28. Okt. als ernst. Zugleich verlautete aus israelischen Regierungskreisen, Arafats Ehefrau Suha werde am Donnerstag nach Ramallah kommen, um bei ihrem kranken Mann zu weilen.
  • Angesichts des schlechten Gesundheitszustands von Präsident Jassir Arafat haben die Palästinenser ein dreiköpfiges Komitee eingesetzt, das bis auf weiteres die Regierungsgeschäfte führen soll. Dies teilten ranghohe palästinensische Beamte am frühen Morgen des 28. Okt. in Ramallah mit. Demnach besteht das Team aus Ministerpräsident Ahmed Kureia, seinem Amtsvorgänger Mahmud Abbas und Salim Saanun, dem Vorsitzenden des Palästinensischen Nationalrats, des 512-köpfigen Parlaments der Palästinenser. Dieses Komitee soll den Angaben zufolge sowohl der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) als auch der Palästinensischen Autonomiebehörde vorstehen, bis sich Arafats Zustand wieder verbessert.
  • Israel will keine Rückkehrgarantien für den schwer erkrankten Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat geben, sollte dieser sich im Ausland behandeln lassen. "Die Frage wurde nicht erörtert", sagte auf Anfragen dazu ein israelischer Regierungsvertreter am 28. Okt. in Jerusalem. Zuvor hatte ein Regierungsbeamter gesagt, Arafat dürfe zur medizinischen Behandlung "gehen, wohin er will, einschließlich ins Ausland".
    Israel will den schwer erkrankten Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat im Falle einer möglichen medizinischen Behandlung im Ausland nun offenbar doch zurückkehren lassen. Israel werde Arafat mit Blick auf dessen Behandlung nicht in seiner Bewegungsfreiheit einschränken, sagte der Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, Raanan Gissin, am 28. Okt. der Nachrichtenagentur AFP.
  • Israelische Soldaten haben am 28. Okt. im Gazastreifen ein achtjähriges Mädchen erschossen. Wie palästinensische Augenzeugen berichteten, war das Kind aus dem Flüchtlingslager Chan Junis auf dem Weg zur Schule. Von einem Kontrollposten in der Nähe der jüdischen Siedlung Genei Tal aus hätten Soldaten Maschinengewehrsalven abgefeuert. Das Mädchen sei offenbar versehentlich getroffen worden. Ein Sprecher der israelischen Streitkräfte erklärte, der Vorfall werde untersucht.
  • Der schwer erkrankte Palästinenserpräsident Jassir Arafat hat seinen Amtssitz im Westjordanland erstmals nach drei Jahren verlassen und sich zur Behandlung nach Frankreich begeben. Der 75-Jährige traf am 29. Okt. in Paris ein, wo er in einem Militärkrankenhaus von Spezialisten behandelt werden sollte. Der französische Präsident Jacques Chirac rechtfertigte den Krankentransport mit Frankreichs Tradition als "Aufnahmeland".
  • Israelische Soldaten haben am 30. Okt. in Dschenin im nördlichen Westjordanland ein palästinensisches Kind getötet. Wie palästinensische Ärzte mitteilten, traf eine Kugel den zwölfjährigen Brahim Kamel in der Nähe seiner Schule im Nacken.
  • Das Exekutivkomitee der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) tagte am 30. Okt. erstmals ohne PLO-Chef Jassir Arafat. Das Treffen in Ramallah im Westjordanland wurde vom Generalsekretär des Exekutivkomitees, dem ehemaligen palästinensischen Regierungschef Mahmud Abbas, geleitet. Nach Angaben eines Mitglieds des Gremiums handelte es sich um eine Routinesitzung.
  • Mehrere zehntausend Menschen haben sich am Abend des 30. Okt. zum Gedenken an den vor neun Jahren ermordeten früheren israelischen Ministerpräsidenten Jizchak Rabin in Tel Aviv versammelt. "Ja zum Frieden, nein zur Gewalt" oder "Haben wir die Lektion verstanden?", war auf Spruchbändern auf dem Rabin-Platz zu lesen. Die Teilnehmer hielten auch Bilder mit dem Porträt Rabins, der am 4. November 1995 von einem jüdischen Gegner des israelisch-palästinensischen Friedensabkommens erschossen worden war. Ein starkes Polizeiaufgebot schützte die Kundgebung mit vielen jungen Menschen. Zu Kerzenschein traten auf einer Bühne mehrere israelische Popstars auf.
  • Israelische Streitkräfte haben am 31. Okt. im Westjordanland einen bewaffneten Palästinenser getötet und einen weiteren verletzt. Die Männer hatten nach Militärangaben in der Stadt Dschenin auf Soldaten geschossen, die das Feuer erwiderten. Der Verwundete und vier weitere Bewaffnete seien festgenommen worden.
  • Militante Palästinenser schossen am 31. Okt. zwei Mörsergranaten auf jüdische Siedlungen im Gazastreifen ab. Ein Israeli sei verletzt worden, als eines der Geschosse vor einer Synagoge einschlug, berichteten Siedler.


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