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Nahostkonflikt: Die Ereignisse ab Juni 2003

Zusammengestellt aus Agenturmeldungen

1. - 8. Juni 2003

Israelische Soldaten haben am 1. Juni einen 17-jährigen Palästinenser im Gazastreifen nach Augenzeugenberichten angeschossen und schwer verletzt. Zunächst hatten Anwohner mitgeteilt, der Jugendliche sei getötet worden. Die Schüsse seien gefallen, als der 17-Jährige in Beit Hanun vor einem Panzer die Straße überquert habe, hieß es. Die Streitkräfte sind seit Mitte Mai in der Ortschaft postiert, um Palästinenser daran zu hindern, Raketen auf israelisches Territorium abzuschießen.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hat eine baldige Auflösung illegaler jüdischer Siedlungen in den Palästinensergebieten in Aussicht gestellt. Es sei gut möglich, dass "illegale Siedlungen" nach dem Nahost-Gipfel aufgelöst würden, sagte Scharon am 1. Juni nach der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem.

Papst Johannes Paul II hat die Gründung eines Palästinenserstaates neben Israel als Grundvoraussetzung für einen Frieden im Nahen Osten bezeichnet. Bei einer Audienz für den US-Außenminister habe der Papst den Wunsch geäußert, dass dank des Friedensplans beide Staaten "endlich die gleiche Sicherheit und die gleiche Souveränität genießen können", meldete dpa am 2. Juni.

Zum ersten Mal ist in Jerusalem ein Ultra-Orthodoxer zum Bürgermeister gewählt worden. Der 52-jährige Uri Lupolianski erhielt bei der Wahl am 4. Juni 53 Prozent der Stimmen. Lupolianski gehört der ultra-orthodoxen Partei Vereinigtes Tora-Judentum an.

Bei einem Gipfeltreffen unter Vermittlung der USA haben am 4. Juni Israelis und Palästinenser eine neue Phase im Friedensprozess für den Nahen Osten eingeleitet. Israels Regierungschef Ariel Scharon kündigte nach dem Treffen in der jordanischen Hafenstadt Akaba die Räumung von illegalen Siedlungen an. Der palästinensische Regierungschef Mahmud Abbas rief die Palästinenser zu einem Ende ihres bewaffneten Aufstandes auf. US-Präsident George W. Bush sprach von einem "bedeutenden Fortschritt". Scharon betonte die Bedeutung eines "zusammenhängenden Territoriums" im Westjordanland für einen Palästinenserstaat. Er kündigte an, illegal errichtete Siedlungen unverzüglich räumen zu lassen. Sprecher der jüdischen Siedler erklärten jedoch umgehend, dass sie dagegen Widerstand leisten würden. "Die bewaffnete Intifada muss ein Ende haben", sagte Abbas. Die Palästinenser müssten zu "friedlichen Mitteln" zurückkehren. Dem US-Fernsehsender ABC hatte Abbas zuvor gesagt, er habe die radikalen Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad davon zu überzeugen versucht, dass ein Abkommen "die einzige Lösung" sei. Bush zeigte sich zuversichtlich, dass der Friedensprozess an sein "Ziel" geführt und Frieden in Nahost Wirklichkeit werden könne. Die US-Sondermission zur Überwachung des Prozesses soll von dem Diplomaten John Wolf geleitet werden.
Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) begrüßte die Ergebnisse des Gipfels. "Die beiden Konfliktparteien sind sehr wichtige Schritte aufeinander zugegangen", erklärte er in Berlin. Den drei Beteiligten gebühre "Dank und Anerkennung für ihr mutiges Handeln". Jetzt allerdings komme es entscheidend auf die Umsetzung der Zusagen beider Seiten an.
In den palästinensischen Autonomiegebieten stießen die Ergebnisse des Treffens auf scharfe Kritik. Hamas und Islamischer Dschihad sprachen von einem Ausverkauf palästinensischer Interessen und kündigten einen anhaltenden Kampf gegen Israel an. Abbas habe der Gewalt eine Absage erteilt, und von den Israelis im Gegenzug nichts erhalten, erklärte Dschihad-Sprecher Abdullah Schami. Sprecher der jüdischen Siedler erklärten ebenfalls, dass sie gegen den Friedensplan Widerstand leisten würden.

Wenige Stunden nach dem Ende des Nahost-Gipfels in Akaba ist die israelische Armee in der Nacht zum 5. Juni in die autonome Palästinenserstadt Rafah im Gazastreifen eingerückt. Die Soldaten seien mit mehreren Panzern und zwei Bulldozern in die Stadt gekommen, hätten vier Gebäude eingerissen und seien dann wieder abgezogen, teilten palästinensische Sicherheitskräfte am 5. Juni in der Früh mit. Kurz vor dem Vorstoß hatte die israelische Armee den Einschlag einer in Rafah abgefeuerten Granate nahe der jüdischen Siedlung Gusch Katif bekannt gegeben.

Einen Tag nach den versöhnlichen Tönen auf dem als historisch gewerteten Nahost-Gipfel in Akaba sind die Hindernisse für den internationalen Friedensplan deutlich geworden. Die Auflösung der illegalen jüdischen Siedlungen in den Palästinensergebieten sei für Israel "zweitrangig", erklärte der israelische Regierungssprecher Avi Pasner am 5. Juni.

US-Präsident George W. Bush ist nach dem Ende seiner Nahost-Gespräche zufrieden mit dem Ergebnis. Die Erwartungen seien erfüllt worden, sagte Bush am 5. Juni an Bord seines Flugzeugs auf dem Weg von Akaba nach Doha in Katar. Das erste Gipfeltreffen mit Israelis und Palästinensern sei ein guter Start gewesen. Von einem großen Erfolg könne man sprechen, wenn zwei Staaten in Frieden Seite an Seite leben.
"Es lauern Mörder in der Nachbarschaft", sagte Bush an Bord der "Air Force One". "Diese Leute wollen lieber Chaos als einen Staat." - Ob er damit auch die Zehntausenden ultra-rechten Israelis gemeint hat, die am Abend des 4. Juni in Jerusalem gegen eine Verwirklichung des Friedensplans demonstrierten?

Die militante Hamas-Organisation hat die Gespräche mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas über einen Waffenstillstand mit Israel abgebrochen. Hamas-Führer Abdel Asis el Rantissi sagte am 6. Juni in Gaza-Stadt: "Der Dialog ist beendet." Abbas sei bei dem Gipfeltreffen in Jordanien mit Israels Ministerpräsident Ariel Scharon und US-Präsident George W. Bush nicht hinnehmbare Verpflichtungen eingegangen. Abbas hatte sich für ein Ende des bewaffneten Palästinenser-Aufstands ausgesprochen, um im Gegenzug die Zustimmung zu einem Palästinenserstaat zu erhalten.
Die US-Regierung hat die radikale Palästinenser-Organisation Hamas als "Feind des Friedens" bezeichnet, nachdem diese ihre Gespräche mit der palästinensischen Regierung über einen Waffenstillstand abgebrochen hatte. Dennoch werde US-Präsident George W. Bush seine Bemühungen um einen Frieden im Nahen Osten fortsetzen, sagte der Sprecher des US-Präsidialamtes, Scott McCellan, am 6. Juni. "Die Hamas ist ein Feind des Friedens und wir werden weiter mit allen arbeiten zusammenarbeiten, um Frieden zu erreichen", sagte McClellan.

Der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas will sich mit allen Palästinensergruppierungen zu Gesprächen über die palästinensisch-israelischen Vereinbarungen von Akaba treffen. Die Gespräche über die Ergebnisse des Nahost-Gipfels seien in den kommenden 48 Stunden geplant, sagte sein Kulturminister Siad Abu Amr der Nachrichtenagentur AFP am 7. Juni. Auch die radikalislamische Hamas, die am 6. Juni den Abbruch der Gespräche mit Abbas bekannt gegeben hatte, könne an dem Treffen teilnehmen, sagte Amr weiter. Er äußerte die Hoffnung, dass es dann zur Klärung der Gegensätze komme.
Die USA sehen die Friedensbemühungen im Nahen Osten durch die ablehnende Haltung der radikal-islamischen Hamas nicht gefährdet. Das stellte am 7. Juni Außenamtssprecher Richard Boucher klar. Washington betrachte Hamas als eine "ausländische Terrororganisation", die Gewalttaten verübe.

Israel hat das Westjordanland am Abend des 7. Juni erneut abgeriegelt. Laut Armeeangaben wurde die Maßnahme von Verteidigungsminister Schaul Mofas wegen Warnungen vor möglichen anti-israelischen Anschlägen getroffen. Die Warnungen stünden im Zusammenhang mit der Ablehnung der Ergebnisse des jüngsten Nahost-Gipfels von Akaba durch radikale Palästinensergruppen.
Israelische Soldaten haben bei einem Schusswechsel im Gazastreifen am Abend des 7. Juni einen bewaffneten Palästinenser getötet. Nach Armeeangaben hatte sich der Mann in einem verlassenen Haus in der Nähe der Straßensperre Kissufim im zentralen Gazastreifen verschanzt. Dort kreiste ihn eine Armeepatrouille ein und erschoss ihn nach einem kurzen Kampf.
Bei einem Überfall auf einen Armeeposten im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Gazastreifen sind am 8. Juni vier israelische Soldaten und drei palästinensische Angreifer erschossen worden. Zu dem Angriff bekannten sich die drei größten extremistischen Organisationen der Palästinenser, die in einem gemeinsamen Flugblatt ihre Entschlossenheit zur Fortsetzung der Intifada bekräftigten. Getarnt mit Armee-Uniform drangen die drei Männer in der Nähe des Grenzübergangs Eres auf israelisches Gebiet vor und eröffneten das Feuer auf den Armeeposten. Vier Soldaten wurden erschossen und vier verletzt, auch die drei Angreifer wurden in dem Feuergefecht getötet. Nach dem Angriff riegelte Israel den Grenzübergang zum Gazastreifen ab. Zuvor waren bereits die Übergänge zum Westjordanland gesperrt worden. In einer gemeinsamen Erklärung bekannten sich die Hamas, der Islamische Dschihad und die Al-Aksa-Brigaden zu dem Überfall.

Nach dem Anschlag hat der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas seine für den 8. Juni geplanten Beratungen mit der Fatah in Gaza verschoben. Abbas werde erst in einigen Tagen mit Vertretern der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat über die Ergebnisse der Nahost-Gipfel von Scharm el Scheich und Akaba beraten, sagte Fatah-Funktionär Samir el Mechrawi der Nachrichtenagentur AFP. Neben der Fatah wollte Abbas auch mit weiteren radikalen Palästinensergruppen über den Friedensprozess beraten.

Bei zwei Überfällen in Hebron im Westjordanland sind am 8. Juni ein Israeli und zwei Palästinenser getötet worden. Nach Armeeangaben hatten in beiden Fällen Palästinenser das Feuer auf Israelis eröffnet, die sich im Bereich einer sowohl für Juden als auch für Muslime heiligen Stätte befanden. Dabei seien am Vormittag ein israelischer Polizist schwer verletzt und am Nachmittag ein israelischer Soldat getötet worden. Bei dem zweiten Zwischenfall hätten Soldaten ihrerseits zwei palästinensische Angreifer erschossen.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hat ein Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge abermals kategorisch ausgeschlossen. "Ich werde niemals palästinensische Flüchtlinge nach Israel lassen, niemals", sagte Scharon am 8. Juni bei einer Versammlung seiner rechtsgerichteten Likud-Partei in Jerusalem. Er habe bereits mehrfach, zuletzt beim Nahost-Gipfel im jordanischen Akaba in der vergangenen Woche, klargemacht, dass es eine Lösung für die palästinensischen Flüchtlinge nur außerhalb Israels geben werde. Auch die US-Regierung verstehe das Sicherheitsrisiko für Israel, das von einer Rückkehr der Flüchtlinge ausgehe, fügte Scharon hinzu.

9. - 15. Juni 2003

Einen Tag nach dem blutigen Angriff auf einen israelischen Armeeposten mit vier getöteten Soldaten hat Israel wieder eine härtere Gangart eingeschlagen. Palästinensischen Arbeitskräften aus dem Gazastreifen wurde am 9. Juni erneut die Einreise verboten.

Das israelische Militär will einem Rundfunkbericht zufolge möglicherweise noch in der Nacht zum 10. Juni mit der Auflösung illegaler jüdischer Siedlungen im Westjordanland beginnen. General Mosche Kaplinksy werde dem Siedlerrat im Laufe des Tages eine Liste mit Siedlungsposten übergeben, die umgehend geräumt werden sollten, berichtete der staatliche israelische Rundfunk am 9. Juni. Sollten sich die Siedler nicht dazu bereit erklären, könnte die Armee noch in der Nacht mit der zwangsweisen Räumung beginnen. Wieviele Siedlungen betroffen waren, wurde zunächst nicht bekannt. Bei den meisten handele es sich um unbewohnte Einrichtungen, berichtete das Radio.

Ungeachtet der neuen Welle der Gewalt will der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas den Dialog über eine Waffenruhe mit den radikalen Oppositionsgruppen fortsetzen. Abbas sagte am 9. Juni vor Journalisten in Ramallah, wenn Hamas die Gespräche beenden wolle, "dann ist das ihre Sache". Er verurteilte die jüngsten Militäraktionen der israelischen Armee ebenso wie die neuen Überfälle der Oppositionsgruppen. Sollte Hamas ungeachtet seiner Bemühungen die Anschläge fortsetzen, sei dies als "interne palästinensische Angelegenheit" anzusehen. Israel müsse "es uns überlassen, damit umzugehen". Abbas hatte bereits zuvor betont, er werde alles tun, um einen Bruderkrieg zwischen den Palästinensern zu verhindern. Abbas rief Israel auf, die Eskalation der Gewalt zu beenden und seine Militäraktionen zu unterlassen. "Sie müssen das Leid unseres Volkes erleichtern", sagte er.

Bei zwei Raketenangriffen am 10. Juni hat die israelische Armee im Gazastreifen mindestens fünf Palästinenser getötet. Am Morgen feuerten Kampfhubschrauber in Gaza Raketen auf das Auto des hochrangigen Hamas-Führers Abdelasis el Rantissi. Dabei kamen mindestens zwei Palästinenser, ein Leibwächter und eine Passantin, ums Leben. Rantissi überlebte schwer verletzt. Ein achtjähriges Mädchen erlitt lebensgefährliche Kopfverletzungen, es wurde künstlich am Leben gehalten. Fast dreißig weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Der 55-jährige Rantissi schwor vom Krankenhausbett aus Rache: "Wir lassen keinen einzigen Juden in Palästina leben!"
Bei dem zweiten Raketenangriff am Abend starben nach palästinensischen Angaben in Dschabalija drei Mitglieder einer palästinensischen Familie, als das Geschoss sein Ziel verfehlte und in ein Haus einschlug. Gegen wen sich die Attacke richtete, blieb unklar. 17 weitere Menschen wurden verletzt.
UN-Generalsekretär Annan zeigte sich besorgt über die Aussichten für den Nahost-Friedensprozess. Die Attacken seien eine Belastung für die Bemühungen des palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas, die antiisraelische Gewalt einzudämmen. Israel müsse den "unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt" beenden, vor allem in dicht bevölkerten Gebieten, forderte Annan. Auch US-Präsident George W. Bush reagierte "zutiefst beunruhigt" auf die Attacke auf Rantissi und forderte die Konfliktparteien auf, den Friedensplan des Nahost-Quartetts umzusetzen. Das britische Außenministerium erklärte, der Angriff gefährde den internationalen Friedensplan. Die Außenminister aus acht arabischen Staaten haben den israelischen Raketenangriff scharf kritisiert. Auf einem Treffen in Bahrain verurteilten sie den Angriff als einen Versuch, den Nahost-Friedensprozess zu sabotieren. "Diese Aktion ist eine klare Verletzung der 'Road Map' und gefährdet den Friedensprozess", erklärte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, nach dem Treffen. An der Zusammenkunft nahmen die Außenminister aus Bahrain, Ägypten, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Saudi-Arabien und Syrien teil. Auch Vertreter aus Katar, Sudan, Tunesien und der Palästinensischen Autonomiebehörde waren zugegen. Abbas drängte die US-Regierung zu "unverzüglichem Einschreiten, um die ernsthafte Eskalation zu stoppen". Kritik kam auch aus den Reihen der israelischen Regierungskoalition. "Das war keine kluge Aktion", sagte Ilan Leibowitsch, ein Abgeordneter der Schinui-Partei.
Trotz internationaler Kritik hat der israelische Regierungschef Ariel Scharon den Raketenangriff auf den Hamas-Führer el Rantissi verteidigt und eine Fortsetzung der gezielten Tötungsaktionen angekündigt. Israel werde auch künftig "gegen alle Feinde des Friedens vorgehen", sagte Scharon am Abend des 10. Juni vor ehemaligen Militärs in Netanja. Israel werde "gegen den Terrorismus kämpfen, solange die andere Seite dies nicht tut". Der Kampf richte sich gegen die "Chefs der extremistischen Terrorganisationen", die die Entsendung von "Terroristen organisieren und finanzieren, um Juden zu töten", betonte der israelische Regierungschef.

Eine von einem Brüsseler Gericht angenommene Klage gegen einen israelischen General wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sorgt erneut für Spannungen zwischen Belgien und Israel. Es gebe keinen Grund, die Klage gegen General Amos Yaron wegen dessen Rolle bei den Massakern 1982 in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila in Libanon abzuweisen, urteilten die belgischen Richter am 10. Juni. Israel forderte umgehend die belgische Regierung auf, das von Überlebenden des Massakers angestrengte Verfahren einzustellen. Dies sei rechtlich möglich.

Wegen mehrerer Schüsse auf ein deutlich gekennzeichnetes Pressefahrzeug der Nachrichtenagentur AP ist ein israelischer Soldat abgemahnt worden. Der Offizier habe sich vor einem Militärgericht verantworten müssen, erklärten die israelischen Streitkräfte in einem am 10. Juni übermittelten Schreiben an AP. Dieses habe den Soldaten gemaßregelt; in die Entscheidung sei mit eingeflossen, dass die Fotografin Elizabeth Dalziel nicht verletzt wurde. Der Wagen Dalziels war am 5. Oktober 2001 nach dem Vorstoß israelischer Soldaten in palästinensisches Autonomiegebiet in der Westjordanlandstadt Hebron beschossen worden. Dalziel hatte von mindestens sechs Schüssen berichtet, die aus Richtung der israelischen Militärfahrzeuge gekommen zu sein schienen. - Die israelischen Streitkräfte erklärten weiter, die tödlichen Schüsse auf einen Kameramann der Fernsehnachrichtenagentur APTN am 19. April würden noch untersucht. Naseh Darwaseh war erschossen worden, als er in Nablus Gefechte zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern filmte. (Vgl. unsere Chronik vom 19. April.)

Am 11. Juni sprengte sich in Jerusalem ein als orthodoxer Jude verkleideter Attentäter in einem Bus in die Luft und riss 17 Menschen mit in den Tod, rund 70 weitere wurden verletzt. Zu dem Anschlag bekannte sich der militärische Flügel der Hamas. Der Anschlag ereignete sich im nachmittäglichen Berufsverkehr. Augenzeugen berichteten, nach der Explosion seien Menschen durch die Luft geflogen. "Die Leute waren in einem furchtbaren Zustand, sie wurden überall hingeschleudert", sagte ein Passant. Die militante Hamas-Bewegung hatte nach dem gezielten israelischen Angriff auf ihren Führer Abdel Asis Rantisi am Vortag blutige Rache angekündigt. Mahmud Sahar, ein Hamas-Führer, erklärte, der Anschlag sei eine "Botschaft an alle zionistischen Verbrecher, dass sie nicht sicher sind".
Wenig später tötete die israelische Armee in Gaza-Stadt zwei Hamas-Funktionäre und fünf weitere Menschen. Ziel des israelischen Angriffs in Gaza-Stadt war Tito Massud, ein Kommandeur des militärischen Flügels der Hamas. Hubschrauber feuerten zwei Raketen auf das Auto, in dem Massud sowie Soheil Abu Nahel, ein zweiter Hamas-Aktivist, saßen. Beide waren sofort tot. Nach Angaben von Ärzten starben bei dem Angriff insgesamt sieben Menschen, 30 weitere wurden verletzt.
Bei einem zweiten Raketenangriff der israelischen Armee in Gaza sind in der Nacht zum 12. Juni mindestens zwei Palästinenser getötet worden. Dies teilte ein Krankenhaussprecher mit. Über der Stadt kreisten mehrere Militärhubschrauber, wie ein AFP-Reporter berichtete. Im Ostteil habe einer der Helikopter eine Rakete auf ein Fahrzeug abgefeuert.
Am Nachmittag des 12. Juni wurden im Norden Gazas mindestens sieben Palästinenser von Raketen getötet und mehr als 30 weitere verletzt, wie palästinensische Krankenhäuser mitteilten. Unter den Todesopfern war ein Hamas-Anführer. Israelische Kampfhubschrauber feuerten nach Augenzeugenberichten drei Raketen auf ein Fahrzeug im Stadtzentrum Gazas ab, in dem die Hamas-Mitglieder Jassir Taha und Dschihad Surur sowie Tahas Frau und seine beiden Kinder im Alter von drei und fünf Jahren unterwegs waren. Bei den weiteren Toten handelte es sich um Passanten, die den Insassen des brennenden Autos helfen wollten und dabei selbst von einer weiteren Rakete getroffen wurden.

Verteidigungsminister Schaul Mofas hatte zuvor einen Befehl herausgegeben, die Hamas "vollständig zu vernichten", wie der Armeerundfunk am 12. Juni berichtete. Mofas' Direktive an die Armee enthält die Aufforderung, Hamas "mit allen Mitteln" zu bekämpfen. Diese Anordnung gelte für alle Hamas-Mitglieder vom einfachen Basis-Aktivisten bis hin zu Ahmed Scheich Jassin, dem in Gaza residierenden Gründer und geistigen Führer der Organisation.
Der israelische Premierminister Scharon hatte vor dem neuen Hubschrauberangriff in Gaza gesagt, wenn er sich "zwischen dem Kampf gegen den Terror und der Unterstützung für (Ministerpräsident) Mahmud Abbas entscheiden" müsse, "werde ich die erste Option wählen". Er bezeichnete die palästinensische Führung während einer Kabinettssitzung in Jerusalem als "Jammerlappen". Sie unternehme nichts gegen den Terror. "Aber wenn er dann passiert, heulen sie nur rum." (Palästinenserpräsident Jassir Arafat und Abbas hatten am Abend des 11. Juni den blutigen Selbstmordanschlag in Jerusalem klar verurteilt.) Abbas sei ein politisches "Küken", meinte Scharon am Donnerstag, weil dieser sage, er könne nicht gegen die extremistischen Palästinensergruppen vorgehen. "Ich werde nicht warten, bis dieses Küken Federn bekommt", sagte Scharon seinen Ministern. Nach einer anderen Quelle habe Scharon im Kabinett gesagt, Abbas sei ein zahnloser Tiger "und wir müssen ihm helfen, den Terror zu bekämpfen, bis ihm Zähne wachsen." Parlamentspräsident Reuwen Riwlin sagte, Scharon werde "keinerlei Ratschläge oder Anordnungen der USA oder Europas hinsichtlich des Kriegs gegen den Terror akzeptieren".

Im Gazastreifen nahmen am 12. Juni etwa 30.000 Palästinenser an den Begräbnissen von zwei Hamas-Aktivisten teil, die am Vortag bei einem israelischen Raketenangriff getötet worden waren. Dutzende bewaffnete Kämpfer der Hamas, des Islamischen Dschihad und der El-Aksa-Brigaden feuerten Schüsse in die Luft und schworen Rache. "Das palästinensische Volk wird seinen Widerstand fortsetzen", sagte der geistliche Führer der radikalislamischen Hamas, Scheich Ahmed Jassin, der den Protestzug anführte.

Angesichts der Welle an Gewalt im Nahen Osten haben die USA am 12. Juni die Staaten der Region aufgerufen, den Friedensplan zu retten. Die Gelegenheit zur Lösung des Konflikts dürfe nicht verpasst werden, sagte US-Außenminister Colin Powell in Washington. Israel und die Palästinenser müssten "die Welle an Gewalt entschlossen durchbrechen und sicherstellen, dass wir nicht gestoppt werden." US-Regierungssprecher Ari Fleischer bezeichnete die radikale Palästinenser-Organisation Hamas als Haupthindernis auf dem Weg zum Frieden.

Die israelische Armee hat am Abend des 13. Juni erneut einen gezielten Angriff auf Gaza gestartet und dabei mindestens einen Palästinenser getötet. Das 26-jährige Todesopfer habe der Hamas angehört, teilte die radikalislamische Organisation in Gaza mit. Zudem wurden nach Angaben von Krankenhausmitarbeitern 26 Menschen verletzt, unter ihnen acht Kinder.
Zum zweiten Mal binnen desselben Abends haben israelische Armeehubschrauber mehrere Raketen auf Gaza abgefeuert. Augenzeugen zufolge zielte der Angriff im Osten der Stadt auf das Wohnhaus eines mutmaßlichen Hamas-Mitglieds. Ob dabei jemand verletzt wurde, war zunächst nicht bekannt; palästinensischen Sicherheitskräften zufolge wurde das Haus aber stark beschädigt. Augenzeugen zufolge liegt das angegriffene Gebäude nur einen Häuserblock vom Wohnsitz des Hamas-Gründers Scheich Ahmed Yassin entfernt. Die israelische Armee erklärte, sie habe eine kleine Waffenfabrik ins Visier genommen. Das Gebäude fing Feuer, Feuerwehrleute waren im Einsatz. Es war der siebte Raketenangriff innerhalb von drei Tagen.

Der UN-Sicherheitsrat hat Israel und die Palästinenser ermahnt, ihre Verpflichtungen zum Nahost-Friedensplan zu erfüllen. Das UN-Gremium zeigte sich am 13. Juni in New York besorgt über die zunehmende Gewalt in der Nahost-Region.

Die EU hat die Anschläge der Hamas verurteilt. Der außenpolitische Beauftragte der EU, Javier Solana, rief am 13. Juni in Brüssel alle Gruppen zu einer Abkehr von Terrorismus und Gewalt auf. "Diejenigen, die einen anderen Weg gehen, haben mit Konsequenzen zu rechnen", erklärte Solana. Er kündigte an, die Europäische Union werde nach Möglichkeiten suchen, Unterstützung für die Hamas aus dem Ausland zu unterbinden. Er rate der Hamas, eine völlige Waffenruhe zu akzeptieren. "Terroristische Aktivitäten müssen sofort aufhören", erklärte Solana weiter.

Angesichts der neuen Welle der Gewalt hat sich UN-Generalsekretär Kofi Annan für die Entsendung einer "bewaffneten Friedenstruppe" in den Nahen Osten ausgesprochen. Annan sagte am 13. Juni der israelischen Zeitung "Haaretz" und dem Fernsehsender "Channel Two News", diese Truppe könnte als "Puffer zwischen Israelis und Palästinensern" stationiert werden. Offensichtlich seien beide Seiten unfähig, ohne fremde Hilfe zu einer Regelung zu kommen. Israel lehnte den Vorschlag in einer ersten Reaktion ab. "Das ist keine gute Idee", sagte Israels stellvertretender UN-Botschafter Arye Mekel am 13. Juni in New York. Sein Land könne sich selbst verteidigen.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hat der radikalen Palästinenserorganisation Hamas eine dreitägige Waffenruhe vorgeschlagen, sollten die anti-israelischen Anschläge vollständig eingestellt werden. Dies sagte ein ranghoher Palästinenservertreter in Ramallah am 13. Juni der Nachrichtenagentur AFP. Eine Waffenstillstandserklärung der Hamas sei die Bedingung dafür, dass Israel seine gezielten Angriff auf radikale Palästinenser einstelle. Dieser Vorschlag wurde den Angaben zufolge auch beim Treffen von Palästinenserpräsident Jassir Arafat mit den die wichtigsten palästinensischen Sicherheitsbeauftragten am Abend in Ramallah besprochen.
Die Hamas-Bewegung hat auf den Vorschlag Scharons ablehnend reagiert. Die Hamas weise jeglichen Aufruf "zur Waffenruhe unter Besatzung" zurück, sagte der hochrangige Hamas-Führer Abdelasis el Rantissi am 14. Juni der Nachrichtenagentur AFP. "Das Wort Waffenstillstand gibt es in unserem Wörterbuch nicht." Das palästinensische Volk, sein Boden und seine religiösen Stätten seien von "den zionistischen Terroristen" angegriffen worden, daher befänden sich die Palästinenser in einer Lage der "legitimen Verteidigung", betonte Rantissi. Auch die Extremistenorganisation Islamischer Dschihad schloss eine Waffenruhe aus, solange die israelische "Besatzung" andauere.

Die israelische Armee hat am 14. Juni ihre Straßenkontrollen im Gaza-Streifen verstärkt und das Flüchtlingslager Tulkarm im Westjordanland durchkämmt. Bei der Aktion in Tulkarm wurden nach Berichten von Augenzeugen vier Palästinenser verletzt. Die Armee äußerte sich nicht zu dem Einsatz.

Die Anhänger des Friedensplanes, der von den Vereinten Nationen, der Europäischen Union (EU), den USA und Russland ausgearbeitet wurde, hoffen auf eine erneute Vermittlung der USA. Dazu wurde am 14. Juni der US-Diplomat John Wolf in der Region erwartet. Eigentlich sollte er die Umsetzung des Planes beobachten. In der gegenwärtigen angespannten Lage dürfte er aber eher als Vermittler gefragt sein. Nach Informationen des israelischen Rundfunks soll am selben Tag außerdem der palästinensische Sicherheitschef Mohammed Dahlan mit ranghohen israelischen Militärs zusammentreffen. Die Hoffnungen auf eine schnelle Entspannung sind allerdings gering.

Trotz der jüngsten Welle der Gewalt im Nahen Osten erwägt Israel einen Teilabzug seiner Truppen aus den palästinensischen Autonomiegebieten. Der israelische Verteidigungsminister Schaul Mofas erklärte am 15. Juni nach Angaben aus Kabinettskreisen, er ziehe einen Abzug der Soldaten aus Teilen des Gazastreifens und aus Bethlehem im Westjordanland in Betracht. Es gehe in den Gesprächen mit den Palästinensern bereits um Einzelheiten wie den Grenzverlauf. Generalmajor Amos Gilad aus dem israelischen Verteidigungsministerium hatte am Abend davor den palästinensischen Sicherheitschef Mohammed Dahlan getroffen. Es war das erste Gespräch dieser Art, nachdem der neue Nahost-Friedensplan am 4. Juni auf einem Dreiergipfel mit US-Präsident George W. Bush offiziell auf den Weg gebracht worden war. Seither kamen bei palästinensischen Anschlägen und israelischen Angriffen 64 Menschen ums Leben. In der ersten Phase des Truppenabzugs werde Israel sich aus den Ortschaften Beit Hanun und Beit Lahia im Gazastreifen zurückziehen, sagte Mofas dem Gewährsmann zufolge.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon erklärte sich am 15. Juni bereit, die Tötungen zumindest einzuschränken. Israel werde jedoch weiterhin «tickende Zeitbomben» angreifen, also Palästinenser auf dem Weg zu einem Terroranschlag.
In Gaza trafen am 15. Juni zwei ägyptische Vermittler ein, um Vertreter extremistischer Palästinensergruppen zu einem Gewaltverzicht zu bewegen. Aus Verhandlungskreisen verlautete, Anführer der Hamas im Ausland seien zu einem Waffenstillstand bereit, wenn Israel im Gegenzug die Tötung von Hamas-Aktivisten und Militäreinsätze in den Autonomiegebieten einstelle.

Der französische Außenminister Dominique de Villepin sprach sich am 15. Juni in einem Radio-Interview dafür aus, die Möglichkeit einer internationalen Friedenstruppe für den Nahen Osten zu prüfen. Zuvor hatte sich bereits UN-Generalsekretär Kofi Annan für die Entsendung einer Eingreiftruppe ausgesprochen.
Papst Johannes Paul II. rief die internationale Gemeinschaft zum Engagement für den Frieden im Nahen Osten auf. "Wieder einmal waren dies Tage des Blutvergießens und Todes für die Menschen im Heiligen Land", sagte der Papst am 15. Juni in Rom. Er appellierte an die Staatengemeinschaft, Israelis und Palästinensern bei der Zusammenarbeit für eine gemeinsame Zukunft zu helfen.

Vor einer Woche hatte Israel versucht, den Hamas-Führer Abdel Asis Rantisi mit einem Raketenangriff zu töten. Ein siebenjähriges Mädchen, das dabei verletzt wurde, starb am 15. Juni.

16. - 22. Juni

In Gaza begannen am 16. Juni Verhandlungen zwischen einem Team unter Leitung des Kairoer Vizegeheimdienstchefs Mustafa al Beheri und militanten Palästinenserfraktionen. Zu den Gesprächen stießen der Autonomieminister für Sicherheit, Mohammed Dahlan, sowie Premier Mahmoud Abbas.
Israels Premier Ariel Scharon empfing am 16. Juni US-Koordinator John Stern Wolf, der das Scheitern des Friedenskonzepts abwenden soll.

Bei einem bewaffneten Angriff in Israel am 17. Juni haben Palästinenser ein siebenjähriges Mädchen getötet und damit dem Friedensprozess in Nahost einen weiteren Rückschlag versetzt. Sanitäter berichteten am Abend, die Angreifer hätten in der Nähe des Westjordanlandes auf einer Straße in der Nähe des Kibbuz Ejal ein Auto beschossen. Dabei seien das Mädchen getötet sowie ihre jüngere Schwester und ihr Vater verletzt worden.
Kurz vor der Tat hatte sich der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas vergeblich darum bemüht, radikal-israelfeindliche Palästinenser-Gruppen zu einer Waffenruhe zu bewegen. Abbas war mit Vertretern von 13 militanten Gruppen in Gaza-Stadt zusammengekommen. "Was den Waffenstillstand angeht, so wird darüber weiter diskutiert, und wir haben bislang keine Antwort", sagte Ismail Abu Schanab, ein Führungsmitglied der Hamas, die für viele Selbstmordanschläge in Israel verantwortlich ist. Eventuell werde es aber am 18. Juni noch separate Gespräche der Hamas mit Abbas geben. Mohammed el Hindi, ein hochrangiges Mitglied der ebenfalls radikal-israelfeindlichen Gruppe Islamischer Dschihad sagte nach dem Treffen: "Wir haben erneut nachdrücklich darauf hingewiesen, dass Widerstand ein legitimes Recht unseres Volkes ist."

In israelischen Medien wurde am 17. Juni darüber spekuliert, dass im Rahmen einer Waffenruheverinbarung auch der in Israel inhaftierte Palästinenser-Anführer Marwan Barghuti aus israelischer Haft freikommen könne. Barghuti, ein hochrangigen Funktionärs der Fatah-Bewegung von Palästinenser-Präsident Jassir Arafat, steht in Israel vor Gericht. Die Justiz wirft ihm vor, für die Ermordung von 26 Israelis durch Anschläge palästinensischer Selbstmordattentäter verantwortlich zu sein. Barghuti hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Palästinenser-Führung bezeichnet das Verfahren als Schauprozess. Aus dem Umfeld der Familie Barghuthis verlautete, seine Frau habe von Arafat erfahren, dass der Inhaftierte binnen 48 Stunden freikommen solle. In israelischen Regierungskreisen wurden die Berichte dementiert.

Im Falle eines Waffenstillstands mit den Palästinensern will Israel nach einem Pressebericht seine Militäraktionen in den palästinensischen Gebieten für sechs Wochen stark einschränken. Auf diesen Schritt habe sich der Kabinettschef von Israelis Ministerpräsident Ariel Scharon, Dov Weisglass, mit US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice geeinigt, berichtete die israelische Tageszeitung "Haaretz" am 18. Juni unter Berufunf auf Regierungskreise. Falls die radikalen Palästinensergruppen einer Waffenruhe zustimmten, werde die Armee ihre gezielten Tötungen weitgehend stoppen und nur noch gegen "tickende Zeitbomben" vorgehen. Gemeint sind potenzielle Selbstmordattentäter.

Israel zieht aus dem Terroranschlag vom 17. Juni nördlich von Tel Aviv Konsequenzen: Die Armee verhängte am 18. Juni eine Ausgangssperre über die Stadt Kalkilia. Nach israelischen Informationen stammen die Attentäter aus der Stadt im Westjordanland.

Der Vorschlag von UN-Generalsekretär Kofi Annan, im Nahen Osten eine internationale Friedenstruppe zu stationieren, ist bei der Nato auf Zustimmung gestoßen. "Dies wäre eine realistische Option", sagte Harald Kujat, ranghöchster Soldat der Allianz, der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" am 18. Juni. Allerdings müsse es für die Mission ein UN-Mandat geben, zudem müssten sowohl die Israelis als auch die Palästinenser dem Einsatz zustimmen. Die israelische Regierung hat eine bewaffnete Friedenstruppe als Puffer zwischen Israelis und Palästinensern allerdings bereits abgelehnt. Der deutsche Vier-Sterne-General will auch die Bundeswehr an der Nahost-Friedenstruppe beteiligen: "Man könnte sich dem schwerlich entziehen, wenn die Israelis dies wünschten." Kujat sieht eine hervorragend Ausgangsbasis für eine deutsche Mitwirkung, weil die Bundeswehr und die israelische Armee bisher schon sehr eng und vertrauensvoll zusammenarbeiteten.

Am 19. Juni wurde im israelischen Dorf Sde Trumot ein Selbstmordanschlag verübt. Dabei kamen ein Ladenbesitzer und der Täter ums Leben. Der Attentäter wollte die Bombe nach Angaben eines Polizeisprechers ursprünglich an einer Bushaltestelle zünden. Vorher betrat er aber ein Lebensmittelgeschäft, wo er von dem Inhaber zur Rede gestellt wurde. Der 63-Jährige wurde bei der Zündung der Bombe getötet. "Wir haben keinen Zweifel, dass der Ladenbesitzer mit seinem Leben bezahlt hat, um andere zu retten", sagte Polizeisprecher Jaron Samir. Sde Trumot liegt etwa fünf Kilometer von der Grenze zum Westjordanland entfernt. Zu dem Anschlag bekannte sich die Extremistengruppe Islamischer Dschihad.

Der US-Nahostsonderbeauftragte John Wolf ist am 19. Juni mit dem israelischen Verteidigungsminister Schaul Mofas zusammengetroffen. Mofas habe gegenüber Wolf kritisiert, dass die Palästinenserführung nicht genügend Härte im Kampf gegen den Terrorismus zeige, berichtete der israelische Rundfunk. Zu Gerüchten über eine bevorstehende Freilassung des inhaftierten Fatah-Chefs für das Westjordanland, Marwan Barghuti, habe Mofas gesagt, Israel rede zu diesem Zeitpunkt nicht über die Freilassung von Gefangenen.
US-Außenminister Colin Powell sieht "einige Fortschritte" in den Verhandlungen zwischen dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas und den radikalen Palästinenserorganisationen über eine Waffenruhe. Auch bei den Sicherheitsvereinbarungen in der Region gebe es Fortschritte, sagte Powell am 19. Juni bei einem Kurzbesuch in Bangladesch. Der Außenminister bestätigte eine für den 20. Juni geplante Reise in den Nahen Osten.

Die israelische Armee hat am 19. Juni mit der Räumung einer "illegalen" jüdischen Siedlung im Westjordanland begonnen. Zahlreiche Soldaten rückten am Morgen nach Mitzeph Jitzhar in der Nähe von Nablus ein, wie das Armeeradio meldete. Es ist die erste bewohnte Siedlung, die nach dem Friedensgipfel von Akaba Anfang des Monats geräumt wird. Siedler versuchten, das Einrücken mit Straßensperren zu verhindern, einige Siedler legten sich auf die Straße.
Am Abend des 20. Juni erschossen israelische Soldaten in Chan Junis im südlichen Gazastreifen einen 24-jährigen Palästinenser, nachdem sie selbst unter Feuer gekommen waren. Unklar blieb, ob das Opfer zu den Angreifern gehörte.

Mehr als tausend internationale Entscheidungsträger suchen auf dem Weltwirtschaftsforum in Jordanien nach neuen Wegen für einen Frieden im Nahen Osten. Im Zentrum der Gespräche im jordanischen Badeort Schuneh am Toten Meer sollen der israelisch-palästinensische Konflikt, die Neuordnung Iraks sowie die Demokratisierung und wirtschaftliche Entwicklung der arabischen Welt stehen. Der jordanische König Abdullah II. rief in seiner Eröffnungsrede am 21. Juni Israelis und Palästinenser zu verstärkten Anstrengungen im Friedensprozess auf. Die Veranstalter des Forums wollen die Teilnehmer dazu bewegen, Initiativen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung im Nahen Osten auf den Weg zu bringen. So soll künftig ein Rat von hundert Entscheidungsträgern die wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Westen und den Ländern der islamischen Welt vorantreiben.
Bundesaußenminister Joschka Fischer, der neben Bundespräsident Rau nach Amman geflogen ist, hat am Rande des Weltwirtschaftsforums die Rolle der Europäer bei der wirtschaftlichen Entwicklung des Nahen Ostens hervorgehoben. Zwar seien die USA "ohne jeden Zweifel" der entscheidende Faktor und hätten "das Steuer in der Hand, aber die Europäer werden hier ganz wichtige Beiträge leisten", sagte Fischer am 21. Juni gegenüber der ARD in Amman. Nun sei entscheidend, dass die Umsetzung des Friedensplans für den Nahen Osten beginne. Auf beiden Seiten sei bereits "einiges passiert", vor allem aber sei die Umsetzung des Sicherheitspakets auf palästinensischer Seite "sehr, sehr wichtig", betonte Fischer. "Der Terror muss ein Ende haben."
Johannes Rau würdigte den internationalen "Friedensfahrplan" als "vernünftigen Ansatzpunkt". Parallel zu seiner Umsetzung müsse aber auch den vom Konflikt betroffenen Menschen eine "glaubwürdige Perspektive" gegeben werden. Für Selbstmordattentate gebe es keine Rechtfertigung. "Sie mögen ein Ausdruck religiöser Verblendung sein, häufig sind sie aber auch der letzte, verzweifelte Schritt von Menschen, die sich jeglicher Hoffnung beraubt sehen."

Israel und die Palästinenser haben sich offenbar auf einen israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen geeinigt, wie aus palästinensischen Kreisen am 21. Juni bekannt wurde. Danach wird die Armee die Ortschaften Beit Hanun und Beit Lahia im Norden des Gazastreifens räumen. Später wollen sich die Besatzer auch aus Bethlehem im Westjordanland zurückziehen. Bei seinen Unterredungen mit Israelis und Palästinensern am 20. Juni soll US-Außenminister Colin Powell geholfen haben, noch strittige Punkte auszuräumen. Israel habe seine Zusage unter der Bedingung gegeben, dass die Palästinensische Autonomiebehörde Angriffe auf Israel unterbindet. Noch geklärt werden muss die Frage eines Kontrollpunkts in der Mitte des Gazastreifens, der - wenn er geschlossen wird, was häufig vorkommt - den Verkehr zwischen dem Nord- und dem Südteil des Streifens blockiert. Beit Hanun und Beit Lahia sind die einzigen Ortschaften im Gazastreifen, die die israelische Armee wieder besetzt hatte, nachdem palästinensische Extremisten Raketen nach Israel hineingefeuert hatten. Im Westjordanland hat die Armee vor über einem Jahr alle Autonomiestädte außer Jericho wieder besetzt. Nach Angaben palästinensischer Kreise soll Israel auch zugesagt haben, vorübergehend alle Operationen in den Palästinensergebieten zu unterlassen, wie Festnahmen, vorsätzliche Tötungen und das Zerstören von Häusern und Feldern. Radio Israel meldete am 21. Juni, Ministerpräsident Ariel Scharon habe Powell zugesichert, dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas eine gewisse Frist zu geben, seine Sicherheitskräfte gegen die Militanten zu organisieren. Der Sender sprach von einer Frist von drei Wochen.

Die israelische Armee hat am 22. Juni in Hebron den Chef der palästinensischen Hamas-Organisation im Westjordanland gezielt getötet. Abdallah Kawasmeh sei von einer Spezialeinheit der Armee in seinem Haus getötet worden, als er versucht habe, bewaffnet zu fliehen, teilte ein Armee-Vertreter mit. Die Einheit habe den Hamas-Funktionär Kawasmeh zunächst nur festnehmen wollen, teilte die Armee weiter mit. Kawasmeh war den Angaben zufolge für mindestens fünf anti-israelische Attentate verantwortlich, zuletzt für den Selbstmordanschlag am 11. Juni auf einen Bus in Jerusalem, bei dem insgesamt 18 Menschen starben. Die israelische Armee verhängte in Hebron eine Ausgangssperre.
Der amerikanische Außenminister Colin Powell hat die jüngsten Tötungen von Hamas-Anführern durch Israel "bedauert". Washington bedauere, dass derartige Aktionen fortgesetzt würden, sagte er am 22. Juni auf die Frage eines Journalisten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem EU-Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik Javier Solana und dem griechischen Außenminister Giorgos Papandreou in Jordanien.

Aus Protest gegen den internationalen Nahost-Friedensplan gründeten jüdische Siedler im Westjordanland offenbar zwölf neue Siedlungsposten. Für jeden illegalen Siedlungsposten in den Palästinensergebieten, der in den vergangenen zwei Wochen von der israelischen Armee abgerissen wurde, hätten die Siedler an anderer Stelle einen neuen errichtet, schreibt die Tageszeitung "Maariv" am 22. Juni. Die Vorposten lägen vorwiegend im nördlichen Westjordanland. Nach dem Nahost-Friedensgipfel von Akaba Anfang des Monats hatte die israelische Armee gemäß den Vorgaben des Friedensfahrplans begonnen, unrechtmäßig errichtete Siedlungsposten auf palästinensischem Gebiet aufzulösen. Am 19. Juni Donnerstag war es dabei in der Siedlung Mizpeh Jizhar zu schweren Zusammenstößen mit jüdischen Siedlern gekommen. Nach einer Bilanz der Friedensgruppe "Peace Now" gibt es derzeit mindestens 60 illegale jüdische Siedlungen in den Palästinensergebieten. (Anm. des Chronisten: Die anderen jüdischen Siedlungen sind nur in der israelischen Interpretation "legal"; nach palästinensischer Auffassung und nach internationalem Recht sind dagegen alle Siedlungen in dem von Israel besetzten Gebiet illegal.)

Harsche Kritik des Nahost-Quartetts: Israelis und Palästinenser behindern beide die Verwirklichung des Friedensplans. In einer gemeinsamen Erklärung vom 22. Juni heißt es: Israel soll alle Aktionen beenden, die zum Tod palästinensischer Zivilisten führen. Im Gegenzug müssten die Palästinenser ihre Attentate einstellen.
Israel hat die Kritik des Nahost-Quartetts zurückgewiesen. Das Quartett (aus EU, UNO, Russland und USA) "und vor allem die Europäer" sollten wissen, dass "der Terrorismus" auch auf israelischer Seite unschuldige Opfer fordere, sagte ein israelischer Regierungsvertreter am 22. Juni in Jerusalem. Die Staaten sollten "lieber Druck auf die palästinensische Autonomiebehörde ausüben". So lange die palästinensische Führung den Kampf gegen "den Terrorismus" nicht in die Hand nehme, sei Israel zu gewaltsamen Aktionen gezwungen.

Der internationale Friedensplan für den Nahen Osten ist auf die Kritik Libanons gestoßen. Der libanesische Ministerpräsident Rafik Hariri sagte nach einer halbstündigen Unterredung mit Außenminister Joschka Fischer am 22. Juni in Beirut, der vom Nahost-Quartett vorgelegte Friedensplan befasse sich nicht im Detail mit der Rolle Syriens und Libanons. Beide Staaten würden zwar in dem Papier erwähnt, aber es fehle an Einzelheiten. Hariri fügte hinzu, ohne ein direktes Engagement Libanons und Syriens könne es keine Fortschritte geben.

Bei einer Explosion im Gaza-Streifen sind am 22. Juni vier Palästinenser getötet worden. Über die Ursache der Explosion gab es widersprüchliche Angaben. Augenzeugen sagten zunächst, die Mitglieder der El-Aksa-Brigaden seien bei einem israelischen Panzerangriff getötet worden. Andere Zeugen sagten später, die Männer hätten einen Bombenschlag auf eine israelische Patrouille vorbereitet. Ihr Sprengsatz sei jedoch vorzeitig explodiert. Aus israelischen Militärkreisen verlautete, die Armee habe zum fraglichen Zeitpunkt in der Region keine Schüsse abgegeben. In den Kreisen wurde von einem so genannten Arbeitsunfall von Bombenlegern gesprochen.

23. bis 30. Juni

In einem klaren Verstoß gegen die Bestimmungen des internationalen Friedens-Fahrplans (Roadmap) für den Nahen Osten hat der israelische Regierungschef Ariel Sharon jüdischen Siedlern in den besetzten Gebieten geraten, "stillschweigend" weiter zu bauen. Die israelische Tageszeitung "Yediot Aharonot" meldete am 23. Juni, der Premier habe während einer Regierungsberatung über den Siedlungsbau gesagt: "Wir können in den Siedlungen bauen, jedoch nicht darüber sprechen, und es ist auch nicht notwendig, jedes Mal öffentliche Freudentänze aufzuführen, wenn eine Baugenehmigung erteilt wird." Der vom so genannten Quartett (USA, UNO, EU, Russland) entworfene Friedens-Fahrplan, der bis 2005 zur Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates führen soll, fordert die Beendigung des völkerrechtswidrigenSiedlungsbaus bereits in der ersten Phase.

Bei einer Großrazzia der israelischen Armee in Hebron wurden in der Nacht zum 24. Juni mehr als 130 Palästinenser festgenommen. Die Armee begründete die Festnahmen als Kampf gegen die Infrastruktur der Hamas in Hebron.

Die radikal-islamische Hamas-Bewegung hat am 24. Juni Berichte über eine unmittelbar bevorstehende Waffenruhe mit Israel dementiert. Hamas-Führer Mahmud A-Sahar sagte in Gaza, seine Bewegung habe noch keine endgültige Entscheidung in der Frage getroffen. Die jüngsten israelischen Militäraktionen erschwerten dies weiter. Ein Sprecher der radikalen Gruppe Islamischer Dschihad sagte, auch seine Bewegung habe noch keine endgültige Entscheidung über eine Waffenruhe getroffen.

Israel hat am 24. Juni gegen mehrere führende arabische Mitglieder der Islamischen Bewegung Anklage wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung erhoben. Im Bezirksgericht der Hafenstadt Haifa legte die Staatsanwaltschaft die Anklageschriften gegen die fünf Männer vor. Unter den Angeklagten befinden sich der prominente Scheich Raed Salah und der Bürgermeister der arabischen Stadt Umm el Fahm, Suleiman Abargieh. Die Islamische Bewegung Israels ist eine Organisation israelischer Araber, die sich unter anderem für wohltätige und religiöse Ziele einsetzt. Den fünf Männern wird von der Anklage die Finanzierung der radikalen palästinensischen Hamas-Bewegung vorgeworfen. Sie sollen im Ausland mit Hilfe islamischer Wohlfahrtsorganisationen mehrere Millionen Dollar gesammelt und an das soziale Netz der Hamas weitergeleitet haben. Die Gelder kamen laut Anklageschrift palästinensischen Häftlingen und Familien von Selbstmordattentätern zu Gute. Die Festnahme der Männer im Mai hatte zu großer Erbitterung und Protesten unter den israelischen Arabern geführt. Hunderte israelische Araber, darunter zahlreiche Mitglieder der Islamischen Bewegung, demonstrierten vor dem Gerichtsgebäude für die Freilassung ihrer Anführer. Nach Angaben der Polizei konnte eine direkte Beteiligung der islamischen Führer an Terroraktivitäten nicht nachgewiesen werden.

Die israelische Polizei hat am 25. Juni östlich von Tel Aviv zwei mutmaßliche palästinensische Attentäter festgenommen. Nach israelischen Medienberichten trugen sie in einer Tasche eine zehn Kilogramm schwere Bombe bei sich, die die Beamten durch eine kontrollierte Explosion unschädlich machten.

Bei einem Gefecht im Gaza-Streifen haben israelische Soldaten am 25. Juni zwei Hamas-Mitglieder getötet. Nach Hamas-Angaben seien die Kämpfer während eines Angriffs auf einen israelischen Armeeposten in Beit Hanun im Norden des Gaza-Streifens getötet worden. Der Angriff sei eine Vergeltung für die Tötung des Hamas-Anführers Abdullah Kawasme gewesen.
Israelische Kampfhubschrauber haben am Abend des 25. Juni erneut Raketen auf zwei Autos im Gaza-Streifen abgefeuert und dabei nach Berichten von Augenzeugen zwei Palästinenser getötet. Der militärische Arm der Hamas drohte danach mit Vergeltung.

Das US-Repräsentantenhaus verteidigte die gewaltsame Reaktion Israels auf Anschläge von Palästinensern. In einer Entschließung, die am 25. Juni (Ortszeit) mit 399 gegen 5 Stimmen verabschiedet wurde, wird "Israels Kampf gegen den Terrorismus als Teil des weltweiten Kampfs gegen Terror" anerkannt. Der Fraktionsführer der Republikaner im Kongress, Tom DeLay, sagte, eine Waffenruhe sei unzureichend. "Mörder, die drei Monate Urlaub nehmen, sind immer noch Mörder", sagte er. Dagegen erklärte der Demokrat Nick Rahall, einer von nur vier Abgeordneten arabischer Herkunft, die Entschließung sei die falsche Botschaft "zu dieser kritischen Zeit für den Nahen Osten, wo wir einer Einigung gerade so nahe sind".

Die radikalen Palästinenser-Gruppen Hamas, Islamischer Dschihad und die Al-Aksa-Brigaden haben am 26. Juni Berichte zurückgewiesen, sie hätten sich zu einer dreimonatigen Waffenruhe bereit erklärt. Dies hatte der US-Nachrichtensender CNN zuvor am 25. Juni gemeldet. Hamas-Führer Abdel Asis Rantisi bezeichnete den Bericht im arabischen Fernsehsender Al Dschasira als falsch, Mohammed el Hindi vom Islamischen Dschihad nannte ihn "lügnerisch". Kadura Fares von der Fatah-Bewegung des Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat, der Gespräche mit Vertretern beider Extremistengruppen über eine Waffenruhe geführt hatte, bezeichnete den Bericht dagegen lediglich als "verfrüht". "Jedes Mal wenn wir uns einer Entscheidung nähern, schlachtet (Israel) weitere Menschen ab", sagte Rantissi, der kürzlich selbst bei einem gezielten israelischen Angriff verletzt worden war. Eine Entscheidung über einen Gewaltverzicht sei in den kommenden Tagen zu erwarten. "Wir werden dabei alle Entwicklungen und die anhaltende israelische Aggression berücksichtigen", sagte Rantissi.

Im Süden Israels sind am Morgen des 26. Juni zwei palästinensische Raketen vom Typ Kassam eingeschlagen. Bei dem Beschuss vom Gazastreifen aus sei niemand verletzt worden, teilte die israelische Armee mit. Eine der Raketen sei auf einem unbebauten Grundstück in der Stadt Sderot niedergegangen, die andere auf einem Feld des nahe gelegenen Kibbuz Nir-Am. Nach Armeeangaben wurden in der Nacht drei Mörsergranaten auf die jüdische Siedlung Gusch Katif im Gazastreifen gefeuert. Dabei seien ein Haus und ein Hochspannungsmast beschädigt worden.
Bei einem Angriff mit einer Schnellfeuerwaffe ist am 26. Juni ein Israeli getötet worden. Der Angriff ereignete sich nach Angaben von Ärzten nahe der Siedlung Baka el Gharbija unweit der so genannten Grünen Linie, die Israel vom Westjordanland trennt. Wie der israelische Rundfunk berichtete, handelte es sich bei dem Angreifer um einen 15-Jährigen, dessen Identität noch nicht bekannt sei. Der Jugendliche habe sich zu Fuß einem Fahrzeug der Telefongesellschaft Besek genähert und den Israeli erschossen. Ein Wachmann habe den Angreifer daraufhin durch Schüsse verletzt und festgenommen.

Die radikalen Palästinensergruppen erklären nach Angaben von Palästinenserpräsident Jassir Arafat möglicherweise noch im Laufe des 26. Juni einen Waffenstillstand. Es gebe noch keine offizielle Entscheidung, aber es sei "möglich, dass es in den kommenden Stunden eine Ankündigung gibt", sagte Arafat nach einem Treffen mit dem irischen Außenminister Brian Cowen am 26. Juni in Ramallah. Israels Außenminister Silwan Schalom hat die von den Extremistengruppen grundsätzlich vereinbarte dreimonatige Waffenruhe als "Falle" bezeichnet. Er sagte am 26. Juni im Rundfunk, Israel bestehe auf der Entwaffnung der radikalen Gruppen.
Der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas hat die Bereitschaft Israels zur Umsetzung des internationalen Friedensplans in Zweifel gezogen. Die Verzögerung des zugesagten Rückzugs israelischer Truppen aus palästinensischen Gebieten sei "beunruhigend", hieß es in einer am 26. Juni verbreiteten Erklärung des Ministerpräsidenten. "Um den Erfolg des Friedensplans zu gewährleisten, muss Israel unverzüglich seinen Verpflichtungen nachkommen, so wie es die palästinensische Autonomiebehörde getan hat." Die Palästinenser seien bereit, ihre Verantwortung für die Sicherheit in den geräumten Gebieten zu übernehmen.

Auf der Suche nach dem wichtigsten Bombenbauer der Hamas im Gazastreifen hat die israelische Armee am 27. Juni nach eigenen Angaben drei Mitglieder der radikalen Bewegung getötet. Bei dem Feuergefecht in einem Dorf südlich der Stadt Gaza seien der Bruder und der Sohn des Hamas-Bombenbauers Adnan el Ghul sowie ein weiterer Extremist getötet worden, teilte ein Armeesprecher mit. Nach Geheimdienstinformationen hätten sie einen Anschlag am Morgen nahe der jüdischen Siedlung Nezarim geplant. Auch ein israelischer Elitesoldat sei bei der Schießerei ums Leben gekommen, ein weiterer sei verletzt worden. Drei weitere mutmaßliche Extremisten seien festgenommen worden. Der Gesuchte wurde demnach jedoch nicht gefasst. Sein Haus wurde in die Luft gesprengt.

Der palästinensische Sicherheitschef Mohammed Dachlan meldete Fortschritte bei den Sicherheitsgesprächen mit Israel. Dachlan sagte, eine Einigung über einen Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen und der Stadt Bethlehem zeichne sich ab. Der israelische Außenminister Silwan Schalom sagte in Tel Aviv: "Wir sind vielleicht sehr nahe an einer Übereinkunft." Die israelische Zeitung Haaretz berichtete am 27. Juni, Israel fordere vor einem solchen Abzug US-Garantien für eine Entwaffnung der Extremistengruppen in den geräumten Gebieten.

Israel und die Palästinenser haben sich am Abend des 27. Juni prinzipiell auf einen Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen und Betlehem im Westjordanland verständigt. Nur Stunden zuvor stimmten die größten militanten palästinensischen Gruppen im Gazastreifen einem dreimonatigen Stopp der Angriffe auf israelische Staatsbürger zu, wie ein ranghoher Führer mitteilte. Israel werde voraussichtlich am 30. Juni pder 1. Juli mit dem Abzug beginnen, berichtete der israelische Rundfunk. Zudem habe die Regierung versprochen, die gezielte Tötung von palästinensischen Extremisten einzustellen. Im Gegenzug werde die palästinensische Autonomiebehörde die Verantwortung für die Sicherheit in den Gebieten übernehmen. Sie habe versprochen, gegen alle Palästinenser, die Anschläge planten, durchzugreifen, hieß es in dem Bericht weiter.

Am 28. Juni reiste die US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice in den Nahen Osten, um Gespräche über die Umsetzung des internationalen Nahost-Friedensplans mit Israel und der Palästinenserbehörde zu führen.
Das Treffen der US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas ist in Jericho zu Ende gegangen. Aus Sicherheitsgründen war es Journalisten nicht erlaubt, sich dem Ort des Treffens zu nähern und die beiden gaben auch keine Stellungnahmen ab.

Ein israelischer Regierungsmitarbeiter hat der BBC wegen eines Berichts über geheime Atomwaffen antisemitische Hetze im Stil der NS-Zeitung "Der Stürmer" vorgeworfen. Nach Ansicht des Leiters des Presseamtes, Daniel Seaman, ist der Bericht "Israels geheime Waffen" der jüngste einer Reihe von Beiträgen, in denen die britische Rundfunkanstalt das Existenzrecht Israels in Frage stellt. In der Sendung aus der Serie "Correspondent", die am 28. Juni in Israel zu empfangen war, werden zahlreiche Experten mit der übereinstimmenden Aussage zitiert, Israel verfüge über des weltweit sechstgrößte Atomwaffenarsenal von taktischen Bomben bis zu Mittelstreckenraketen. Zudem sollen die Streitkräfte über biologische und chemische Kampfstoffe verfügen und vor zwei Jahren ein unbekanntes Gas gegen Palästinenser in Gaza eingesetzt haben.

Zwei radikale Palästinenser-Gruppen haben am 29. Juni eine vorläufige Waffenruhe ausgerufen, die den Weg zur Umsetzung des internationalen Nahost-Friedensplans ebnen könnte. In einer Reuters vorliegenden Erklärung der Gruppen Hamas und Islamischer Dschihad heißt es, die Waffenruhe solle drei Monate lang gelten und trete sofort in Kraft. Voraussetzung sei jedoch, dass Israel alle Operationen gegen die Gruppen einstelle und Blockaden in Palästinensergebieten aufhebe. In der Erklärung von Hamas und Islamischem Dschihad heißt es, falls Israel sich an mehrere Bedingungen halte, werde der bewaffnete Kampf für drei Monate ausgesetzt bleiben. Zu den Bedingungen zähle unter anderem, dass Israel die Politik der gezielten Tötung von Mitgliedern gewalttätiger Palästinenser-Gruppen aufgebe. Zudem dürfe es keine Armeevorstöße und keine Abriegelungen palästinensischer Städte mehr geben. Gefordert wurde insbesondere auch, dass der Amtssitz von Palästinenser-Präsident Jassir Arafat nicht mehr belagert werde.
Die Sicherheitsberaterin von US-Präsident George W. Bush, Condoleezza Rice, hat am 29. Juni ihre Gespräche in der Nahost-Region fortgesetzt.
Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Gideon Meir, sagte am 29. Juni über eine mögliche Waffenpause: "Ich möchte wiederholen, was Außenminister Silwan Schalom vor zwei Stunden im Gespräch mit der US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice gesagt hat, dass diese Waffenruhe eine tickende Zeitbombe ist, da sie die Infrastruktur des Terrors aufrecht erhält." Israel hatte erklärt, es verhandele nicht über einen Waffenstillstand und sei auch nur an Vereinbarungen mit der palästinensischen Regierung gebunden. Israel fordert die Zerschlagung der Hamas und anderer militanter Palästinensergruppen.
Trotz der von der Regierung geäußerten Vorbehalte gegen die Waffenruhe wird Israel am 30. Juni nach Angaben aus Sicherheitskreisen damit beginnen, seine Truppen aus dem Gaza-Streifen abzuziehen. Damit wurden Angaben aus Palästinenserkreisen bestätigt, die am 29. Juni bei Gesprächen mit der israelischen Seite letzte Details der Vereinbarung besprachen. Nach Angaben aus israelischen Kreisen sollen die wichtigsten Straßen im Gaza-Streifen wieder für Palästinenser geöffnet werden, was den Menschen in der Region zugute käme. Durch die Straßensperren ist ihr Alltag stark beeinträchtigt. Allerdings ist für die Israelis entscheidend, dass die Palästinenser in den von ihnen kontrollierten Gebieten auch die Sicherheit garantieren können, wie sie es zugesagt haben. Trotz des Abzugs bleiben die jüdischen Siedlungen im Gaza-Streifen unter israelischer Kontrolle.

Die Sicherheitsberaterin von US-Präsident George W. Bush, Condoleezza Rice, hat die Fortsetzung der Bauarbeiten an dem Sicherheitszaun zwischen Israel und dem Westjordanland kritisiert. Bei ihren Gesprächen mit israelischen Ministern habe Rice die Umzäunung als "problematisch" bezeichnet, verlautete am 29. Juni aus dem Umfeld der israelischen Regierung. Der Wall könne laut Rice "vollendete Tatsachen schaffen" und als eine Grenzmarkierung interpretiert werden. Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon habe daraufhin betont, dass die Umzäunung "keine politische Bedeutung" habe, sondern vor allem Sicherheitsbedenken Rechnung trage. Er sei in dieser Frage nicht zu einem Zurückweichen bereit, auch wenn Washington anderer Meinung sei, betonte Scharon demnach.

Die amerikanische Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice hat den palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas zu Gesprächen über den Friedensprozess nach Washington eingeladen. Abbas habe die Einladung angenommen, verlautete am 29. Juni aus Kreisen der palästinensischen Autonomieregierung. Geplant ist auch ein Treffen mit US-Präsident George W. Bush, der eine Begegnung mit dem palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat seit Beginn seiner Amtszeit abgelehnt hat.

Nach dem Abzug israelischer Truppen aus dem nördlichen Gazastreifen haben palästinensische Sicherheitskräfte am 30. Juni die Kontrolle in Beit Hanun übernommen. Sicherheitskräfte der Autonomiebehörde errichteten mehrere Kontrollposten. Bewohner beklagten, Dutzende Häuser seien zerstört und es gebe schwere Schäden an der Straße nach Gaza. Arbeiter begannen mit der Reparatur von Telefonleitungen und räumten Trümmer von den Straßen. Palästinenser fuhren erstmals wieder mit Motorrädern von einem zum anderen Ende des Gazastreifens. - Der Rückzug aus Bethlehem im Westjordanland wurde für den 2. Juli angekündigt. Als weiteren Fortschritt im Friedensprozess versprach der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon die Freilassung palästinensischer Häftlinge - eine Kernbedingung der drei militanten Untergrundorganisationen, die am 29. Juni eine Waffenruhe erklärt hatten.

Ein rumänischer Arbeiter (AP; nach Reuters handelt es sich um einen Bulgaren) wurde am Morgen des 30. Juni erschossen, als er in der Nähe der Ortschaft Jabed bei Straßenbauarbeiten in israelischem Auftrag tätig war. Zu der Tat bekannten sich die Al-Aksa-Brigaden. Drei Stunden später eröffneten Palästinenser das Feuer auf Bauerabeiter, die einen Sicherheitszaun nahe der Stadt Kalkilija im Westjordanland errichteten. Nach israelischen Militärangaben erwiderten Soldaten das Feuer, es sei jedoch niemand verletzt worden. "Wir sind nicht an diesen so genannten Waffenstillstand gebunden und wir werden weiter die (jüdischen) Siedler und das israelische Militär in den besetzten Gebieten bekämpfen", sagte ein Sprecher der El-Aksa-Brigaden der Nachrichtenagentur Reuters zu dem Anschlag nahe Schaked im Westjordanland. Die Fatah hatte am 29. Juni einen sechsmonatigen, die Hamas und der Islamischer Dschihad einen dreimonatigen Gewaltverzicht erklärt. Die Brigaden sind der Fatah untergeordnet, haben jedoch keine zentrale Führung und sind in der Frage der Waffenruhe zerstritten.


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