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Fortschritte vor der Abstimmung in Myanmar

Regierung hebt Wahlkampfeinschränkungen auf und erwägt die Zulassung von Beobachtern

Von Thomas Berger *

Myanmar (Burma) setzt den Reformkurs fort. Bei den Parlamentswahlen am 1. April könnten ausländische Beobachter zum Einsatz kommen.

Der Streit hatte sich an der Nutzung von drei Fußballplätzen für Kundgebungen der oppositionellen Nationalen Liga für Demokratie (NLD) entzündet. Sportminister Tint Hsan hatte ein Nutzungsverbot durchzusetzen versucht. Regierungsvertreter stellten jetzt jedoch klar, dass Sportplätze ebenso wie andere Anlagen der wichtigsten Oppositionspartei des Landes für ihre Versammlungen zur Verfügung stehen. Damit sind Sorgen der NLD vorerst vom Tisch, der Urnengang am 1. April würde wegen Benachteiligung oppositioneller Gruppen abermals als nicht wirklich frei und fair eingestuft werden müssen.

Massive Restriktionen hatte es schließlich noch bei der eigentlichen Parlamentswahl im vergangenen November gegeben, bei der die vor allem aus aktiven und ehemaligen Militärs gebildete Vereinigte Partei für Solidarität und Entwicklung (USDP) eine überwältigende Mehrheit erhielt. Nur ein paar Gruppen der diversen ethnischen Minderheiten schafften ebenfalls den Einzug in das Parlament. Die NLD nahm nicht teil: Sie hatte zu diesem Zeitpunkt ihren offiziellen Parteistatus verloren.

Inzwischen ist die NLD wieder amtlich registriert und kann hoffen, viele der 48 zur Abstimmung stehenden Sitze zu erringen. Auch Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, Parteichefin und Ikone der Demokratiebewegung, befindet sich nach Jahren nur kurzzeitig unterbrochenen Hausarrests auf freiem Fuß. Sie kandidiert erstmals für das Parlament. Ihr wurde von der neuen, seit 1962 erstmals wieder nominell zivilen Regierung sogar ein Posten am Kabinettstisch in Aussicht gestellt. Ob sie ein solches Angebot, tatsächlich annehmen würde, hat Suu Kyi bislang nicht bestätigt.

Jüngsten Meldungen zufolge erwägt Myanmar nun auch Wahlbeobachter der ASEAN zuzulassen. Präsident Thein Sein hat solche Überlegungen gegenüber dem Generalsekretär des südostasiatischen Staatenbundes, dessen Vorsitz Myanmar erstmals 2014 übernehmen dürfte, solche Überlegungen geäußert. Surin Pitsuwan sprach mit dem neuen Staatschef aber nicht nur über die anstehende Wahl, sondern auch über wirtschaftliche Themen. Dabei machte Thein Sein deutlich, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen oberste Priorität habe.

Für den Westen sind die Parlamentsnachwahlen ein weiterer Wendepunkt im burmesischen Demokratisierungsprozess. Der Verlauf wird maßgeblich darüber entscheiden, ob die jahrelangen Sanktionen demnächst tatsächlich aufgehoben werden. Reisebeschränkungen für Spitzenpolitiker sind schon gelockert worden. In Einzelfällen wurde auch das faktische Investitionsverbot aufgehoben. Westliche Minister, darunter die Außenamtschefs von Großbritannien, Frankreich und Japan, dazu die Entwicklungsminister von Deutschland, Norwegen und der zuständige EU-Kommissar gaben sich seit dem Jahreswechsel in der Hauptstadt Naypyidaw faktisch die Klinke in die Hand.

Ein ranghoher Vertreter des Informationsministeriums hat derweil im Interview mit dem im thailändischen Exil erscheinenden Politmagazin »The Irrawaddy« weitere Lockerungen in Sachen Pressefreiheit angekündigt. Schon jetzt gebe es im Grunde keine Einschränkungen mehr für Behördenvertreter, sich gegenüber Medien zu äußern, sagte Abteilungsdirektor Ye Htut. Die Pressezensur aus den Jahren der Militärherrschaft ist stark gelockert, eine Kommission zur Überwachung der Medienfreiheit wurde von Htut in Aussicht gestellt.

* Aus: neues deutschland, 23. Februar 2012


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