Marionettentheater in Myanmar
Vom Regime geladene Delegierte beraten über neue Verfassung
Von Thomas Berger, Kuala Lumpur *
In der Nähe von Myanmars Hauptstadt Rangun tagt derzeit die Verfassunggebende Konferenz.
Jene, die das Sagen haben, sind von der Regierung handverlesene Delegierte. Durchgreifende
Fortschritte auf dem Weg Myanmars zur Demokratie sind deshalb wohl nicht zu erwarten.
Optisch ist es eine bunte Gemeinschaft, die da am Rande von Rangun zusammengekommen ist.
Die Vertreter der ethnischen Minderheiten sind in traditionellen Trachten angereist, und da in
Myanmar (Burma) die Burmesen als größte Gruppe gerade einmal 44 Prozent der
Gesamtbevölkerung stellen, sind entsprechend viele Völkerschaften vertreten. Schließlich will die
regierende Militärjunta zumindest den Eindruck erwecken, dass tatsächlich das Volk über das
künftige Grundgesetz des Staates entscheidet. In Wahrheit jedoch ist alles nur ein
Marionettentheater. Die über 1000 Delegierten – handverlesen von der Regierung, um alle kritischen
Stimmen auszuschließen –, haben keinerlei realen Einfluss. Das Grundgerüst der Verfassung steht
ohnehin fest, daran wird es keine Änderungen geben.
Ein Drittel der Sitze im künftigen Parlament soll für Offiziere reserviert sein, der Staatspräsident
muss mindestens 15 Jahre Dienstzeit in der Armee vorweisen. Daran, dass General Than Shwe für
dieses Amt kandidieren und die Regierung seinen Sieg sichern wird, gibt es keinen Zweifel. Das
derzeitige Staatsoberhaupt hat, wohl nicht zufällig, erst vor wenigen Tagen seine zweite Funktion als
Armeechef in die Hände seines dienstältesten Stellvertreters gelegt. Um keinen Preis, so lassen die
bereits öffentlichen Teile der neuen Verfassung erkennen, ist das seit 1962 im Land tonangebende
Militär bereit, die Macht aus den Händen zu geben.
Dies zeigt sich in der einstigen britischen Kolonie, die heute zu den Armenhäusern der Region
gehört, auf Schritt und Tritt. Die Minister in der Regierung haben militärische Ränge, ebenso die
Direktoren staatlicher Behörden und die Leiter von Firmen. Die Generäle haben selbst die Wirtschaft
fest unter Kontrolle, und während die Bevölkerung unter den von USA und EU verhängten
Sanktionen leidet, hat die seit 1988 regierende Junta mit Indien, China und zum Teil Russland gute
Handelspartner, die eine gemeinsame internationale Front verhindern. Zumal sich der
südostasiatische Staatenbund ASEAN ebenfalls sehr mit Kritik zurückhält. Einmischung in die
inneren Angelegenheiten eines Mitgliedslandes wird dort strikt abgelehnt. Dennoch hatte zuletzt vor
einigen Monaten während des Vorsitzes seiner Heimat der malaysische Außenminister gegenüber
Myanmar in großer Deutlichkeit seinen Unmut geäußert, daß es hinsichtlich der »Roadmap« zu
mehr Demokratie so wenig greifbare Fortschritte gibt.
Angesichts der Tatsache, dass aber nun selbst im benachbarten Thailand, das bisher immer gern
als demokratisches Musterbeispiel in Südostasien genannt wurde, das Militär zumindest
vorübergehend die Macht übernommen hat, fühlen sich die burmesischen Generäle allerdings nicht
gerade zu größerer Eile veranlasst. Eher im Gegenteil. Auch die vor drei Wochen gestürzte
Regierung Thaksin hatte sanften diplomatischen Druck ausgeübt, der nun erst einmal wegfällt. Dennoch hat der östliche Nachbar durchaus ein Interesse daran, dass sich in Myanmar etwas
bewegt. 140 000 Flüchtlinge, vor allem ethnische Karen, harren teilweise seit mehr als zehn Jahren
in unzähligen Lagern entlang der Grenze aus. Ihre Bewegungsfreiheit in Thailand ist eingeschränkt,
und die Thais würden es nur zu gern sehen, wenn die langfristigen Gäste in absehbarer Zeit in die
Heimat zurückkehren würden.
Dort allerdings bleiben nicht nur die Karen-Rebellen der KNU, sondern insbesondere die wichtigste
Oppositionsgruppierung, die Nationale Liga für Demokratie (NLD), von jedem gesellschaftlichen
Dialog ausgeschlossen. Ihre Führung, vor allem Friedensnobelpreisträgerin Aung Sang Suu Kyi, ist
in Haft – die Parteichefin, deren Vater einst die Unabhängigkeit erkämpfte, verbrachte elf der letzten
17 Jahre unter Hausarrest. Auch derzeit gibt es nicht den leisesten Hinweis darauf, wann sie
freikommen könnte. Unter den politischen Gefangenen, die bisher entlassen wurden, waren keine
Prominenten. Mindestens 1700 Häftlinge bleiben zudem nach UN-Schätzungen weiter in den
Gefängnissen. Ohne die NLD, so auch im Ausland die fast einhellige Meinung, kann
Zukunftsgestaltung aber nicht funktionieren. Die Partei hatte bei den bisher einzigen freien Wahlen
1990 rund 80 Prozent der Stimmen erzielt. Gerade wegen dieses übergroßen Erfolges hatte die
Junta eine Regierungsbildung aber erst gar nicht zugelassen. Schon als die Militärs 1993 den
verfassungsgebenden Prozess starteten, weigerte sich die NLD, sich an dieser Farce zu beteiligen.
* Aus: Neues Deutschland, 16. Oktober 2006
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