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Militärs mit und ohne Uniform dominieren

Myanmars neues Parlament trat erstmals zusammen – hinter verschlossenen Türen

Von Thomas Berger *

Der große Aufbruch in die Demokratie ist es noch nicht. Erstmals seit über zwei Jahrzehnten aber hat Myanmar (Burma) wieder ein gewähltes Parlament, das am Montag (31. Jan.) seine Arbeit aufnahm.

Nicht einmal Fotos vom Gebäude waren gestattet: Unter strenger Abschirmung traten die Abgeordneten beider Kammern der neuen Volksvertretung am Montag in der Retortenhauptstadt Naypyidaw zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Seit 1962 herrscht in dem südostasiatischen Land das Militär. Wahlen hatte es zwar im Jahre 1990 gegeben, doch die damals siegreiche Nationale Liga für Demokratie (NLD) unter Führung Aung San Suu Kyis hatte die Regierung nie übernehmen dürfen. Mehr noch, Suu Kyi stand seither nahezu ununterbrochen unter Hausarrest. Erst nach den Wahlen am 7. November vergangenen Jahres wurde der Arrest aufgehoben. Die NLD hätte Suu Kyi offiziell ausschließen müssen, um sich erneut als Partei registrieren lassen zu können. Sie lehnte es ab und boykottierte die Novemberwahl.

2003 hatten die Militärs aufgrund inneren und äußeren Drucks einen Fahrplan zur »disziplinierten Demokratie« vorgestellt. Ein vorsichtiger Öffnungskurs sah die Bildung einer verfassunggebenden Versammlung, die Ausarbeitung eines Grundgesetzes und die Wahlen im vergangenen Jahr vor.

Insgesamt 664 Abgeordnete beider Kammern des Parlaments traten am Montagmorgen exakt um 8.55 Uhr zusammen. Dieser Zeitpunkt sollte angeblich besonders glücksbringend sein. 25 Prozent der Sitze sowohl im nationalen als auch in den regionalen Parlamenten waren laut neuer Verfassung von vornherein für Angehörige der Streitkräfte reserviert. 77 Prozent der restlichen Mandate gewann die von ehemaligen Militärs gegründete Vereinigte Partei für Solidarität und Entwicklung (USDP). Die wenigen Oppositionsabgeordneten gehen beinahe unter im Reigen von Offizieren mit und ohne Uniform: Drei stellt die neue Demokratische Partei (DP), zwölf die Nationale Demokratische Kraft (NDF), eine Abspaltung der formell nicht mehr existenten Nationalen Liga für Demokratie (NLD), die sich deren Boykott nicht anschließen wollte. »Auch wenn wir nur wenige sind, wir haben die Chance, unsere Stimme im Namen des Volkes zu erheben«, ließ sich NDF-Vertreter Khin Maung Shwe zitieren.

In der vergangenen Woche war der zweite Widerspruch der NLD gegen ihre Auflösung zurückgewiesen worden, die juristischen Möglichkeiten zur Wiederbelebung der Partei sind damit ausgeschöpft. Doch Suu Kyi, seit wenigen Tagen mit einer Internetverbindung ausgestattet, müht sich weiter um eine Allianz regimekritischer Strömungen. Dazu zählen neben NDF und DP auch die Vertreter der ethnischen Minderheiten, die mit ihren Regionalparteien im Parlament die einzige nennenswerte Gegenkraft zur USDP und deren Verbündeten darstellen.

Abzuwarten ist, wie sich die von den Militärs zu Volksvertretern ernannten jüngeren Offiziere verhalten. Armeevertreter auf unteren Ebenen sind bisweilen durchaus kritisch eingestellt. Doch auf die Loyalität einer großen Mehrheit von Parlamentariern können Than Shwe, der Chef des Militärrats, und seine Getreuen zählen. Dennoch ließ sich Than Shwe bisher nicht in die Karten schauen, welche Rolle er persönlich künftig zu spielen gedenkt. Am Montag wurden die Präsidenten beider Kammern gewählt: General a. D. Shwe Mann wurde Chef des Unterhauses, Kulturminister Khin Aung Myint sitzt dem Oberhaus vor. Am heutigen Dienstag sollen drei Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten nominiert werden. Und alle rätseln, ob sich der 77-jährige Than Shwe, dem gesundheitliche Probleme nachgesagt werden, selbst zum Präsidenten wählen lassen will oder das Amt einem anderen überlässt.

* Aus: Neues Deutschland, 1. Februar 2011


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