NLD will in Myanmar regieren
Partei Aung San Suu Kyis bleibt jedoch viele Antworten schuldig
Von Thomas Berger *
Drei Tage dauerte der erste Parteitag
der Nationalen Liga für Demokratie
(NLD), der größten Oppositionspartei
Myanmars (Burma). Aung San Suu Kyi
wurde von den 900 Delegierten als
Parteichefin demokratisch bestätigt.
Ein neuer Aufbruch blieb indes aus.
Geschätzte 1,2 Millionen Mitglieder
zählt die NLD, die unter ihrer
charismatischen Führerin die
namhafteste Gegenkraft des Militärregimes
war. Die meisten derer,
die die Partei 1988 im Zuge
der studentisch angeführten ersten
demokratischen Revolte gegründet
haben, sind sichtbar in die
Jahre gekommen. Suu Kyi selbst
ist 67, einige ihrer Getreuen in der
Führung haben die 70 schon deutlich
überschritten. Wie an ihr die
Jahre des Hausarrests sind an anderen
lange Haftstrafen nicht
spurlos vorübergegangen. Sämtliche
sieben Mitglieder der alten
NLD-Spitze gehören auch zur neuen,
die allerdings auf 15 Mitglieder
erweitert wurde. Das eröffnete die
Möglichkeit des Einzugs von mehr
Frauen und Vertretern ethnischer
Minderheiten des südostasiatischen
Vielvölkerstaates. Von einem
Generationswechsel in der
Führung kann jedoch bisher nicht
die Rede sein.
Kein Zweifel hatte daran bestanden,
dass die Friedensnobelpreisträgerin
als Frontfrau bestätigt
werden würde. Kaum eine andere
Person verfügt über ähnliche
Ausstrahlung und Autorität, ein
möglicher Nachfolger ist nicht in
Sicht. Zudem fehlt es der NLD an
einem klaren Profil.
Seit die Partei um ihren Sieg
bei den Parlamentswahlen 1990
betrogen worden war und ein
neuer Militärrat die Macht der Armee
zementiert hatte, war der
Kampf um demokratische Öffnung
das einzige große Thema der NLD.
Heute steht die Partei vor vielen
drängenden Fragen, die eine Gesellschaft
im Umbruch aufwirft.
Doch weder zur wirtschaftlichen
Ausrichtung – etwa in Bezug auf
die ins Land drängenden ausländischen
Investoren – noch zu anhaltenden
ethnischen Spannungen
und separatistischen Tendenzen,
noch zur Durchsetzung zivilgesellschaftlicher
Rechte und Freiheiten
unterbreitet die Partei derzeit
konkrete politische Angebote.
Die werden aber gebraucht, will
sie nach den nächsten Wahlen
2015 Regierungsverantwortung
übernehmen.
Derzeit sitzen 43 NLD-Abgeordnete,
darunter Suu Kyi, im
Parlament. Selbst im Bündnis mit
anderen Oppositionellen sind das
zu wenige, um der Übermacht der
von ehemaligen Offizieren dominierten
Regierungspartei USDP
und den ernannten Mandatsträgern
aus der Armee wirksam Paroli
bieten zu können. Auffallend
ruhig blieb Suu Kyi, als sich im
westlichen Staat Arakan der Konflikt
zwischen buddhistischen
Rakhine und muslimischen Rohingya
verschärfte, als Tausende
aus ihren Heimatorten flüchteten.
Sie wolle sich nicht auf eine Seite
schlagen, ließ die Friedensnobelpreisträgerin
auf Reporterfragen
zu diesem Thema wissen. Auch
zum Konflikt im nördlichen Kachin-
Staat schweigt sie. Zwar findet
gerade eine weitere Runde von
Gesprächen zwischen Regierungsund
Rebellenvertretern in China
statt, doch immer wieder flackern
die Kämpfe im Grenzgebiet auf.
Selbst die innerparteiliche
Freiheit hat offenbar Grenzen. Eine
Handvoll unbequemer Parteitagsdelegierter
wurde kurzfristig
ausgeladen, was nicht nur die Betroffenen
erzürnte. Auch Win Tin,
NLD-Veteran und 1988 unter den
Gründervätern, zeigte sich zutiefst
betrübt. Er wisse zwar nichts
Konkretes über die Vorwürfe gegen
die Ausgeschlossenen, das
Verfahren an sich lehne er jedoch
als schlechten Umgang mit kritischen
Stimmen ab, sagte er Reportern.
Zur wiedergewählten
Parteispitze gehört übrigens auch
Nyan Win, einst Suu Kyis Anwalt,
wichtigster Vertrauter und während
des Hausarrests ihr Sprachrohr in die Welt.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 13. März 2013
Zurück zur Myanmar-Seite (Birma)
Zurück zur Homepage