Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Mönche machen mobil

Myanmar: Buddhistische Kleriker sammeln Unterschriften gegen Mischehen. Tausende Muslime fliehen

Von Thomas Berger *

In Myanmar haben 2,5 Millionen Einwohner für eine Gesetzesinitiative gegen interreligiöse Ehen unterschrieben. Die von radikalen buddhistischen Mönchen getragene Kampagne ist in dem 60-Millionen-Einwohner-Land explizit gegen die muslimische Minderheit der als staatenlos eingestuften Rohingya gerichtet. Die Unterschriftenlisten, die derzeit in einem Kloster der Wirtschaftsmetropole Rangun gesammelt werden, sollen demnächst dem Parlament übergeben werden. Der Mönch U Wirathu, eine der Schlüsselfiguren hinter der Petition, zeigte sich gegenüber dem Exilmagazin The Irrawaddy »sehr zufrieden« mit dem Ergebnis. »Wenn wir ein Referendum dazu abhalten würden, hätten wir sogar noch mehr Zulauf«, gab sich der Geistliche, der schon mehrfach durch Haßbotschaften gegen Rohingya auffiel, überzeugt.

U Wirathu und andere Vertreter des buddhistischen Klerus rechtfertigen direkt oder indirekt auch die antimuslimischen Ausschreitungen, die seit dem Frühjahr 2012 insbesondere den im Landeswesten an der Grenze zu Bangladesch gelegenen Unionsstaat Arakan erschüttern. Dabei wurden nach offizieller Lesart bisher mindestens 192 Menschen getötet, Rohingya-Vertreter sprechen von bis zu 748. Mindestens 140000 Einwohner Arakans sind auf der Flucht. Der von den Mönchen vorgestellte Gesetzesentwurf, der Umfragen der Irrawaddy-Reporter zufolge von vielen Unterzeichnern gar nicht vorab gelesen wurde, sieht vor, daß buddhistische Frauen sowohl ihre Eltern als auch lokale Behörden um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie einen Mann mit anderer Religion heiraten wollen. Muslimische Männer wiederum müßten vor der Hochzeit mit einer Buddhistin konvertieren. Das kritisiert nicht nur Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi als diskriminierend und Angriff auf die Menschenrechte. Schon im Juni hatte eine Versammlung diverser Frauenverbände scharfe Kritik an der Kampagne geübt. Während einige die Initiative nicht durch massive Gegenwehr zusätzlich aufwerten wollen, sehen andere darin eine große Gefahr: »Es basiert auf extremem Nationalismus und religiösem Extremismus«, so die Aktivistin Zin Mar Aung. »Dahinter steht ein Angriff auf die Freiheit buddhistischer Frauen.«

Ausgerechnet in der Ära des Wandels, während Myanmar seine düstere Vergangenheit einer jahrzehntelangen Militärdiktatur hinter sich läßt und den demokratischen Neuanfang auf alle Bereiche der Gesellschaft auszubauen versucht, haben die interreligiösen Feindschaften einen traurigen Höhepunkt erreicht. Vielfältig diskriminiert waren die einst aus dem Gebiet des heutigen Bangladesch eingewanderten Rohingya schon zu Zeiten der Diktatur. So massiv Angst um Leib und Leben wie heute mußten sie jedoch nicht haben. Immer mehr Menschen aus der etwa fünf Prozent der 60 Millionen Einwohner Myanmars zählenden Minderheit suchen ihr Heil nun in der Flucht über die Landesgrenzen.

Es ist eine gefährliche Reise ins Ungewisse. Etwa 2000 Rohingya sollen inzwischen in Australien leben. Allein im ersten Halbjahr 2013 trafen 337 per Boot ein – fast so viele wie die 389 im gesamten Jahr davor. Ihnen geht es kaum besser als anderen Bootsflüchtlingen. Nur ein kleiner Teil hat eine vorläufige Duldung, die meisten müssen in den Internierungslagern auf Christmas Island, in Papua-Neuguinea oder Nauru ausharren. In Indonesien, wo die Schlepperboote starten, leben 850 Rohingya in Lagern, in Malaysia sind bislang rund 28000 gestrandet. Etwa in gleicher Größenordnung bewegt sich die Zahl, die in Bangladesch Zuflucht gefunden hat. In Thailand, derzeit Transitland für 2000 Rohingya, werden die Flüchtlinge, die für ihre Weiterfahrt nicht zahlen können, nach Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters zu Sklavenarbeit auf Fischerbooten gezwungen. Dahinter stecke ein Netzwerk aus Schlepperbanden und kooperierenden Marine-Einheiten.

* Aus: junge Welt, Dienstag. 23. Juli 2013


Zurück zur Myanmar-Seite (Birma)

Zurück zur Homepage