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Myanmar: Militärregime geht auf Schmusekurs

Rangun hofiert Karen-Kommandeur. Verhandlungen mit Rebellen über Waffenruhe

Im Folgenden dokumentieren wir einen Korrespondentenbericht über die neuesten Entwicklungen in Myanmar. Der Artikel erschien am 22. Januar 2004 in der Tageszeitung "junge Welt".


Von Thomas Berger

Kann ein seit 53 Jahren laufender bewaffneter Konflikt beendet werden? Etliche Zeichen deuten darauf hin, daß in Myanmar tatsächlich das Militärregime in Rangun und die Rebellen der Karen National Union (KNU) zu einer Einigung kommen könnten. Seit Donnerstag voriger Woche weilt der KNU-Oberkommandierende, General Bo Mya, mit einer 20köpfigen Delegation in der Hauptstadt Myanmars, um mit der Regierung über einen dauerhaften Waffenstillstand zu verhandeln. Zwar ist bislang nichts davon an die Öffentlichkeit gedrungen, doch die Umstände des Treffens lassen die Hoffnungen auf einen positiven Ausgang weiter steigen.

Ursprünglich war der Besuch der KNU-Führer nur für drei bis vier Tage geplant. Die Verlängerung spricht allerdings nicht für Probleme bei den Verhandlungen, sondern eher dafür, daß man sich mehr zu sagen hat, als zunächst angenommen. Zu den Höhepunkten gehörte, daß Bo Mya nicht nur, wie geplant, mit dem erst im Vorjahr in dieses Amt aufgerückten Premierminister Khin Nyunt, sondern auch mit Staatschef General Than Shwe zusammentraf. Diese Treffen erfolgten zudem an einem Ort, der üblicherweise Staatsgästen bei deren Visite vorbehalten ist – ein außergewöhnlich freundlicher Empfang für einen Mann, den man bislang nur als bösen Buschkrieger dargestellt hatte. Khin Nyunt, der als moderatester Vertreter an der Spitze des seit 1988 herrschenden Militärregimes gilt, war zudem Organisator einer Feier zum 77. Geburtstag des Rebellenführers.

Seit Erlangen der burmesischen Unabhängigkeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatten die Karen, wie übrigens viele der unzähligen Volksgruppen der einstigen britischen Kolonie, gegen einen Zentralstaat gekämpft. Die ethnischen Burmesen, die seither das Establishment beherrschen, stellen nur rund zwei Drittel der Gesamtbevölkerung. Auch die sich abwechselnden Diktaturen in Rangun trugen dazu bei, daß sich separatistische Tendenzen immer weiter verschärften. Im Laufe der Zeit nahmen an die 20 Untergrundbewegungen der verschiedenen Minderheiten, von denen die Shan mit 8,5 und die vorwiegend christlichen Karen mit 6,2 Prozent die stärksten sind, den Kampf gegen die Staatsmacht und reale wie empfundene Fremdbestimmung auf. Mit etlichen der kleineren Organisationen hatte die Regierung in den zurückliegenden Jahren Waffenstillstandsabkommen aushandeln können: Die Armee weiß, daß sie in den abgelegenen Ostregionen des Landes nicht über die Aufständischen siegen kann.

Sollte mit der KNU jetzt eine Einigung zustande kommen, wäre dies ein Durchbruch und ein wichtiges Signal an alle anderen, die noch immer mit Waffengewalt gegen Ranguns Truppen kämpfen. Zugleich könnten die Militärs nicht zuletzt der Weltöffentlichkeit beweisen, daß sie es ernst meinen mit ihren Bekundungen, Myanmar nach und nach in einen demokratischen Staat umzubauen und den Dialog zur Opposition zu suchen. Für Bo Mya wiederum dürfte ein Abkommen die Krönung seines politischen Lebens sein. Ein Vierteljahrhundert stand er an der Spitze der Rebellenbewegung, bis er vor fast vier Jahren als politischer Chef ersetzt wurde. Bo Mya blieb aber Vizevorsitzender und behielt zudem sein Amt als Oberkommandierender des militärischen Flügels der Organisation. Daß ausgerechnet er es ist, der jetzt in die Hauptstadt reiste, macht deutlich, daß es der KNU offenbar tatsächlich ernst ist.

Aus: junge Welt, 22.01.2004


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