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"Ein Bündel Holz kann man nicht so leicht brechen"

In Mosambik schließen sich die Kleinbauern und -bäuerinnen zusammen, um ihre Rechte gemeinsam zu verteidigen

Von Andreas Bohne *

Lokale Vereinigungen von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern bilden das Rückgrat des mosambikanischen Kleinbauernverbandes UNAC. SODI leistet Unterstützung.

Sandige Straßen führen nach Nwadjahane im Manjacaze-Distrikt. Gemeinsam mit Lizarda Cossa und José Parque, Mitarbeitern der UNAC (Uniao Nacional de Camponeses), haben wir uns auf den Weg gemacht. In Nwadjahane angekommen, werden wir von Vertretern mehrerer lokaler Vereinigungen (associações) empfangen. Nach kurzer Vorstellung geht es gleich weiter zu den landwirtschaftlichen Flächen der Vereinigung »Sakani«. 16 Kleinbäuerinnen und -bauern haben sich in ihr organisiert, elf Frauen und fünf Männer. Für zwei Tage pro Woche verpflichten sie sich, auf den gemeinsamen Flächen zu arbeiten. »Wenn man zusammenarbeitet, kann man bessere Resultate erreichen. Gemeinsam kann eine größere Fläche bearbeitet werden, in einer Gruppe geht vieles einfacher«, sagt ein Mitglied der Vereinigung. Zurück in Nwadjahane, findet sich ausreichend Zeit für Gespräche. Auf die Frage, welche Bedeutung solche Assoziationen für die Kleinbauern haben, antwortet der Vorsitzende der Vereinigung »Sakani«, João Macuacua, mit einem Gleichnis: »Ein einzelnes Stück Holz kann leicht gebrochen werden, nicht jedoch ein Bündel.« Macuacua will das auch auf die derzeit viel diskutierte Landproblematik in Mosambik bezogen wissen, wo Investoren gierig nach Ackerflächen greifen.

Vereinigungen dienten der gegenseitigen Unterstützung: Wenn ein Mitglied Hilfe benötigt, könne sie die Gruppe einfacher gewähren als ein Einzelner, erläutert der Vorsitzende. Ein Teil des Geldes, das »Sakani« einnimmt, werde auf ein gemeinsames Konto überwiesen und unter anderem für die Bereitstellung kleiner Kredite an Mitglieder oder für die Anschaffung neuer Geräte oder den Kauf von Saatgut genutzt.

Von Nwadjahane fahren wir weiter nach Malane. Dort ist der Boden etwas fruchtbarer und die Kleinbauern können ihre Felder besser mit Wasser versorgen. Daher wird in Malane mehr Gemüse angebaut. Problematisch bleibt jedoch der Verkauf: Nur einmal täglich, am frühen Morgen, fährt ein Pick-up die 21 Kilometer lange Strecke von Malane nach Manjacaze, dem Hauptort des gleichnamigen Distrikts. Nachmittags um vier fährt das Auto zurück. Die Zahl der Sitzplätze ist aber arg begrenzt, geschweige denn, dass noch Platz für viel Ladung wäre. Wie also sollen die Mitglieder der örtlichen Vereinigungen das geerntete Gemüse zum Markt transportieren?

Wie in den meisten anderen Fällen setzt sich die Flächen der Assoziation »Kendlemuka« aus Feldern der einzelnen Mitglieder und gemeinsam bewirtschafteten Feldern zusammen. Während die Mitglieder selbst vor allem Mais, Karotten und Bohnen anbauen, wachsen auf den Gemeinschaftsfeldern neben verschiedenen Gemüsesorten auch etliche Bananenpflanzen. Was auf diesen Flächen angebaut wird, entscheidet der »Chef der Produktion« – meistens nach Beratung und Rücksprache mit den Mitgliedern der Vereinigung.

Geleitet werden die Assoziationen meist von einem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter, einem Sekretär, dem Schatzmeister und bis zu zwei Beisitzern. Die Vorständler von »Kendlemuka« treffen sich zwecks Absprachen und Entscheidungen jeden Mittwoch. Der Vorsitzende betont: »Meine Aufgabe sehe ich als die eines Ratgebers, denn als Farmer weiß ich um die Probleme der Bauern.«

Derartige Vereinigungen und Kooperativen spielen in den ländlichen Gebieten Mosambiks eine große ökonomische und soziale Rolle. Gerade im Zuge der Strukturanpassungsprogramme und des Wechsels von einer sozialistischen zur kapitalistischen Orientierung in den 80er Jahren organisierten sich viele Kleinbauern in solchen Gemeinschaften.

Die Assoziationen bilden das Rückgrat des Kleinbauernverbandes UNAC Zusammen mit UNAC unterstützt die deutsche Organisation SODI in der Provinz Gaza 15 landwirtschaftliche Vereinigungen mit mehr als 300 Mitgliedern dabei, ihre Rechte zu vertreten und ihre Ernten zu erhöhen. Um Mitglied des Verbandes zu werden, müssen die Kleinbauern auch einer der Assoziationen beitreten. Mehr als 2100 solcher Vereinigungen und Kooperativen in 84 Distrikten sind in der UNAC organisiert. Was auf den ersten Blick viel erscheint, ist erst ein Anfang: Nur fünf Prozent der Kleinbauern haben sich in Mosambik in Assoziationen zusammengeschlossen.

Sowohl UNAC-Vertreter als auch Mitglieder der Vereinigungen gestehen denn auch, dass bisweilen interne Konflikte ausbrechen, die der Vermittlung bedürfen, und dass Klippen in der Zusammenarbeit umschifft werden müssen. Zum Streitgegenstand können beispielsweise die Mitgliedsbeiträge werden. 120 mosambikanische Meticais, etwa drei Euro, müssen Neumitglieder als Aufnahmegebühr zahlen. Der monatliche Beitrag in der Assoziation »8. März« beträgt zehn Meticais. Einige meinen, das sei – neben den Einnahmen für den Gemüseverkauf – zu wenig, um ein finanzielles Polster bilden, einzelne Mitglieder unterstützen und Anschaffungen bezahlen zu können. Aber zehn Meticais sind für einige Mitglieder viel Geld. Wer mit seinen Beiträgen in Rückstand gerät, wird zunächst vom Leitungsgremium angesprochen. Erst danach werden alle Mitglieder informiert, die schließlich über einen eventuellen Ausschluss entscheiden. Ziel bleibt es jedoch, mehr Mitglieder zu gewinnen, statt Personen auszuschließen. Das Bündel, von dem João Macuacua sprach, soll stärker werden.

Wenn eine Assoziation legalisiert, also offiziell anerkannt und registriert ist, kann sie ein Bankkonto einrichten, sie kann ihre Landrechte offensiver und wirksamer verteidigen und es fällt ihr leichter, Unterstützung auch vom Staat zu erhalten.

Obwohl viele Vereinigungen im Distrikt Manjacaze schon einige Jahre bestehen, wissen manche Mitglieder und selbst Vorstände zu wenig über ihre Rechte und Pflichten. Daher veranstaltet die Kleinbauernunion UNAC Workshops und Trainingskurse. José Parque, ein örtlicher UNAC-Mitarbeiter, berichtet von ausführlichen Gesprächen zwischen Verbandsvertretern und Mitgliedern der Vereinigungen zu Beginn des Projekts. Was wussten die Bauern schon von genossenschaftlichen Prinzipien, Rechten und Pflichten? Bei Kursen, an denen Vertreter aller 15 Assoziationen des Distrikts teilnahmen, wurden die Funktionsweise der Vereinigungen, Aufgaben der Leitungsgremien und auch Geschlechterfragen gemeinsam erörtert. Wie José Parque berichtet, dienen die Workshops auch einer Selbstreflexion der Mitglieder.

Aber nicht nur um die organisatorische Stärkung der Vereinigungen geht es in den Workshops, auch die wirtschaftliche Situation der Mitglieder soll verbessert werden. Dazu dienen agrarökologische Ratschläge, und der Erfahrungsaustausch spielt eine wichtige Rolle. Denn je erfolgreicher Assoziationen produzieren, umso attraktiver sind sie für andere Kleinbauern und umso stärker wird das Bündel Holz, das nur schwer gebrochen werden kann.

* Unser Autor ist Projektmanager Afrika bei SODI.

Aus: neues deutschland, Freitag, 20. Dezember 2013



Teenager in der Pubertät

Regierung und Opposition liefern sich Kleinkrieg

Von Andreas Bohne **


Mosambik erlebt zurzeit turbulente und bewegte Zeiten. In diesem Jahr entbrannte ein heftiger Streit zwischen der Regierungspartei FRELIMO und der größten Oppositionspartei RENAMO um die Zusammensetzung der nationalen Wahlkommission. Gleichzeitig warf RENAMO-Chef Afonso Dhlakama der Regierung die Ausgrenzung seiner Parteimitglieder in Militär und Verwaltung vor. Nicht wenige Kommentatoren sahen darin jedoch eher den Ärger darüber, dass RENAMO-Funktionäre von lukrativen Regierungsposten ausgeschlossen sind.

Neben den verbalen Drohungen kam es seit April 2013 immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen und Attacken von RENAMO-Kämpfern im zentralen Mosambik. Ein Resultat war, dass die Armee am 21. Oktober die Basis von Dhlakama bei Gorongosa stürmte und besetzte. Dhlakama und mehrere Mitstreiter konnten fliehen. Viele Menschen sprachen von der Gefahr einer Rückkehr des Bürgerkrieges. Auch deshalb organisierte die Zivilgesellschaft Ende Oktober mit mehreren Zehntausend Teilnehmern eine große Friedensdemonstration, um in der kritischsten Zeit seit dem Friedensabkommen von 1992 Position zu beziehen. Seither gibt es dennoch immer wieder bewaffnete Angriffe von RENAMO-Veteranen auf Eisenbahnen und Straßen. Ein Teil der Nord-Süd-Nationalstraße ist zurzeit nur in begleiteten Konvois befahrbar.

Trotz dieses Klimas fanden im November Kommunalwahlen in 53 selbstverwalteten Städten statt. Während die FRELIMO wieder in den meisten Städten, auch in der Hauptstadt Maputo, gewann, konnte die MDM (Movimento Democrático de Moçambique) ihren Anspruch als wichtige Oppositionspartei festigen und stellt mit Daviz Simango wieder den Bürgermeister der zweitgrößten Stadt Beira. Die RENAMO boykottierte die Wahl. Auch das bewirkt, dass die MDM zunehmend zum stärksten Opponenten der FRELIMO wird.

Und die nächsten Wahlen werfen schon die Schatten voraus. 2014 finden nationale Wahlen statt. Der jetzige Präsident Armando Guebuza kann nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren. Noch steht kein Kandidat der FRELIMO fest, aber Guebuza wird als Parteivorsitzender dennoch weiterhin die Strippen im Hintergrund ziehen, erwarten viele Beobachter.

Neben der politischen Auseinandersetzung und der demokratischen Entwicklung steht die Frage, ob Mosambik den wirtschaftlichen Aufschwung endlich für eine umfassende Armutsbekämpfung einsetzt. Die hohen Wachstumsraten – bis zu sieben Prozent jährlich – und der Zufluss ausländischer Investitionen in Megaprojekte und Rohstoffabbau bewirkten bisher keine soziale Entwicklung; die Ungleichheit zwischen Eliten und Bevölkerung wächst. Auch das lässt Wut und Enttäuschung vieler Mosambikaner, insbesondere in den Städten, wachsen.

Angesichts der turbulenten Zeit fasste ein mosambikanischer Gesprächspartner kürzlich die Situation so zusammen: »Mosambik ist zurzeit ein Teenager in der Pubertät. Wenn in der jetzigen Situation freie und faire Wahlen stattfinden, dann kann es ein demokratischer Erwachsener werden. Wenn nicht, fällt es in die Kindheit zurück.« Das wird hoffentlich nicht eintreten.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 20. Dezember 2013


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