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"Für uns ist Landraub ein großes Problem"

Luis Muchanga über die Situation und die Kämpfe der Kleinbauern in Mosambik


Luis Muchanga ist nationaler Koordinator der União Nacional de Camponeses (UNAC), einer mosambikanischen Kleinbauernbewegung. Etwa 80 Prozent der mosambikanischen Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Mit Luis Muchanga sprach für »nd« Andreas Bohne, SODI-Projektmanager, über die Ziele von UNAC und die landwirtschaftlichen Herausforderungen in Mosambik.


nd: Was sind die wichtigsten Ziele der mosambikanischen Kleinbauernbewegung UNAC?

Muchanga: Die UNAC wurde 1987 gegründet, weil sich seit Mitte der 80er Jahre das politische System in Mosambik von Sozialismus in Richtung Kapitalismus wandelte. Im Sozialismus unterstützte die Regierung die Bauern, aber im neuen System - wenn wir vom Kapitalismus oder Neoliberalismus sprechen - übernahm und übernimmt die Regierung kaum Verantwortung gegenüber den Bauern. Deshalb haben sich die Farmer organisiert. Unsere aktuelle Strategie definiert vier Ziele. So wollen wir erstens für unsere Mitglieder einen besseren Service bieten und die Organisation von Farmervereinigungen stärken. Zum zweiten wollen wir die Produktion und Produktivität steigern, aber auch den Marktzugang verbessern. Drittens soll das Mitspracherecht von Bauern in politischen und öffentlichen Diskussionen verbessert werden. Übergreifende Themen und Ziele zu Gender, HIV/AIDS, Jugendlichen und dem Klimawandel sollen last but not least in verschiedene Aktionen einfließen.

Ist UNAC Mitglied bei La Via Campesina, der internationalen Bewegung von Kleinbauern?

Seit 2004 sind wir offizielles Mitglied und waren damit das erste afrikanische Mitglied. In dieser Zeit wurde UNAC auch der Ort für das erste La-Via-Campesina-Büro in Afrika. Während des letzten Treffens hat das Internationale Koordinationskomitee entschieden, das internationale Büro - das sich im Moment in Indonesien befindet - nach Afrika zu verlegen. Ab nächstem Jahr sind wir nun Sitz des Sekretariats. Das stellt für uns eine große Herausforderung dar.

Wie bewerten Sie aktuell das Phänomen des Landraubs, der großflächigen Landnahmen in Mosambik durch ausländische Investoren?

Der Prozess des Landraubs geht weiter, aber er ist jetzt langsamer verglichen mit zwei, drei oder fünf Jahren zuvor. Zivilgesellschaftliche Organisationen, Medien und Geber haben das Thema öffentlich gemacht. Zusammen konnten wir Druck auf die Regierung ausüben. Aber das Thema ist aus meiner Sicht noch nicht vorbei, was aktuelle Beispiele veranschaulichen. Für uns ist Landraub ein großes Problem. In Mosambik ist Land der wichtigste Produktionsfaktor. Stellen Sie sich vor, sie haben kein Land - eine schreckliche Situation. Was wir in letzter Zeit ebenso beobachten, ist Spekulation, bei der auch Personen aus höheren Ebenen beteiligt sind.

Laut eines aktuellen Berichts hat Mosambik die niedrigste Produktivität im südlichen Afrika. Was werden die größten Herausforderungen für die mosambikanische Landwirtschaft in den nächsten Jahren sein?

Das Problem sind mangelhafte öffentliche Unterstützung oder fehlender Kreditzugang. Wir brauchen Investitionen in Weiterverarbeitung und einen staatlichen Beratungsservice für Wissenstransfer. Wir brauchen Infrastrukturmaßnahmen für ländliche Entwicklung und den ländlichen Raum, um zum Beispiel die Mobilität der Bauern zu gewährleisten. Dass diese Voraussetzungen fehlen, begründet den mangelnden Anstieg der Produktivität.

Wie beurteilt die UNAC den »Landwirtschaftlichen Entwicklungsplan 2011-2020« der Regierung?

UNAC hat an diesem Plan mitgearbeitet, mitdiskutiert, beraten und Ideen eingebracht. Einige unser Vorschläge sind aufgenommen worden, und wir denken, dass es ein guter Plan ist. Die Herausforderung steht aber noch bevor. Mosambik ist ein Meister bei Entwicklungsplänen, Strategien und guten Gesetzen, aber oftmals findet die Umsetzung zu langsam oder nur unzureichend statt.

UNAC hat vor Kurzem eine Erklärung gegen gentechnisch veränderte Pflanzen (GMOs) veröffentlicht. Welche Rolle spielen sie in Mosambik?

Das Gesetz verbietet gentechnisch veränderte Pflanzen in Mosambik, was wir begrüßen. Mit der Stellungnahme hat UNAC noch einmal betont, dass wir keine GMOs akzeptieren. Im Gegenteil, wir stehen für eine andere Landwirtschaft. Im Januar haben wir mit der Regierung und einigen Abteilungen des Landwirtschaftsministeriums über einen Prozess zur Wiedergewinnung von traditionellem Saatgut, nachhaltiger Landwirtschaft und Biodiversität diskutiert. Außerdem haben wir zusammen mit anderen La-Via- Campesina-Mitgliedern Trainer organisiert, die viel Erfahrung mit agrarökologischen Prozessen haben. Wir haben Kurse im Bereich Hilfe zur Selbsthilfe organisiert. Dazu haben wir auch Mitglieder der staatlichen Beratungsstelle eingeladen, um zu zeigen, welche landwirtschaftliche Produktion unserer Meinung nach besser für Mosambik ist.

Die UNO hat 2012 zum Internationalen Jahr der Kooperativen erklärt. Wie schätzen Sie die Rolle der landwirtschaftlichen Kooperativen in der landwirtschaftlichen Entwicklung ein?

Wir sind uns einig, dass der Prozess des Genossenschaftswesens eine Chance für die Landwirtschaft darstellt. Deswegen kämpfen wir für ein neues Gesetz in Mosambik, um Kooperativen leichter bilden zu können. Dieses Jahr haben wir einige Versammlungen vorbereitet und zu einer auch den Präsidenten Armando Guebuza eingeladen, um ihn von der Bedeutung von Kooperativen für Mosambik zu überzeugen. Um den Entwicklungsprozess im Landwirtschaftssektor voranzutreiben, muss man die Kooperativen und Bauern unterstützen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 29. Mai 2012


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