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Mosambik sucht Wege aus der Armut

Diskussion über Einführung einer allgemeinen Sozialhilfe

Von Mercedes Sayagues, Maputo *

Die Hälfte der 20 Millionen Mosambikaner lebt in bitterer Armut. In einer Expertenkonferenz in der Hauptstadt Maputo wurde über Auswege aus der Armutsfalle sinniert. Der Vorschlag: eine allgemeine Sozialhilfe.

Die Menschen, die sich am Steilufer des Sambesi in den Slums von Matundo und Matheus Sansao Muthemba in der Provinzhauptstadt Tete in Zentralmosambik eingerichtet haben, leben riskant. Jede größere Regenflut könnte ihre schäbigen Lehmhütten mitsamt ihrer Habe den Abhang hinabschwemmen. Hier, in den sogenannten Bairros, bestimmt bittere Not den Alltag. Als die unabhängigen Sozialforscher Leonor Teressa Matine und Ambrosio de Fonseca im vergangenen Jahr die Lebensbedingungen in den Slums von Tete untersuchten, stellten sie fest, dass zwei Drittel der von ihnen befragten 500 Haushalte mit bis zu zehn Personen es nicht einmal auf 55 US-Dollar im Monat bringen, dem Mindestlohn von Landarbeitern.

Die Slumbewohner schlagen sich als Straßenhändler und Gelegenheitsarbeiter durch, manche betteln oder prostituieren sich. Nur wenige haben feste Jobs als Nachtwächter oder Haushaltshilfen. 14 Prozent der Befragten, meist alleinstehende Mütter und alte Menschen, erhalten monatlich eine staatliche Rente von umgerechnet vier Dollar für Erwachsene und zwei Dollar pro Kind. »Diese Menschen werden niemals eine Chance haben, ihrem Elend zu entkommen«, erklärte Matine, als sie kürzlich in Mosambiks Hauptstadt Maputo auf einem vom Institut für Gesellschafts- und Wirtschaftsstudien organisierten Fachseminar die Ergebnisse ihrer Untersuchung vortrug.

Mosambiks Regierung, deren im Dezember 2008 verabschiedeter Haushalt von umgerechnet 3,8 Milliarden Dollar zu mehr als 50 Prozent durch Auslandshilfe finanziert wird, weist nur 0,6 Prozent ihres Budgets für diverse soziale Aufgaben aus, die unkoordiniert auf zahlreiche Behörden verteilt sind. Zu den Empfängern der Sozialhilfe gehören Witwen und Waisen, sowie, bei Bedarf, Opfer von Naturkatastrophen. Zudem erhalten 140 000 alte Menschen Lebensmittelhilfen, die das Nationalinstitut für soziale Aufgaben verteilt.

Regelmäßig ausgezahlte, geringe finanzielle Transferleistungen wären nach Ansicht vieler Seminarteilnehmer der am besten geeignete und nachhaltigste Weg aus der Armut. Die Experten verwiesen auf einen Weltbankbericht vom Februar 2009 über die auf diese Weise in lateinamerikanischen Ländern wie Brasilien und Mexiko erzielten Erfolge. Damit ließe sich sogar in den armen, entlegenen Landregionen ein Minimum an Kaufkraft schaffen, betonte Janet Duffield, Direktorin des Beira-Büros der Nichtregierungsorganisation HelpAge. »Älteren Bedürftigen wäre mit Geld mehr geholfen als mit Lebensmitteln«, betonte sie. Sie könnten sich im Krankenhaus behandeln lassen und das kaufen, was sie tatsächlich benötigen.

»Eine allgemeine Sozialhilfe könnte Arme absichern und zugleich das Wirtschaftswachstum auf dem Land ankurbeln«, betonte die als unabhängige Beraterin arbeitende Sozialwissenschaftlern Bridget O'Laughlin. Die Diskussion über die Machbarkeit eines solchen Sozialhilfeprogramms hat in Mosambik gerade erst begonnen. Es sei in dem 880 000 Quadratkilometer großen Land zwar schwierig, aber durchaus machbar, betonten seine Befürworter. Immerhin sei es schon direkt nach Kriegsende 1992 gelungen, im Laufe von zwei Jahren 100 000 Kämpfer dazu zu bringen, ihre Waffen gegen Auszahlung einer Demobilisierungshilfe abzuliefern. Aus einer Kombination von altmodischen Poststationen auf dem Land, modernen Kommunikationsmitteln und Geldtransportern, ließe sich eine überfallsichere Auszahlungslogistik aufbauen, schlugen sie vor. Skeptiker unter den Experten wiesen darauf hin, dass ohne die Zustimmung der am Tropf der Auslandshilfe hängenden Regierung auch die internationalen Geber dem Vorschlag nichts abgewinnen könnten. Sie fürchteten, aus institutionalisierter Sozialhilfe könnte ein dauerhafter Anspruch werden. »Die Geber wünschen kurzfristige Programme mit einem absehbaren Ende«, stellte der Sozialwissenschaftler Joseph Hanlon, fest. »Dennoch müssen wir in Mosambik über eine finanzielle Grundhilfe sprechen, denn die ungleiche Einkommensverteilung vertieft nur die Armut im Land«, erklärte O'Laughlin. IPS

* Aus: Neues Deutschland, 19. Mai 2009


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