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Riskantes Spiel in Montenegro

Präsidentenwahl am Schwarzen Berg: Tandem Djukanovic – Vujanovic will weiter walten

Von Marko Winter *

Erstmals nach der Trennung von Serbien wählt Montenegro am Sonntag seinen Präsidenten. Keineswegs sicher ist, dass dies bereits im ersten Wahlgang gelingt. Eine Stichwahl in zwei Wochen erscheint möglich.

Fast 490 000 Berechtigte haben die Wahl zwischen vier Kandidaten. Die Opposition, die sich nicht einigen konnte, bietet drei Anwärter gegen den amtierenden Präsidenten Filip Vujanovic von der regierenden Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) auf. Andrija Mandic vertritt die Serbische Liste (SL), die bis zuletzt gegen die Unabhängigkeit der Republik Montenegro von Serbien gekämpft hatte. Nebojsa Medojevic kommt aus der Bewegung für Veränderungen (PzP), die sich erst nach der Unabhängigkeitserklärung als Partei formiert hat. Und für die Sozialistische Volkspartei (SNP) kandidiert deren neuer Vorsitzender Srdjan Milic. Dem Bewerber der ehemaligen Regierungspartei, die ebenfalls gegen die Trennung von Serbien war und sich nach der Niederlage beim Referendum über die Unabhängigkeit heftig zerstritt, werden allerdings die geringsten Chancen eingeräumt.

Die Präsidentenwahl könnte erstmals nach dem Referendum und den Parlamentswahlen vor anderthalb Jahren Auskunft über das tatsächliche politische Kräfteverhältnis in Montenegro geben. Während die DPS unter ihrem Vorsitzenden Milo Djukanovic die Integration in NATO und EU zum Ziel ihrer Politik erklärt und eine Anerkennung Kosovos als unabhängiger Staat nicht eindeutig ausschließt, streben SNP und SL nach enger Zusammenarbeit mit Serbien. Eine Anerkennung Kosovos kommt für sie deshalb nicht in Frage. Die PzP steht dieser Haltung nahe, hält aber die Beziehungen zu NATO und EU mindestens für gleich bedeutend.

Zwei Monate vor der Wahl war Ministerpräsident Zeljko Sturanovic nach nur 15 Regierungsmonaten aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten. Nachfolger wurde sein Vorgänger Milo Djukanovic, der den Posten schon mehrfach inne hatte und von 1998 bis 2002 auch Präsident Montenegros war. Es war sogar spekuliert worden, dass Djukanovic sich wieder ums Präsidentenamt bewerben könnte. Doch die Wahl zum Regierungschef erschien ihm wohl als der weniger riskante Weg an die Macht und in ein Amt, das ihm Immunität sichert. Denn seit langem droht Djukanovic eine Anklage wegen Unterstützung der Mafia und illegalen Zigarettenschmuggels über Montenegro nach Italien. Am 28. März erst wurde er von der Staatsanwaltschaft im italienischen Bari sechseinhalb Stunden lang zu 80 Fragen vernommen. Die Reise nach Bari war geheim gehalten worden. Djukanovic behauptet zwar, die Vernehmung habe auf seinen eigenen Wunsch stattgefunden und dem Beweis seiner Unschuld gedient, doch sein Verteidiger beantragte, dass das Aussageprotokoll unter Verschluss gehalten wird – wegen der diplomatischen Immunität, die sein Mandant als Ministerpräsident genieße.

Aufsehen hat in Montenegro die Tatsache ausgelöst, dass Milo Djukanovic in den anderthalb Jahren, da er kein Staatsamt bekleidete, zu beachtlichem Reichtum gelangt ist. Als Ministerpräsident hatte er offiziell monatlich nur 1477 Euro verdient, kurz darauf gründete er fünf Unternehmen, denen ein Millionenwert zugeschrieben wird. Deren Verwaltung musste er jetzt Vertrauten übertragen, da ihm als Regierungschef eigene Geschäftstätigkeit untersagt ist.

Sollte Filip Vujanovic die Präsidentenwahl gewinnen, wird Djukanovic mit Sicherheit wieder zum wichtigsten Mann im Staate Montenegro. Gerade die engen Beziehungen zu Djukanovic, den Vujanovic 2002 auf dem Wege eines umstrittenen Ämtertausches im Präsidentensessel abgelöst hatte, könnten den DPS-Kandidaten allerdings etliche Stimmen kosten. Deshalb kann man sich im Regierungslager des schon angekündigten triumphalen Sieges im ersten Wahlgang durchaus nicht sicher sein. Parteien der Albaner und der Muslime, die Djukanovic insbesondere beim Unabhängigkeitsreferendum unterstützt hatten, haben sich diesmal für den Kandidaten der PzP ausgesprochen.

Letzten Meinungsumfragen zufolge kann Vujanovic im ersten Wahlgang mit gut 40 Prozent der Stimmen rechnen. Die absolute Mehrheit würde er damit deutlich verfehlen. Auf Platz zwei wird Andrija Mandic (SL) mit knapp 30 Prozent der Stimmen erwartet. Mandic hat deutlich gemacht, dass er das Resultat des Unabhängigkeitsreferendums anzuerkennen bereit ist und als Präsident für alle Bürger Montenegros da sein werde. Nebojsa Medojevic, der lange Zeit als wichtigster Konkurrent von Vujanovic galt, kam zuletzt nur noch auf 18,5 Prozent, weil er in seinen Aussagen unklar blieb. SNP-Kandidat Srdjan Milic kann nur mit rund 10 Prozent der Stimmen rechnen.

Die Meinungsforscher sagen einen zweiten Wahlgang voraus. Sollte sich die Opposition dann auf die Unterstützung eines gemeinsamen Kandidaten einigen können, wäre sogar dessen Sieg möglich. In diesem Fall wären wohl vorgezogene Parlamentswahlen zu erwarten.

* Aus: Neues Deutschland, 5. April 2008


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