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Noch ein wunder Punkt

Rußland warnt EU und USA vor Konfrontation um Transnistrien

Von Knut Mellenthin *

Dreimal haben russische Politiker in den letzten sechs Tagen die »Blockade« gegen Transnistrien, eine mehrheitlich von Russen bewohnte Enklave auf dem Staatsgebiet Moldawiens, kritisiert und vor deren Folgen gewarnt. Offensichtlich wird das Thema in Moskau sehr ernstgenommen. Wladimir Putin »erörterte« am Montag in einem Telefongespräch mit der deutschen Regierungschefin Angela Merkel »die Notwendigkeit wirksamer Maßnahmen zur Aufhebung der Blockade Transnistriens und zum Lösen des transnistrischen Problems«, heißt es in einer offiziellen Mitteilung aus Moskau. Der russische Präsident hatte zuvor schon am Freitag voriger Woche seinen US-amerikanischen Amtskollegen Barack Obama telefonisch »darauf aufmerksam gemacht, daß die Blockade die Lebensverhältnisse von Transnistriens Einwohnern deutlich verschlechtere, ihre Freizügigkeit behindere und die Wirtschaft beeinträchtige«, wie russische Nachrichtenagenturen meldeten.

In ungewöhnlich scharfer Form äußerte sich Außenminister Sergej Lawrow am Sonntag im russischen Fernsehen zum Thema: Das Assoziierungsabkommen mit Moldawien, das die EU spätestens im Juni unterzeichnen will, ignoriere vollständig das Transnistrien-Problem. »Es ignoriert das 1997 geschlossene Abkommen zwischen Chisinau und Tiraspol (Hauptstädte Moldawiens und Transnistriens, jW), das Tiraspol berechtigt, internationalen Handel zu treiben. Es ignoriert, was heute mit Transnistrien geschieht: Chisinau und die neuen Machthaber der Ukraine haben eine Blockade gegen sein Territorium verhängt«, so Lawrow. Rußlands »europäische Partner« schwiegen dazu jedoch. »Tatsächlich billigen die EU und wohl auch die USA diese Politik. Wir möchten darüber sehr ernsthaft mit ihnen sprechen. Denn sie eskalieren die Spannungen wegen Transnistrien und behaupten geradezu, es werde ›das nächste‹ sein. Das ist eine unverschämte, provokatorische Sprache. In Wirklichkeit wollen sie unzumutbare Bedingungen für Tiraspol schaffen. Sie verletzen damit, ich sage es noch einmal, die Abkommen, die den Bewohnern Transnistriens bestimmte Rechte zum Reisen, Transitverkehr und Handel garantieren«, kritisierte Lawrow weiter. Das sei »empörend«. »Sie lernen nie etwas. Wieder einmal versuchen sie, einen wunden Punkt in unseren Beziehungen zu schaffen.«

Transnistrien ist etwas größer als das Saarland oder Luxemburg und hat rund eine halbe Million Einwohner. Es grenzt nur an Moldawien und an die Ukraine, nicht jedoch an Rußland. Transnistrien trennte sich schon 1990 von Moldawien, als sich dieses unrechtmäßig von der Sowjetunion lossagte und als erste Amtshandlung alle Minderheitenrechte abschaffte. Nach einem mehrmonatigen, von Moldawien begonnenen Krieg im Jahre 1992 ist Transnistrien – oder wie der offizielle Name lautet: die Pridnestrowianische Moldawische Republik (PMR) – de facto ein unabhängiger Staat, der aber nicht einmal von Rußland anerkannt ist.

Die »Blockade« gegen die PMR, von der jetzt immer wieder die Rede ist, wurde im Dezember 2005 zwischen Moldawien und der Ukraine vereinbart. Sie verlangen, daß jede transnistrische Firma, die im Außenhandel tätig werden will, sich bei den moldawischen Behörden registrieren lassen, also praktisch deren Souveränität anerkennen und deren Anweisungen befolgen müßte. Das wird in der PMR als unzumutbar betrachtet und zu umgehen versucht. An diesem Punkt kommt die Europäische Union ins Spiel: Noch bevor sich Kiew und Chisinau auf die Blockade gegen Transnistrien verständigten, hatte die EU am 7. Oktober 2005 mit Moldawien und der Ukraine eine Vereinbarung über die Schaffung einer Mission zur Unterstützung der Grenzüberwachung namens EUBAM geschlossen. Diese Mission, an der mehrere hundert Grenzschutz- und Zollbeamte aus allen EU-Staaten einschließlich Deutschlands beteiligt sind, spielt eine maßgebliche Rolle bei der Überwachung der Grenzen der PMR und damit auch bei der Durchsetzung der Blockade. Die USA sind über finanzielle Zuschüsse in Millionenhöhe »zur Grenzsicherung« Moldawiens gleichfalls engagiert.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 2. April 2014


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