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Die Hängepartie in Moldova dauert an

Keine "Präsidentenmehrheit" im Parlament

Von Detlef D. Pries *

Zum dritten Mal innerhalb von weniger als zwei Jahren waren die Bürger der Republik Moldova am Sonntag zur Wahl eines neuen Parlaments aufgerufen. Einen Ausweg aus der innenpolitischen Krise zeigen die Ergebnisse jedoch vorerst nicht.

Zu früh ließen die Führer der Regierungsparteien die Korken knallen. Insbesondere den Liberaldemokraten unter Ministerpräsident Vlad Filat hatten Nachwahlbefragungen rumänischer Institute einen glänzenden Sieg verheißen: Filats PLDM, verkündeten sie, werde als stimmenstärkste Partei aus den Parlamentswahlen hervorgehen. Aber entweder hatten die Wähler den Interviewern in die Tasche gelogen oder die Institute hatten die Ergebnisse ihrer »Exit Polls« den Wünschen ihrer Auftraggeber angepasst: Als die Wahlkommission die ersten offiziellen Ergebnisse veröffentlichte, lag jedenfalls wieder einmal – wenn auch mit Verlusten – die Partei der Kommunisten der Republik Moldova (PCRM), die das Land zwischen 2001 und 2009 regiert hatte, weit vorn.

Richtig ist, dass Filats Liberaldemokraten erheblich aufgeholt haben. Dies aber vor allem auf Kosten ihrer bisherigen Partner in der Allianz für Europäische Integration. Die Vierparteienkoalition, die seit den Wahlen im Juli 2009 regiert hatte, war vor allem durch persönliche Rivalitäten und effekthaschende Deklarationen ihrer Chefs aufgefallen, hatte aber politisch und wirtschaftlich wenig bewegt im »Armenhaus Europas«. Eine der vier Parteien, die Allianz Unser Moldova (AMN), bezahlte dies am Sonntag mit dem Verlust sämtlicher Parlamentsmandate. Und auch die Liberale Partei unter Mihai Ghimpu, der als Parlamentspräsident seit Herbst 2009 zugleich provisorisches Staatsoberhaupt war, musste empfindliche Verluste hinnehmen.

Ghimpu, der sich selbst als Rumäne betrachtet, gilt den Kommunisten als »rumänischer Statthalter« in Moldova. Rumäniens Präsident Traian Basescu gibt sich zwar als Pate des Nachbarn auf dessen Weg in die EU, weigert sich aber nach wie vor, einen Grenzvertrag mit Moldova abzuschließen. Die Grenze zwischen beiden Staaten sei eine Frucht des Molotow-Ribbentrop-Paktes, heißt es in Bukarest, in dessen Folge habe die Sowjetunion das damalige Bessarabien – die spätere Moldauische SSR – 1940 unrechtmäßig annektiert.

Die Demokratische Partei (PDM) als vierte im Bunde der bisherigen Regierungskoalition behauptete ihren Stimmenanteil, so dass die drei verbliebenen Parteien der Allianz für Europäische Integration zusammen auf 57 der 101 Parlamentsmandate kämen und – rauften sie sich wieder zusammen – erneut die Regierung bilden könnten. Doch für die Wahl des Staatspräsidenten, die 61 Stimmen erfordert, reicht das nicht. Wegen des Scheiterns der Wahl eines Staatsoberhaupts hatte das Parlaments aber bereits zweimal vorzeitig aufgelöst werden müssen.

Innenpolitische Stabilität, die als Voraussetzung sowohl für die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage als auch für die Lösung des schwelenden Konflikts um die abtrünnige Dnjestr-Republik betrachtet wird, verspricht das Wahlergebnis also vorerst nicht. Bilden Liberaldemokraten, Demokraten und Liberale wieder eine Koalition, müssten sie für die Wahl des Präsidenten entweder einen Kompromiss mit den Kommunisten unter Altpräsident Wladimir Woronin finden oder auf Überläufer aus dessen Lager hoffen.

Möglich wäre allerdings auch eine Koalition der Kommunisten mit der Demokratischen Partei, die als einzige vor der Wahl keine Koalitionsaussage getroffen hatte. Deren Chef Marian Lupu war bis April 2009 Parlamentspräsident für die PCRM, hatte die Partei jedoch kurz vor den Juli-Wahlen desselben Jahres verlassen. Während der PCRM von einstigen Anhängern vorgehalten wird, sie sei längst nicht mehr kommunistisch, hatte Lupu sie als unverbesserlich orthodox bezeichnet. Dass man sich die gegenseitigen Schmähungen verzeiht, scheint daher sehr zweifelhaft.

* Aus: Neues Deutschland, 30. November 2010


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