Patt in Moldawien
Zwischen Kompromiß, Aufstand und Neuwahlen: Kommunisten als stärkste Partei, Opposition mit Koalitionsmehrheit
Von Tomasz Konicz *
Ihren Wahlsieg bei den vorgezogenen Parlamentswahlen vom 29. Juli hat
der Kommunistischen Partei Moldawiens (PKRM) jüngst auch das
Verfassungsgericht des Landes bestätigt. Die Wahl sei verfassungsgemäß
verlaufen, deren Ergebnisse seien legitim, befanden die obersten
Verfassungsrichter am vergangenen Freitag. Gemäß der moldawischen
Konsitution muß nun Wladimir Woronin, der scheidende Präsident und
KP-Vorsitzender, bis zum 21. August den ersten Termin für eine
Parlamentssitzung festlegen. Die Kommunisten erhalten dem nun
bestätigten Wahlergebnis zufolge 48 von insgesamt 101 Parlamentssitzen.
Auf den Plätzen folgen mit weitem Abstand die Liberaldemokraten mit 18
Sitzen, die Liberale Partei (15), die Demokratische Partei des
ehemaligen Parlamentspräsidenten Marian Lupu (13) und schließlich die
Allianz »Unser Moldawien« (7).
Allianz für Integration
Obwohl sie die mit Abstand meisten Wählerstimmen erhielt, muß die PKRM
in die Opposition. Die vier genannten prowestlichen Parteien hatten sich
am 8. August auf die Bildung einer Regierungskoalition geeinigt, die mit
53 von 101 Abgeordneten über eine knappe Mehrheit verfügt. Ihr
Koalitionsbündnis gab sich den programmatischen Namen »Allianz für
europäische Integration«. Eine geopolitische Westausrichtung Moldawiens,
die langfristig zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union führen
soll, ist ihr politisches Hauptanliegen.
Während der Regierungszeit der Kommunisten hatte Moldawien hingegen eine
graduelle Annäherung an Rußland verfolgt. Der erste Schritt in Richtung
Westen, den die neue Regierung unternimmt, besteht aus der Abschaffung
der Visapflicht für rumänische Staatsbürger, die Präsident Woronin nach
den Unruhen während der vorletzten Parlamentswahl im April verhängt
hatte. Damals hatten moldawische Stellen rumänische Nationalisten und
Geheimdienste für die Turbulenzen verantwortlich gemacht.
Dennoch sind viele westliche Beobachter mit dem derzeitigen Zustand
nicht zufrieden: »Das Wahlergebnis in Moldawien hat keinem der Lager ein
entscheidendes Übergewicht gebracht, weswegen das politische Patt weiter
bestehen wird«, erklärte beispielsweise Jan Malicki, der Direktor des
Zentrums für Osteuropastudien der Warschauer Universität, gegenüber der
polnischen Presseagentur PAP. Dieses Patt resultiert aus der
Verfassungsbestimmung, der zufolge der moldawische Präsident mit einer
Drei-Fünftel-Mehrheit von 61 der 101 Abgeordneten gewählt werden muß. An
dieser Vorgabe waren die moldawischen Kommunisten - die 60 Abgeordnete
stellten - nach den April-Wahlen 2009 zweimal gescheitert, was dann zu
den vorgezogenen Parlamentswahlen führte.
Es ist somit durchaus möglich, daß die PKRM die Wahl eines von der
Regierungskoalition nominierten Präsidentschaftskandidaten genauso
blockieren wird, wie es zuvor die prowestlichen Kräfte getan haben.
Malicki spekulierte gegenüber PAP schon über eine erneute Abstimmung -
sowie über radikale Lösungen dieses Stillstands: »Wenn ein weiterer
Wahlgang keine konstruktive Lösung ermöglichen sollte, werden wir es in
Moldawien mit einer Revolution zu tun haben. Diejenigen, die
Veränderungen wollen, werden sich bestimmt nicht aufhalten lassen.« Dann
werde sich zeigen, daß alles möglich sei, orakelte Malicki, »so wie vor
ein paar Jahren in der Ukraine«.
Lupus Wechsel
Allerdings stehen der prowestlichen Regierungskoalition derzeit noch
andere Optionen offen. Eine zentrale Rolle bei dem nun anstehenden
Machtpoker kommt wohl Marian Lupu, dem Chef der Demokratischen Partei,
zu. Lupu hat innerhalb der KP Karriere gemacht und diese nach einem
Zerwürfnis mit Woronin im Juni 2009 verlassen. Beobachter gehen davon
aus, daß gerade sein Wechsel in das Lager der prowestlichen Kräfte zu
deren Wahlsieg beitrug. Nun hofft der ehemalige Parlamentspräsident, daß
sich innerhalb seiner ehemaligen KP noch genügend Sympathisanten finden,
die seine Wahl zum Präsidenten unterstützen werden.
Die neue Koalition bemüht sich bereits, die Vorbehalte gegenüber einer
radikalen Westannäherung zu zerstreuen. Man wolle sowohl mit dem Westen
wie auch mit Rußland eine »gute Zusammenarbeit anstreben«, hieß es in
einer ersten Regierungserklärung. Lupu selbst erklärte ausdrücklich, daß
für ihn ein Beitritt Moldawiens zur NATO definitiv »ausgeschlossen« sei.
* Aus: junge Welt, 18. August 2009
Zurück zur Moldawien-Seite
Zurück zur Homepage