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Moldawien: Verspätete Blumen der Revolution

Von Andrej Fedjaschin *

Der verspätete Versuch einer "bunten Revolution" in Moldawien hat anscheinend sowohl Europa als auch die USA in Erstaunen und Angst versetzt.

Es ist klar, dass die Protestaktionen organisiert wurden, und zwar von der Opposition.

Denn ohne Organisation (Busse zum Transport der Demonstranten und Pflastersteine, die bewährte "Waffen des Proletariats" sind) gibt es so groß angelegte und gewaltlustige Kundgebungen einfach nicht. Spontane "Aufrührer" haben nicht die Angewohnheit, sofort am ersten Tag Parlamente und Präsidentensitze zu besetzen.

Diese Taktik ist bereits zu einer Schablone jeder „bunten Revolution“ geworden. Es fragt sich nur: Wieso jetzt? Und wer steckt dahinter?

Es ist, als hätten die Organisatoren der Unruhen in der moldawischen Hauptstadt Chisinau lange Zeit in Quarantäne gelebt und deshalb nicht bemerkt, was um sie geschieht. Oder als hätten sie (vielleicht auch aus dem ersten Grund) die Fähigkeit verloren, die Situation an sich, die eigenen Kräfte und die Einstellung des Westens zu Moldawien angemessen zu beurteilen. Auf jeden Fall macht das Ganze nicht den Eindruck, dass die Zwischenfälle in Chisinau von einem unheilvollen "westlichen Zentrum" gelenkt worden wären.

Erstens verlief noch keine einzige bunte „Revolution“ - egal, ob die orange, die der Rosen, Tulpen, Jurten usw. - unter so sonderbaren Leitsprüchen: des Anschlusses an einen anderen Staat. Die Protestler in Chisinau verlangten neben "Freiheit und Europa" auch noch die "Vereinigung mit Rumänien", das nicht gerade das freieste und fortschrittlichste Land der Europäischen Union ist.

Zweitens haben die Leute, die den Aufstand in Moldawien aufgezogen haben, die Lehren des vorjährigen "Kaukasus-Konflikts" und seinen Einfluss auf die Stimmung in Transnistrien nicht in Betracht gezogen. Sieht man von einigen Nuancen ab, so befindet sich diese nicht anerkannte Republik in der gleichen Lage wie Südossetien oder Abchasien bis zum August des vergangenen Jahres.

Die USA, die Europäische Union und die Nato sind gerade dabei, die Beziehungen zu Moskau auf das Niveau vor dem Konflikt wiederherzustellen. Eine "moldawische Revolution" mit den verdächtigen Grautönen der erneuten Rückkehr Bessarabiens in ein "Groß-Rumänien" würde diesen Prozess sicherlich abbrechen.

Kaum jemand mit gesundem Menschenverstand hätte annehmen können, Russland würde absolut gleichgültig zu einem dermaßen ernsthaften geopolitischen Umbruch an seiner Westgrenze stehen.

Doch nach Abbruch dieses Prozesses würden sich der Verwirklichung der neuen Afghanistan-Strategie von US-Präsident Barack Obama große Schwierigkeiten in den Weg stellen. Er rechnet damit, dass Moskau der Nato den Transit von Militärgut für den Afghanistan-Einsatz erlauben wird.

Jetzt wird sich Moldawien an den Versuch einer "bunten Revolution" noch sehr lange erinnern. Denn jetzt hat Transnistrien ein weiteres, sehr gewichtiges Argument gegen den Anschluss an Moldawien. In der Tat: Wozu soll die abtrünnige Region in ein Land zurückkehren, das sich so eifrig darum bemüht, seine Souveränität und Unabhängigkeit einzubüßen?

Die Reaktion sowohl der USA als auch Europas auf das ganze Geschehen war sehr kennzeichnend. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Robert Wood, erklärte: Die Haltung Washingtons zu den abgehaltenen Wahlen sei "alles in allem positiv". Und weiter: "Jetzt kommt es darauf an, dass sich die Menschen sich von gewaltsamen Aktionen fernhalten. Das wird nicht helfen."

Für die USA ist diese Erklärung von beispiellosem Seltenheitswert. Denkt man daran, wie die Administration von George W. Bush alle bunten Revolten in den Weiten der ehemaligen Sowjetunion unterstützte, so klingt das wie eine kaum verborgene Verurteilung der Aufrührer.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti; 8. April 200), http://de.rian.ru


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