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Bergbau der Tempelritter

Mexikanische Drogenkartelle sind auch im Handel mit Erzen aktiv

Von Andreas Knobloch *

Im rohstoffreichen mexikanischen Bundesstaat Michoacán sollen Drogenkartelle bereits die Hälfte des Bergbaus kontrollieren.

Die mexikanischen Behörden haben vor einigen Tagen im Hafen von Manzanillo im Bundesstaat Colima ein Schiff aufgebracht, das 68 000 Tonnen geschmuggeltes Eisenerz geladen hatte. Auf die Spur brachte sie ein anonymer Hinweis, kurz nachdem das Schiff in Lázaro Cardenas abgelegt hatte. Über den im westmexikanischen Bundesstaat Michoacán gelegenen zweitgrößten Frachthafen des Landes wird ein Großteil des Rohstoffhandels mit Asien abgewickelt. Nach Angaben von Alfredo Castillo Cervantes, dem Sicherheitsbeauftragten für Michoacán, gehören die beschlagnahmten Mineralien dem Tempelritter-Kartell, einer Bande mit pseudoreligiösem Anstrich, die vor allem in diesem Bundesstaat operiert.

Erst tags zuvor war der Bürgermeister von Lázaro Cardenas, Arquímedes Oseguera Solorio, festgenommen worden. Er soll Verbindungen zu den Tempelrittern haben und laut Staatsanwaltschaft in illegalen Bergbau verwickelt sein. Michoacán ist der mexikanische Bundesstaat mit den größten Eisenerzvorkommen.

Die mexikanischen Drogenkartelle, die laut Schätzungen bereits 50 Prozent des Bergbaus dort kontrollieren, haben in den vergangenen Jahren ihre Geschäftsfelder ausgeweitet. Neben dem Kerngeschäft aus Entführung, Erpressung, Mord und Rauschgifthandel mischen die Tempelritter auch bei der Fleischproduktion, im Holzhandel sowie in der Immobilienbranche mit. Zu einer der wichtigsten Einnahmequellen in den letzten Jahren aber ist der Raub, Handel und Abbau von Rohstoffen geworden. Allein im Jahr 2013 hat das organisierte Verbrechen laut Castillo mit illegalem Bergbau mindestens 28 Millionen US-Dollar verdient. Für jede abgebaute Tonne treiben die Tempelritter von den Minenbetreibern zwischen vier und sieben US-Dollar »Steuern« ein; für Transport, Lagerung, Verarbeitung, Legalisierung und Export werden zusätzliche Kosten fällig, so Castillo. Das Kartell sei in die komplette Produktionskette vom Abbau bis zur Verschiffung eingedrungen.

Regierungsinformationen zufolge reichen die illegalen Bergbautätigkeiten der Kartelle in Michoacán bis in das Jahr 2008 zurück. Immer wieder werden Transporte entführt, Minenbesitzer bedroht und vertrieben. Die Rohstoffe würden dann zum Teil illegal ausgebeutet, sagte Alonso Ancira, Präsident der Nationalen Handelskammer für Eisen und Stahl gegenüber der Tageszeitung »Excelsior«. »Wenn Du ein Gebiet von einer Fläche von 30 000 Hektar besitzt und an einer Stelle arbeitest, positionieren sie (die Kartelle) sich an einer anderen. Und wenn der Besitzer auftaucht, sagen sie ihm: ›Verschwinde von hier, sonst wirst Du die Jungfrau von Guadalupe besuchen – und das nicht unbedingt in der Basilika.‹«

Der Boom der illegalen Minen hat die Schwarzmarkt-Exporte von 1,5 Millionen Tonnen im Jahr 2006 auf vier Millionen Tonnen im Jahr 2012 anwachsen lassen. Das ist mehr als ein Viertel der nationalen Produktion. Ein großer Teil davon geht nach China – wie auch die in Manzanillo beschlagnahmte Fracht. Es gibt Gerüchte, wonach chinesische Banden lukrative Vereinbarungen mit den Kartellen in Michoacán unterhalten. Letztere tauschen demnach das Eisenerz in China gegen Chemikalien ein, die sie für die Herstellung der Droge Methamphetamin benötigen. Michoacán ist auch das Zentrum der Metamphetamin-Produktion in Mexiko.

* Aus: neues deutschland, Montag, 12. Mai 2014


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