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Bericht belastet Regierung

In Mexiko werden weiter zwei verschwundene Guerrilleros vermißt

Von Andreas Knobloch, Mexiko-Stadt *

Am 15. Februar legte die staatliche Menschenrechtskommission CNDH in Mexiko-Stadt die Ergebnisse ihrer Studie zum Verschwinden von Edmundo Reyes Amaya und Gabriel Alberto Cruz Sánchez vor. Beide sind Mitglieder der vor allem im Süden Mexikos aktiven Guerrilla Revolutionäre Volksarmee (EPR). Die CNDH stellt in dem Bericht fest, daß der Staat seine Aufgaben vernachlässigt habe und fordert ihn auf, die beiden Verschwundenen lebend zu präsentieren und sie selbst sowie ihre Familien zu entschädigen. Die mexikanische Regierung wies jede Schuld in dem Fall von sich.

Das »Komitee der Familienangehörigen von Festgenommenen – verschwunden, bis sie gefunden werden« (Comité de Familiares de Detenidos –Desaparecidos Hasta Encontrarlos) würdigte das CNDH-Dokument als »zweifellos von großer Bedeutung«, da es die Verantwortung des mexikanischen Staates für das Verschwinden von Reyes Amaya und Cruz Sánchez feststelle. Allerdings seien auch das Verteidigungsministerium und der Geheimdienst CISEN an den Vorfällen beteiligt gewesen und sollten in die Liste der Verantwortlichen aufgenommen werden.

Derweil hofft die Vermittlungskommission zwischen EPR und Regierung weiterhin auf ein Treffen mit Vertretern des Vereidigungsministeriums, des CISEN und der Generalstaatsanwaltschaft, um zu klären, inwieweit Militärs an einer Operation beteiligt waren, die dem Verschwinden der beiden EPR-Guerrilleros vorausging. Die Kommission besteht aus prominenten Persönlichkeiten und wurde auf Anregung der EPR ins Leben gerufen.

Die CNDH stellt in ihrem Bericht fest, daß es reichlich Indizien dafür gebe, daß Beamte des damaligen Ministeriums für den Schutz der Bevölkerung und heutigen Ministeriums für Öffentliche Sicherheit sowie Beamte der Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates Oaxaca und der Generaldirektion für Öffentliche Sicherheit von Oaxaca versäumt hätten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären.

Auch dokumentierten die ausgewerteten Akten, so die CNDH, daß verschiedene Stellen der Regierung von Oaxaca an der Operation vom 24. Mai 2007 beteiligt gewesen seien. An diesem Tag wurden Reyes Amaya und Cruz Sánchez in Oaxaca verhaftet. Seitdem fehlt von ihnen jede Spur. Die von der CNDH ausgewerteten Dokumente der Behörden wiesen zudem Lücken und schwere Widersprüche auf.

Das »Verschwindenlassen« von politischen Gegnern hat in Mexiko eine lange Tradition. Während der Studentenbewegungen von 1968 und 1971 ließ das mexikanische Militär Hunderte Jugendliche »verschwinden«. Bis heute sind viele Fälle immer noch nicht aufgeklärt. Die Praxis des Verschwindenlassens von Menschen besteht fort und erscheint als eine eingeplante oder zumindest tolerierte Strategie bundesstaatlicher und staatlicher Behörden, die strafrechtlich schwer verfolgt werden kann. Denn wenn es kein Opfer gibt, gibt es auch kein Verbrechen.

* Aus: junge Welt, 26. Februar 2009


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