"Das Erdöl ist die Seele der mexikanischen Nation"
Bundesregierung hofft in Mexiko auf große Geschäfte. Widerstand gegen den neoliberalen Pakt wächst. Ein Gespräch mit Cuauhtémoc Sandoval Ramírez *
Herr Sandoval, Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Mexiko nach ihrer Lateinamerika-Reise vor einer Woche als einen der engsten Handelspartner Deutschlands in der Region bezeichnet. Freut Sie das?
Grundsätzlich befürwortet meine Partei, die PRD, ausländische Investitionen. Aber wir weisen auch darauf hin, daß dieselben Regeln und Normen der Herkunftsstaaten auch in den Zielländern beachtet werden müssen. In der EU, auch in Deutschland, gelten oft strenge Bestimmungen bei Umweltschutz und Arbeitsrecht. Wenn die Unternehmen bei uns tätig werden, vergessen sie diese Verpflichtungen oft.
Als Mitglied der Außenpolitischen Kommission des mexikanischen Parlaments haben Sie an einem Treffen mit der deutschen Delegation teilgenommen. Gibt es denn Anzeichen dafür, daß die Vorgaben nicht eingehalten werden?
Wir sind im Senat mit deutschen Abgeordneten zusammengekommen. Neben Sevim Dagdelen von der Linkspartei und Sascha Raabe von der SPD warebn bei diesem Treffen auch Vertreter der CDU und der FDP anwesend. Die haben uns offen gesagt, daß wir das staatliche mexikanische Erdölunternehmen PEMEX privatisieren sollen. Wir hatten daraufhin eine Debatte, die am Folgetag sehr schön in der mexikanischen Presse wiedergegeben wurde. Ein diplomatischer Empfang, hieß es da, habe sich zu einer politischen Debatte mit Beteiligung der mexikanischen und deutschen Abgeordneten entwickelt.
Weshalb haben Sie die Empfehlungen der wirtschaftsliberalen Gäste aus Deutschland abgelehnt?
Die Privatisierung von PEMEX ist ein großer Streitpunkt in Mexiko. Als Präsident Calderón den Verkauf des Staatsunternehmens im Schnellverfahren durchsetzen wollte, haben wir am 10. April die Tribüne des Parlaments besetzt. So konnten wir eine Debatte erzwingen. Später im Jahr soll dann eine parlamentarische Abstimmung stattfinden. Wir drängen aber auf eine Volksabstimmung. Denn hier geht es nicht um irgendein Gesetz. Das Erdöl ist der Motor der mexikanischen Wirtschaft. Vor allem aber ist die Erdölwirtschaft die Seele der mexikanischen Nation. Und die soll nun verkauft werden.
Wir beurteilen Sie also das Kooperationsangebot der deutschen Regierung an Ihr Land?
Es ist klar, daß die deutschen Unternehmer, die mit Frau Merkel gereist sind, ein Interesse an der Öffnung der mexikanischen Erdölindustrie haben. Aber diese Öffnung wird es nicht geben. Das gesamte mexikanische Volk lehnt sich dagegen auf. Das haben mehrere Umfragen eindeutig belegt. Ich sage immer: Die Erdölindustrie ist wie unsere Nationalheilige, die Jungfrau von Guadalupe: Sie ist unberührbar.
Konnten Sie Ihre Bedenken den deutschen Gästen vermitteln?
Zum Teil. Für uns war es sehr positiv, daß Frau Merkel als Vertreterin der deutschen Rechten Parlamentarier der linken Opposition zu ihrer Reise eingeladen hat. In Mexiko wäre das undenkbar. Unser Präsident Calderón ist durch einen Wahlbetrug an die Macht gekommen und regiert mit 35 Prozent der Stimmen. Er bezieht niemanden ein.
Trotzdem setzt die deutsche Regierung auf ihn.
Es gibt in Lateinamerika zwei streng rechts regierte Staaten: Mexiko und Kolumbien. Wenn die deutsche Regierung sich diese Partner aussucht, wird sie scheitern. Denn beide Staatsführungen haben enorme interne Probleme. Calderón regiert in Mexiko gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Uribe verstrickt sich in Kolumbien immer tiefer in einen Paramilitärskandal. Währenddessen werden immer mehr Regierungen von linken und Mitte-links-Kräften übernommen. Paraguay ist das letzte Beispiel, wo Fernando Lugo die 61jährige Herrschaft der rechten Colorado Partei beendet hat. Angesichts dieses Trends kann kaum jemand mehr die These einer »guten« und »schlechten« Linken verteidigen.
Am Wochenende waren Sie nun auf dem Parteitag der Linken in Cottbus zu Gast. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Sehen Sie, ich komme aus einer linken Oppositionspartei, die zur Zeit eine schwere Krise durchmacht. Im März gab es bei usn Vorstandswahlen, aber bis heute haben wir kein Ergebnis, weil sich zwei interne Lager unversöhnlich gegenüberstehen. Das sollte Die Linke aufmerksam beobachten. Mein Ratschlag ist, alle Richtungskämpfe offen auszutragen. Denn am Ende repräsentiert man eine einzige Partei.
Interview: Harald Neuber
* Der Sozialanthropologe Cuauhtémoc Sandoval Ramírez ist Gründungsmitglied der sozialdemokratischen Partei der Demokratischen Revolution (PRD) in Mexiko.
Aus: junge Welt, 27. Mai 2008
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