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Der verhasste Gouverneur fühlt sich stark

Erneut Großdemonstration und Straßensperren an diesem Wochenende im mexikanischen Oaxaca

Von Gerold Schmidt (npl) *

Dem mexikanischen Bundesstaat Oaxaca steht ein weiterer konfliktreicher Tag bevor. An diesem Samstag (25.11.2006) läuft das Rücktrittsultimatum ab, das die aufständische Versammlung der Bevölkerung Oaxacas (APPO) dem Gouverneur Ulises Ruiz gestellt hat. Ruiz macht jedoch keinerlei Anstalten, sein Amt aufzugeben. Die etwa 350 Organisationen vereinende APPO will mit einer weiteren Großdemonstration und der Wiedererrichtung von Straßenbarrikaden ihrer Forderung Nachdruck verleihen. Sie verlangt ebenso den Abzug der vor einem Monat einmarschierten Bundespolizei.

In den vergangenen Tagen besetzten Mitglieder der Volksversammlung vorübergehend kommerzielle Radiostationen, um die heutigen Mobilisierungen bekanntzumachen. Zuvor war die Reichweite des die APPO unterstützenden Senders Radio Universidad durch Störmanöver eingeschränkt worden. Delegationen der Aufständischen präsentierten sich in dieser Woche vor Botschaften, beim päpstlichen Nuntius und der UNO-Vertretung in Mexiko, um ihre Sache zu vertreten. Kurzfristig ist ein Erfolg der Proteste in der vor fast sechs Monaten ursprünglich durch einen Lehrerstreik ausgelösten Auseinandersetzung aber nicht absehbar.

Der Gouverneur fühlt sich indes seit der Präsenz von über 4500 Bundespolizisten in Oaxaca-Stadt gestärkt und versichert, das »Problem« sei »überwunden«. Derweil wächst die Wut über die von der konservativen Zentralregierung in Mexiko-Stadt entsandten Polizeitruppen. Ihnen werden sexuelle Belästigung und Vergewaltigung vorgeworfen. Der Verbleib zahlreicher Verhafteter ist ebensowenig geklärt wie Folteranklagen. Dabei arbeiten lokale Sicherheitskräfte und die militarisierte Bundespolizei offenbar oft Hand in Hand. Die Anklagen und Informationsgesuche nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen, jüngst Amnesty International, stoßen dabei auf weitgehend taube Ohren. Vieles spricht dafür, daß sich Gouverneur Ruiz auf jeden Fall in den Dezember retten wird. Dann hätte er zwei Jahre Amtszeit vorzuweisen und seine Partei könnte nach der mexikanischen Gesetzgebung einen Nachfolger in Oaxaca bestimmen, ohne sich Neuwahlen stellen zu müssen.

Die konservative Zentralregierung von Präsident Vicente Fox in Mexiko-Stadt wird am 1. Dezember abgelöst. Auch für sie wäre es die einfachste Lösung, das Problem Oaxaca an Fox` Parteifreund, den neuen Präsidenten Felipe Calderón, zu übergeben. Dessen Regierungsantritt läßt für die APPO nichts Gutes erwarten. Calderón braucht im Parlament die Stimmen der in Oaxaca regierenden PRI, und in den vergangenen Monaten zeigte der designierte Präsident wenig Verständnis für die Anliegen der Bevölkerung in dem südlichen Bundesstaat. Im Gegenteil propagierte er ein hartes Durchgreifen.

* Aus: junge Welt, 25. November 2006


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