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Schwache Sieger

Regierungspartei PRI gewann Regionalwahlen in Oaxaca. Aber Enthaltung bei rund 70 Prozent

Von Gerold Schmidt, Mexiko-Stadt (npl) *

Die Überraschung war groß im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca, als am Montag abend (Ortszeit) die Auszählung der Stimmen abgeschlossen wurde. Entgegen fast aller Voraussagen gewann die den Bundesstaat Oaxaca regierende Partei der Institutionellen Revolution (PRI) des Gouverneurs Ulises Ruiz die Abgeordnetenwahlen nicht nur. Der ehemaligen Staatspartei gelang es nach den vorliegenden Ergebnissen sogar, ihre absolute Mehrheit im Lokalparlament weiter auszubauen. Das in den Umfragen mehrheitlich führende linksmoderate Bündnis unter Leitung der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) konnte keinen einzigen der 25 Direktwahlkreise gewinnen. Die landesweit regierende konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) kam völlig abgeschlagen auf den dritten Platz.

Auf den ersten Blick bedeutet das Ergebnis im von Protesten erschüterten Oaxaca eine enorme Stärkung des Gouverneurs, dem zahlreiche Menschenrechtsverletzungen bis hin zu politischen Morden vorgeworfen werden. Bei genauerem Hinsehen aber zeichnet sich eine weitere Polarisierung ab: Auf der einen Seite steht die regionale PRI-Regierung, auf der anderen die in der »Volksversammlung der Bevölkerung Oaxacas« (APPO) vereinte außerparlamentarische Opposition, zu der auch die starke lokale Lehrergewerkschaft gehört. Mit dem jüngsten Wiederauftauchen der Guerilla-Organisation Revolutionäres Volksheer (EPR) gewinnt die politische Konstellation im Bundesstaat zusätzlich an Schärfe.

Vor allem aber zeigen die Wahlen in Oaxaca eine Abkehr von den Parteien. Die gut 400000 Stimmen für die PRI entsprechen gerade einmal 17 Prozent der Wahlberechtigten oder der Hälfte der Teilnehmer an den größten Protestdemonstrationen gegen Ulises Ruiz. Gegenüber dem für sie katastrophalen Ergebnis bei den Präsidentschaftswahlen 2006 verlor die PRI in absoluten Zahlen sogar weiter an Zustimmung in Oaxaca. Aber eine Wahlenthaltung von fast 70 Prozent und der völlige Einbruch der PRD, die von über 600000 Stimmen in Oaxaca bei den nationalen Wahlen auf jetzt 240000 Stimmen absackte, führten zum paradoxen Endresultat. Die verbreitete Überzeugung, auch viele Oppositionskandidaten seien im Vorfeld bereits von Ruiz kooptiert worden, hielten die Wähler offenbar von einer Stimmabgabe ab.

Das erzielte ist nicht das Wunschergebnis der APPO. Deren Sprecher Florentino López erklärte in einer ersten Reaktion, eine Wahlabstrafung der PRI sei aufgrund der Regierungskontrolle und der Angst in der Bevölkerung vor neuer Repression nicht erreicht worden. Andere Politaktivisten dagegen sprachen angesichts der absoluten Zahlen für die PRI von einer »Bestrafung ohne Stimmen«. Die APPO indes setzt mit neuen Mobilisierungen für Demonstrationen am 10. und 22. August weiter auf den außerparlamentarischen Widerstand. Vor einem Jahr hatte die Bewegung an diesen Tagen die ersten von über zwei Dutzend Toten zu beklagen, für die sie regierungsnahe Paramilitärs verantwortlich macht.

Das Revolutionäre Volksheer sah in der niedrigen Wahlbeteiligungeinen »Hinweis für Verzweiflung, Überdruß und fehlendes Vertrauen in Wahlprozesse als einen Weg tiefgreifender Veränderungen«. Der »gezähmten Opposition« der Parteien warf die Guerilla »Komparsentum« vor. Das EPR, das die Verantowrtung für einen Bombenanschlag am 1. August in Oaxaca-Stadt übernommen hat, kündigte nun weitere »revolutionäre Aktionen« an.

*Aus: junge Welt, 8. August 2007


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