Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Eine Frau will es wissen

Josefina Vázquez Mota tritt für Mexikos Regierungspartei PAN bei der Präsidentschaftswahl an

Von Andreas Knobloch, Mexiko-Stadt *

Am Sonntag (5. Feb.) gewann Josefina Vázquez Mota die interne Kandidatenkür der regierenden PAN für die Präsidentschaftswahlen in Mexiko am 1. Juli.

Sie hörte gar nicht mehr auf zu strahlen. Bei der Mitgliederbefragung setzte sich Josefina Vázquez Mota klar gegen den Favoriten von Präsident Felipe Calderón, Ernesto Cordero, sowie Santiago Creel durch. Nach einem Vorwahlkampf, bei dem sich die Bewerber gegenseitig Stimmenkauf und schmutzige Tricks vorgeworfen hatten, gab sich Vázquez Mota versöhnlich. »Dies ist der Moment der Einheit und des Zusammenhalts, denn wir teilen dieselben Träume«, so die 51-Jährige.

Überhaupt war »unidad«, Einheit, das meistgebrauchte Wort des Abends. Die wird nötig sein, damit sich die optimistische Prognose von Vázquez Mota erfüllt. »Ich werde die erste Präsidentin Mexikos in der Geschichte des Landes sein!« rief sie den in der PAN-Zentrale versammelten Größen der Partei zu. Vázquez Mota wurde 2000 die erste Ministerin für Soziale Entwicklung und übernahm 2006 als erste Frau das Bildungsministerium. Bis September war sie Fraktionschefin der Partei die Nationalen Aktion (PAN).

Für die Mitte-Rechts-Partei, die vor allem katholische Werte vertritt, könnte sich die Nominierung einer Frau als Vorteil erweisen. Doch im Moment stehen die Zeichen eher auf Wandel. Die Bilanz des von Calderón entfachten Krieges gegen die Drogen liest sich mit knapp 50 000 Toten fatal. Das Klima der Unsicherheit ist allgegenwärtig und der Ansehensverlust von politischer Klasse und staatlichen Institutionen enorm.

Zudem hängt die Krise in den USA wie ein Damoklesschwert über der mexikanischen Wirtschaft und Befürchtungen, dass die Drogenkartelle den Wahlausgang beeinflussen oder die Parteien heimlich mit den Kartellen paktieren, sind keineswegs aus der Luft gegriffen.

Alle Umfragen sehen bisher Enrique Peña Nieto, der die Partei die Institutionalisierten Revolution (PRI) nach zwölf Jahren zurück an die Macht führen soll, weit in Front. Der frühere Gouverneur des bevölkerungsreichsten Bundesstaates Estado de México ist bisher vor allem eins: jung und telegen. Dass in seine Amtszeit die Menschenrechtsverletzungen in Atenco (2006) und ein Anstieg der Frauenmorde fallen, wird von mexikanischen Medien bisher kaum thematisiert. Dafür wurde seine Hochzeit mit einer bekannten Telenovela-Schauspielerin medienwirksam inszeniert. Peña Nieto soll der PRI ein neues Image verpassen, das nichts mehr mit dem jener Partei gemein hat, die das Land mehr als 70 Jahre lang allein regierte. Er gilt als Vertreter des unternehmerfreundlichen Flügels der PRI. So befürwortet er die Privatisierung des staatlichen Erdölkonzerns Pemex - ein sensibles Thema, gilt doch die Verstaatlichung des Energiesektors als heiliger Gral nationaler Unabhängigkeit.

Die PRI ist ihren Rivalen in Organisation, Wahllogistik und territorialer Macht weit überlegen. Sie regiert in den meisten Bundesstaaten, zum Teil ohne Rücksicht auf die öffentliche Verschuldung.

Für die Linke tritt erneut Andrés Manuel López Obrador (AMLO) an, der 2006 Calderón hauchdünn unterlegen war, seinem Rivalen daraufhin Wahlbetrug vorwarf, das Ergebnis nicht anerkannte und sich selbst zum »legitimen« Präsidenten Mexikos ausrief. Dies und sein populistischer Stil haben den früheren Bürgermeister von Mexiko-Stadt viele Sympathien gekostet - bei den städtischen Mittelschichten, aber auch in der eigenen Partei. Dennoch setzte sich Obrador in der internen Ausscheidung der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) knapp gegen Marcelo Ebrard durch, den populären Bürgermeister von Mexiko-Stadt, dem bessere Chancen gegen Nieto nachgesagt wurden.

Doch Obrador hat in den vergangenen Jahren unermüdlich das ganze Land bereist und seine Wählerbasis bei den sozial Schwachen ausgebaut. Derzeit versucht der 58-Jährige, sein populistisches Image durch Botschaften von nationaler Versöhnung und Annäherung an die Unternehmer abzulegen.

* Aus: neues deutschland, 8. Februar 2012


Zurück zur Mexiko-Seite

Zurück zur Homepage